Schule aktuell

Stadt Wien: Erforschen Sie die Geschichte der Wiener Schulen

Die Stadt Wien hat ihre Schulhistorie in einem Wiki veröffentlicht. Texte, Quellen und eine Karte zeigen, wie sich die Geschichte der Wiener Schulen entwickelt hat – vom Kirchen-Unterricht für Eliten hin zur Berufsbildung für alle.

Florian Wörgötter - 2. Dezember 2021

MEHR! Bildungsmagazin Was jetzt | Geschichte der Wiener Schulen | © Wiener Stadt- und Landesarchiv

Das Wiener Stadt- und Landesarchiv hat die Geschichte der Wiener Schulen in einem Wiki aufgeschrieben. Auf einer interaktiven Karte finden Sie vielleicht auch Ihre Schule. Zeigen Sie Ihrer Klasse doch, wie Ihr Schulalltag in Schwarzweiß ausgesehen hätte.

Vom Mittelalter bis zur Gegenwart – das Wiener Stadt- und Landesarchiv dokumentiert die Entwicklungsschritte des Wiener Schulwesens auf seiner historischen Wissensplattform, dem Wien Geschichte Wiki. Der aktuelle Bildungsschwerpunkt bündelt Quellen zur Rekonstruktion der Geschichte der Wiener Schulen und eine interaktive Karte mit historischen und aktuellen Schulen von Wien.

So erfährt man im Wien Geschichte Wiki, dass die ersten Schulen Wiens bereits im 13. Jahrhundert im Umfeld von Pfarren angesiedelt waren und dort ausschließlich Knaben in lateinischer Sprache unterrichtet wurden.

Erst mit Martin Luthers Reformation in der frühen Neuzeit entstanden Schulen mit deutscher Unterrichtssprache. Diese durften vereinzelt auch Mädchen besuchen, die bis dahin nur in wenigen Nonnenklöstern unterrichtet wurden. Dennoch: Im 17. und 18. Jahrhundert hatten Ordensgemeinschaften wie die Ursulinen, Salesianerinnen oder Piaristen die Bildung von Mädchen und Knaben in der Hand.

Schule für (fast) alle

Im Jahr 1765 etablierte die Theresianische Schulreform die deutsche Unterrichtssprache in allen Schulen. Mit der Allgemeinen Schulordnung für die deutschen Normal-, Haupt- und Trivialschulen begann 1774 die Geschichte der Wiener Pflichtschulen. Zuvor hatte lediglich knapp ein Viertel aller Sechs- bis Zwölfjährigen regelmäßig eine Schule besucht.

Das Reichsvolksschulgesetz im Jahr 1869 gestaltete das Schulwesen neu: Die achtjährige Schulpflicht wurde eingeführt und das Schulgeld abgeschafft. Die liberalen Grundsätze sahen vor, dass allen Kindern, unabhängig von Geschlecht und Konfession, gleiches Schulwissen vermittelt werden soll. Erstmals wurde auch Natur- und Erdkunde, Geschichte, Schreiben, Gesang und Leibesübungen (für Knaben) unterrichtet. Um 1870 lag die Schulbesuchsquote in Wien bei etwa 60 Prozent.

„Gott, Kaiser und Vaterland“

1908 wurde das achtklassige Realgymnasium eingeführt – einer von mehreren Schritten vom Lernort Schule hin zum Ort der Erziehung. Bis zum Ende der Monarchie blieb jedoch die Indoktrinierung für „Gott, Kaiser und Vaterland“ das Leitmotiv aller Schulen.

Natürlich erzählt das Wien Geschichte Wiki auch von Bildungsreformer Otto Glöckel und wie er im „Roten Wien“ der 1920er-Jahre den Pflichtschulunterricht praxisorientierter machte. Sein Vorhaben, das Bildungssystem mit der neuen Hauptschule und Schulversuchen durchlässiger zu machen, gelang aber nur bedingt, da Arbeiterkinder in der Zwischenkriegszeit früh eigenes Geld verdienen mussten.

Schule im Faschismus

Die Wiener Reformbemühungen wurden vom autoritären „Ständestaat“ und dem Nationalsozialismus gestoppt und erst in der zweiten Republik fortgesetzt. In beiden Regimen wurde die Schule zur Ideologisierung benutzt, um junge Menschen mit einer systemtreuen Weltanschauung zu prägen.

Während der NS-Diktatur wurden rund 16.000 Schüler/innen aus rassistischen, politischen und nationalistischen Gründen vom Unterricht ausgeschlossen, „ausgesondert“ und verfolgt. Die Stadt Wien ermöglichte auch außerhalb der Schule den Unterricht „ausgeschulter“ Kinder, ehe dieser im Sommer 1939 aber verboten wurde.

Bildungsrevolution der zweiten Republik

Trotz zahlreicher Kriegsschäden konnte der Schulbetrieb im Herbst 1945 wiederaufgenommen werden. Die Richtlinien für Erziehung und Unterricht an den österreichischen Schulen betonten die „geistige Neuorientierung der Schule durch Förderung des österreichischen Staats-, Demokratie- und Humanitätsbewusstseins“.

Seit dem Schulgesetzwerk 1962 wurde das Schulwesen mit bildungspolitischen Programmen und erziehungswissenschaftlichen Theorien weiterentwickelt. Die Resultate: erste Vorschulklassen, der Fremdsprachenunterricht in Volksschulklassen, Fördersprachkurse für Kinder von Gastarbeiter/innen und ein neuntes Pflichtschuljahr mit „Polytechnischen Lehrgängen“. Diese „Bildungsrevolution“ ab den 1960er-Jahren, die auch außerhalb Österreichs einsetzte, eröffnete Kindern vermehrt den Zugang zu höherer Schulbildung in AHS und BHS.

Wiener Schulen auf der Karte

Für Wiener Schulen besonders interessant dürfte die Darstellung ihrer eigenen Geschichte sein. Auf einer interaktiven Karte lassen sich Schulen mittels Zeitleiste anzeigen und nach Bestehen, Schultypen und Bezirken filtern. Jede Schule – ob aktuell oder historisch – ist verlinkt zu einem Eintrag im Wien Geschichte Wiki, der ihre Historie und jene ihrer Vorgängerschulen beschreibt. Eine zweite Ansicht ermöglicht auch eine tabellarische Gliederung der Schulen nach diesen Kriterien.

Weitere zentrale Quellen für die Geschichte der Wiener Schulen bilden Schulmatrikeln, Schulkataloge, Klassenbücher und Baupläne im Wiener Stadt- und Landesarchiv.

Die gesamte Geschichte der Wiener Schulen finden Sie im Wien Geschichte Wiki.

Eine kompakte Geschichte der Berufsbildung in Österreich haben wir hier für Sie zusammengefasst.

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