Schule aktuell

Umgang mit KI: Wie steht es dabei mit unserer Eigenverantwortung?

Da lachen doch die Götter: Wie ChatGPT den Unterricht durcheinanderwürfelt und auf den Kopf stellt. Schaffen wir uns als denkende Wesen selbst ab, wenn wir uns allzu sehr ins Fahrwasser der künstlichen Intelligenz begeben?

Hölzel Journal-Redaktion - 18. Jänner 2024

Braucht es nicht das Lernen als Schule des Erkenntnisgewinns, um komplexe Inhalte des späteren Lebens selbstbestimmt erfassen zu können? Kann Unterricht mit ChatGPT gelingen? Wie können wir uns die künstliche Intelligenz untertan machen, ohne von ihr beherrscht zu werden? Fragen, die den Safer Internet Day am 6. Februar begleiten werden.

KI, ChatGPT

Eigenverantwortung im Umgang mit KI (künstliche Intelligenz). Digitale Transformation. © shutterstock

„Wenn die Götter dir etwas Gutes tun, dann paß auf, es ist ein Haken dabei“,

warnt Michael Köhlmeier in seiner Neuinterpretation der „Sagen des klassischen Altertums“. Erinnern wir uns an die Qual der Wahl, vor der der sterbliche Paris steht, welcher Göttin er den goldenen Apfel reichen soll: Göttermutter Hera verspricht Macht, Athene Weisheit und Aphrodite die schönste Frau der Welt als Gefährtin. Paris wählt Letztere, die Göttin der Liebe, und erfährt auch umgehend den Haken: Die schöne Helena ist bereits verheiratet und der Anstoß für den zehn Jahre andauernden Trojanischen Krieg ist gelegt.

Was das mit künstlicher Intelligenz zu tun hat? Viel! Eris, die Göttin der Zwietracht, hat das Geschenk der Götter – die KI – in den Raum geworfen. Jetzt gilt es damit umzugehen. Sehen es die einen als universell einsetzbares Tool, ist es für andere der Untergang der Menschheit. Eris hat wirklich volle Arbeit geleistet. Aber nehmen wir die Emotion heraus und sehen uns die Sache etwas nüchterner an. Was kann Künstliche Intelligenz für uns im Unterricht tun, wo sind die Fallstricke und wie können wir einen Weg finden, damit umzugehen? Denn eines ist fix: Ist der goldene Apfel einmal geworfen, kann man ihn nicht mehr ignorieren.

So, deal with it!

Hausübungs-Killer

Kaum auf dem Markt, war ChatGPT auch schon in den Kinderzimmern. Erste Mutige ließen den Computer selbst die Hausübung generieren. Dankenswerterweise modifiziert die künstliche Intelligenz ihre Antworten auch jedes Mal, sodass die „Pioniere“ ihr Wissen auch getrost mit Freundinnen und Freunden teilen konnten. Doch es dauerte nicht lange, dass die exponentielle Qualitätssteigerung der schriftlichen Arbeiten im Vergleich zur mündlichen Wiedergabe im Unterricht auffiel.

Rasch entdeckten auch die Korrigierenden am anderen Ende der Hausübungskette das Potenzial: Bei einer Umfrage des Österreichischen Bundesverlages gaben 44 Prozent der Lehrenden an, KI in ihrer Arbeit bereits verwendet zu haben. Denn mittels KI kann man schriftliche Arbeiten rasch bewerten. Positiv formuliert bedeutet das: schnelleres Feedback an die Schülerinnen und Schüler. Weniger freundlich kann man aber auch die Frage stellen, welchen Erkenntnisgewinn man sich davon erhofft, wenn KI Texte korrigiert, die von ChatGPT geschrieben wurden. Weder der/die Verfasser/in hat etwas gelernt, noch weiß die Lehrkraft über den Wissensstand des Schülers/der Schülerin Bescheid.

