Schwerpunkt: Orientierung
Wie sich Geografie und Wirtschaft in den neuen Büchern vereinen
Der neue Lehrplan für Geografie und wirtschaftliche Bildung beeinflusst die Bücher des Hölzel Verlags. Redakteur Johannes Mayer erklärt, wie sein Team beim Schreiben umdenken musste und worauf sich Lehrende einstellen können.
Florian Wörgötter - 23. Februar 2023
Kurz zusammengefasst: Was ist das Neue am Lehrplan für Geografie und wirtschaftliche Bildung in der Sekundarstufe I?
Johannes Mayer: Man hat die Wirtschaft schon immer in die Geografie eingebunden, was auch sinnvoll ist, weil Wirtschaft im Raum stattfindet. Der neue Lehrplan versucht nun, die klassische Geografie noch mehr in den Dienst der Wirtschaft zu stellen. Diese Gratwanderung gelingt nur halb.
„Gerade in der Gestaltung der Schulbücher bedeutet der neue Lehrplan einen Umbruch.“
Neben wirtschaftlichen Themen wie dem Umgang mit Geld sind auch Gesellschafts- und Umweltthemen sowie Politische Bildung sehr stark vertreten. Es geht um Fragen wie: Welche Ressourcen hat die Welt? Wie wirkt sich die Klimaveränderung auf das Wirtschaften und das Leben in der Welt aus? Welche politischen Probleme entstehen dadurch?
Das große Ziel ist es ja, die Wirtschaft aus Sicht der jungen Menschen lebensnah darzustellen. Was genau gelingt denn dabei nur zur Hälfte?
Schon in der ersten Klasse geht es um Wirtschaften im Haushalt, also: Wie gehe ich mit meinem Geld um? Doch für eine Haushaltsrechnung bräuchten 10-Jährige schon Wissen aus Rechnungswesen: Um einen Preis zu berechnen, bedarf es Kenntnissen der Mathematik.
Man müsste im Lehrplan mehr Rücksicht auf den Aufbau in den anderen Schulfächern nehmen. Statt Wirtschaftsthemen in jede Schulstufe reinzupacken, hätte man besser einen Wirtschaftsschwerpunkt in der vierten Klasse gesetzt, dann wären diese Grundkenntnisse und das Verständnis eher vorhanden.
Stichwort fächerübergreifend: Es gilt nun, Geografie und wirtschaftliche Bildung im Kontext der Nachhaltigkeit mit kritischer Medienbildung und politischer Bildung zu verbinden. Wie groß musste Ihre Redaktion die Schulbücher reformieren?
Gerade in der Gestaltung der Schulbücher bedeutet der neue Lehrplan einen Umbruch. Unsere Autorinnen und Autoren mussten ein anderes Denken lernen. Es geht immer weniger um das Vermitteln von Faktenwissen, sondern es werden Themen angerissen, reflektiert, kritisch diskutiert und mit eigener Lebenserfahrung verknüpft.
„Es geht immer weniger um das Vermitteln von Faktenwissen, sondern es werden Themen angerissen, reflektiert, kritisch diskutiert und mit eigener Lebenserfahrung verknüpft.“
Es geht immer mehr in Richtung: Ja, es gibt Fakten, die man irgendwo nachlesen kann, doch man soll sie in Zusammenhang mit anderen Kontexten bringen. Auch das geschieht sehr fächerübergreifend in Biologie, Geschichte und Politische Bildung, obwohl darauf im Lehrplan wieder weniger Rücksicht genommen wird. Schüler/innen hören dann vieles doppelt, aber zumindest in Geografie nicht sehr genau.
Werden im neuen Schulbuch für Geografie und wirtschaftliche Bildung also weniger Fakten vermittelt als früher?
Mitunter, ja. Ein Beispiel: Die Kinder sollen diskutieren, wie man das Klima rettet. Doch wie das Klima in den Regionen der Welt genau funktioniert, wird in den Büchern nicht mehr im Detail behandelt. Die Klimakarte mit der Zonierung des Klimas findet man nur noch im Atlas, denn Kinder sollen nicht mehr auswendig lernen, welche Stadt in welcher Zone liegt. Es sollen nur mehr Beispiele gebracht werden und diese verglichen und diskutiert werden.
Das bedeutet also, der Atlas wird wichtiger für Fakten und Karten?
Der Lehrplan verlangt im Schulbuch schon den Aufbau eines topografischen Grundgerüsts, doch es sind nun keine 50 Karten mehr enthalten. Das ist natürlich eine Chance für die Atlanten. Der Atlas wird ein Zusatzmedium, ein Lexikon, das man braucht, um diese Fakten zu lernen und auch zu verstehen.
