Schule aktuell

Geschichtsdidaktik im Rollenspiel: Vom „Wann“ zum „Warum“

Geschichte vom trockenen Image befreien! Das ist Ziel im Unterrichten an vielen Schulen. Durch das alternative Herangehen mittels Rollenspielen wird Verständnis vermittelt und das Interesse am „Warum“ geweckt.

Hölzel Journal-Redaktion - 14. Dezember 2023

Rollenspiele im Geschichtsunterricht

Geschichte mal anders? Rollenspiele als alternative Methode zur Verständnisvermittlung. Bildmaterial © shutterstock

Was hat Andreas Hofer eigentlich beruflich gemacht? Welche Farbe hatten Prinz Eugens Socken bei der Schlacht vor Belgrad? Oder was war genau Kleopatras Muttersprache? Fragen, mit denen man bei Quizshows punkten kann, aber mit Geschichtsverständnis haben sie eher wenig zu tun.

Jahreszahlen, Schlachten, Herrscher-Dynastien: So wurde Geschichtswissen unzähligen Generationen gelehrt und von gelangweilten Schülerinnen und Schülern mehr schlecht als recht auswendig gelernt, um es zur Wissensüberprüfung wiedergeben zu können. Bei einigen wenigen entflammte die Liebe zur Vergangenheit, sie verknüpften das Gelernte, ein Gesamtbild entstand und ein/e Musterschüler/in war geboren. Bei den allermeisten hingegen war das Gelernte spätestens nach dem Test auch wieder Sie ahnen es Geschichte.

Umso sinnvoller war es in der Vermittlung vor geraumer Zeit, auf kompetenzorientiertes Geschichtswissen umzusteigen. Die Fragen änderten sich von „Wann“ auf „Warum“. Und genau da beginnt Geschichte immer spannend zu werden. Warum etwas so passiert ist, wie es im Geschichtsbuch steht. Hätte es andere Optionen gegeben, welche waren es und warum hat man sich gerade dafür entschieden? Wer sich damit beschäftigt, ist bereits tief eingedrungen in das historische Ganze.

Spielerisch lernen

Hier setzt das Rollenspiel als praktisches Mittel der Vermittlung ein. Hat man eine Situation in der Gruppe einmal durchgespielt, bekommt man ein Gefühl für das, was möglich wäre beziehungsweise welchen Zwängen die Entscheidungsträger in ihren jeweiligen Zeiten unterlagen. Gemeinsam mit den Mitschülerinnen und Mitschülern muss man sich einlassen, Standpunkte unterschiedlicher Gesellschaft- oder Interessengruppen zu definieren und Kompromisse zu finden. Auf diesem Weg kann man auch rasch die Folgen für jene Menschen ausloten, die mit den Entscheidungen anderer leben mussten, ohne selbst viel Einfluss gehabt zu haben.

Natürlich setzt man für ein gelungenes Rollenspiel einiges an Wissen voraus, welches man jeweils mit einer fundierten Charakterbeschreibung der zu verkörpernden Person verknüpfen kann. Spannend wird es dann, wenn die Lernenden vor ihrem eigenen Erfahrungshintergrund agieren, auch wenn dieser zur einen oder anderen historischen Unkorrektheit führen kann. Werden die Inhalte mit dem eigenen Erfahrungsschatz verknüpft, kann man sie hinterfragen und entscheiden, wie man selbst in der Situation reagiert hätte. Diese Reflexion der Geschichte in das eigene Leben bringt eben genau jene Tiefe der Beschäftigung mit sich, die man sich von den Schülerinnen und Schülern wünscht. „Was würde ich in der Situation tun?“ ist doch die schönste Frage, die sich ein/e Geschichtslehrerin/in wünschen kann. So wird Geschichte lebendig.