Unterstützender Einsatz

Hilfreich und unterstützend kann man die KI allerdings beim Erwerb von Sprachkenntnissen einsetzen, da sie Grammatik, Rechtschreibung und Stil analysieren kann. Im Idealfall werden so individuelle Lernpfade für die Schüler/innen entwickelt, abgestimmt auf ihre Stärken und Schwächen.

Bei einer Schreibblockade kann man sich Ideen und Inspirationen aus dem Netz holen. Die Versuchung, noch ein Knopferl weiter zu drücken, um der Erledigung der Hausübung wieder ein großes Stück näher zu kommen, ist dabei allerdings evident.

Paradigmenwechsel

Angesichts der Herausforderungen, bedingt durch künstliche Intelligenz, beschloss die Prager Wirtschaftsuniversität, auf Bachelorarbeiten künftig gänzlich zu verzichten. Bereits Anfang 2023 verbannten Schulen in New York City ChatGPT aus den Klassenzimmern. Den dringenden Handlungsbedarf erkannte man auch im Bildungsministerium, allerdings setzt man in Österreich mehr auf Kooperation, denn auf Verbote. Mitte November ging man den Umgang von ChatGPT im Rahmen der Vorwissenschaftlichen Arbeiten an. Realistisch ist sein Einsatz nicht mehr wegzudenken, also wird es Zeit, Spielregeln zu definieren.

Österreichs Bildungspolitik setzt im Umgang mit künstlicher Intelligenz auf Quellenkritik und Informationskompetenz. Dem wird ein verantwortungsvoller Umgang mit digitalen Medien und ethisches Bewusstsein vorausgesetzt. All das soll im Fach Digitale Grundbildung unterrichtet werden, bei dem auch KI-Technologien Teil des Stoffs sein sollen.

Die erhoffte Reduktion des Arbeitspensums für Betreuende bringt diese Reform allerdings nicht. Gerade bei der Zitierweise zeigt ChatGPT seine „Kreativität“ im negativen Sinne und führt des Öfteren ins Leere anstatt zur erwähnten Quelle. Für Lehrende bedeutet das mehr Betreuungs- und Beziehungsaufwand mit dem Schüler/der Schülerin, um den fehlerhaften Einsatz künstlicher Intelligenz zu minimieren.

Optimistisch zeigt sich der Leitfaden des Ministeriums im Punkt der Plagiate. Mittelfristig soll eine VWA-Plagiatssoftware KI-generierte Arbeiten und Texte erkennen. Allerdings müssen selbst die Väter und Mütter der künstlichen Intelligenz eingestehen, dass ihr Produkt selbst kein „Wissen“ darüber hat, ob ihre Antwort von einer KI oder einem Menschen stammt. Vermutlich, weil es der KI auch egal ist, woher sie kommt.

In der Eigenständigkeitserklärung des Verfassers/der Verfasserin der Vorwissenschaftlichen Arbeiten müssen nun auch neben den Quellenangaben solche zur Verwendung von KI-Tools angegeben werden. Damit reagiert der Gesetzgeber und bemüht sich um Transparenz.

Spiel der Götter

Bekanntermaßen leidet ChatGPT noch an einigen Kinderkrankheiten. So liegt ihm ein gewisser Sexismus zugrunde. Der vom AMS zu Jahresbeginn lancierte Chatbot zur Beratung auf der Arbeitssuche macht je nach Geschlecht unterschiedliche Vorschläge. Bei den Gehaltsvorschlägen ist er völlig kreativ und präsentiert Phantasiezahlen. Ganz so, als ob sich die Götter einen Spaß mit den Menschen machen würden. Denn eines ist klar: Den antiken Göttern war das Wohlergehen der Menschen ebenso gleichgültig, wie es das für künstliche Intelligenz ist. Mehr noch: Dem computergenerierten Wesen sind menschliche Emotionen fremd. Es liegt also einmal mehr am Menschen selbst, sich nicht zum abhängigen Untertan der eigenen Erfindung zu machen, sondern selbstbestimmt und verantwortungsvoll mit ihr umzugehen.

 

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