Leben in Diktaturen

Nimmt man als Beispiel das Leben in Diktaturen her, kommt schnell die Frage, warum sich die Menschen nicht aufgelehnt haben. Dafür muss man verstehen, welche Aktionsradien die jeweils unterdrückte Bevölkerung überhaupt hatte, was sie tun hätte können und was der Preis dafür gewesen wäre. Die Scholl-Geschwister zum Beispiel ließen in Nazi-Deutschland ihr junges Leben für Flugblätter.

Rasch werden die Kinder und Jugendlichen erkennen, dass das System der Unterdrückung zumeist nach denselben Regeln funktioniert, sei es im Frankreich des Sonnenkönigs Ludwig XIV., des Nationalsozialismus oder derzeit im Iran. Mit einer Revolution ist es oft nicht getan, denn spätestens hier muss man sich überlegen, welche Kräfte freigesetzt werden und wer welche Interessen verfolgt. Gerade solche Umsturzzeiten eigenen sich hervorragend, um Handlungsoptionen durchzuspielen. Selten sind die Heldinnen und Helden auf den Revolutionsgemälden jene, die tatsächlich die Fäden zogen oder später von ihrem Mut profitiert hätten. Sie endeten oft namenlos als Kanonenfutter der Geschichte.

Drei Säulen des Unterrichts

Expertinnen und Experten sind über den Einsatz von Rollenspielen im Unterricht durchaus geteilter Meinung. Lehnen es die einen als „unhistorisch“ ab, ist es für andere ein probates Mittel, die Aufmerksamkeit der Klasse für ein Thema zu gewinnen. Neben Frontalunterricht und Gruppenarbeit gilt sie ihnen als dritte grundlegende Unterrichtsmethode. Die körperlich aktive Form des Unterrichts weckt die Aktivität und Kreativität der Schüler/innen. Sich spielerisch komplexen Themen zuzuwenden, bringt Bewegung und Freude in die Klasse.

Vorbereitung

Natürlich steht dieser Lehrmethode ein enormes Maß an Vorbereitungsarbeit und Planung gegenüber. Die Lehrerinnen und Lehrer müssen sich selbst einlassen und es verlangt von den Schülerinnen und Schülern ein großes Maß an Disziplin ab, konzentriert daran zu arbeiten. Aufführungen mit großem Theaterwert darf man sich selbstverständlich keine erwarten, doch geht es ja auch nicht um die schauspielerische Leistung der Kinder und Jugendlichen. Vielleicht geht auch einiges an korrekter wissenschaftlicher Akkuratesse verloren, doch liegt der Wert des Rollenspiels vielmehr im Erleben und Verstehen und letztlich darin, Spaß am Unterricht und der Geschichte zu gewinnen. So kann das Rollenspiel zur Geschichtsvermittlung ein spannendes Ergänzungstool sein, das für alle Teilnehmenden eine Bereicherung sein kann.

PS: Falls Sie immer noch über die Fragen der Einleitung grübeln: Andreas Hofer (1767−1810) war Wirt im Gasthaus „Am Sand“, deshalb wird er in Quellen auch gerne als „Sandwirt“ bezeichnet. Weiter verdingte er sich als Pferde- und Weinhändler bei St. Leonhard in Passeier in der Grafschaft Tirol.

Prinz Eugens (1663−1736) Socken waren vermutlich weiße Seidenstrümpfe, wie es für Adelige des Barocks üblich war. Als Feldherr war er nicht aktiv ins Schlachtgeschehen involviert, in der Schaltzentrale etwas abseits versuchte er, sich über Boten einen Überblick über den Schlachtverlauf zu verschaffen. Die Chancen, dass sie nach der Schlacht auch noch weiß waren, sind also hoch.

Kleopatras (69 v. Chr−30 v. Chr) Muttersprache war, obwohl Ägyptens Pharaonin, Griechisch. Als Spross der Ptolemäen-Dynastie lagen ihre Wurzeln in Griechenland. Weiters sprach sie acht andere Sprachen. Ihre Vorfahren gelangten mit Alexander dem Großen nach Ägypten. Der Sohn seines Generals bestieg als Ptolemäus I. den Thron.

 

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