Die GW-Schulbücher müssen nach dem neuen Lehrplan approbiert werden. Für die Atlanten gilt dies aber nicht. Wie haben Sie im Sinne eines lebensnahen Geografie-Unterrichts Ihre Atlanten angepasst?
Wir sind der einzige Verlag, der – obwohl es nicht verlangt wird – seine Atlanten auf den neuen Lehrplan abstimmt. Im Hölzel 5/8, unserer stärksten Auflage, haben wir etwa die Überblickskarte mit den Kontinenten mit moderneren Bildern gestaltet. Statt der Kirche in München sieht man nun die bei Fußballern beliebte Allianz Arena. Für Afrika haben wir repräsentative Symbolbilder gesucht, wie den Suezkanal als wichtigen Verkehrsweg oder den Merowe-Staudamm im Sudan, wo vor zehn Jahren noch keine Energie erzeugt wurde.
Beim Aktivatlas haben wir den Seitenverlauf völlig geändert. Das ist ein in physische und thematische Karten zweigeteilter Atlas. Die Themen haben wir nach dem Lehrplan neu gruppiert – nach Wirtschaftskarten, Orientierung mit Geomedien etc.
Geografie-Lehrende sollen nun vermehrt Wirtschafts- und Finanzbildung unterrichten. Gerade in der Mittelschule sind diese oftmals fachfremd ausgebildet. Wie erleichtern Sie ihnen diese neue Herausforderung mit Ihren Büchern?
Die Bücher haben den Vorteil, dass sie alle Bereiche des Lehrplans abdecken müssen. Die meisten Geografie-Lehrer/innen sind begeistert und engagieren sich für ihre Themen. Sie nutzen viele Zusatzmaterialien, machen Spiele und Exkursionen. Jene Themen, die ihnen weniger am Herzen liegen, können sie einfach mit dem Schulbuch durcharbeiten.
„Die Bücher haben den Vorteil, dass sie alle Bereiche des Lehrplans abdecken müssen.“
Doch nur die wenigsten, vielleicht ein paar ungelernte Lehrende, hanteln sich entlang des Schulbuches durchs Jahr. Und jene, die weniger affin mit dem Atlas umgehen, finden in unserem Aktivatlas schon fertige Aufgaben für ihren Unterricht.
Eigentlich klingt diese Verschmelzung von Geografie und Wirtschaft nach einer Ideallösung für den Hölzel Verlag, dessen GW-Kompetenz seit der Fusion mit MANZ Verlag Schulbuch an Wirtschafts-Know-how gewonnen hat. Wie gestaltet sich diese Synergie in der Praxis?
Unsere Autorinnen haben natürlich alle unsere Wirtschaftsbücher für die Oberstufe gesichtet und teilweise auch Beispiele daraus verwendet. Diese mussten wir natürlich auf das Niveau der 10- bis 11-Jährigen anpassen, doch viele Grundbegriffe sollten in dieser frühen Phase im Schulbuch stehen.
Unsere Autorinnen und Autoren der Geografie-Bücher für die Unterstufe sind aber nach wie vor dieselben, weil sie sehr erfahren sind und genau wissen, was sie machen wollen, um diesem neuen Lehrplan gerecht zu werden.
Entstehen diesbezüglich noch weitere Synergien im Hölzel Verlag?
Wir haben auch eine zweite Geografie-Unterstufenreihe eingereicht – mit bestehenden Autorinnen und Autoren, aber dem Konzept und Layout, das sich bei den Ex-MANZ-Titeln schon bewährt hat. Mit MEHR!-Geografie haben wir ein völlig neues Buch für die Unterstufe gestaltet. Auch mit einem E-BOOK+ über DIGI4SCHOOL und Zusatzmaterialien.
Ihr persönliches Fazit zu den neuen Büchern mit neuem Lehrplan?
Mit unseren zwei neuen GW-Reihen und auch den Atlanten sind wir einen fortschrittlichen Weg gegangen. Nun haben wir einen neuen Lehrplan und neue Bücher mit deutlich modernerem Erscheinungsbild.
Was wird sich für die GW-Lehrenden mit diesen Büchern ändern?
GW-Lehrer/innen sind resistent. Jene Lehrkräfte, die wissen, was sie aus den Büchern brauchen, also die „Rosinenpicker/innen“, werden feststellen, dass die Bücher anders aufgebaut sind. Doch für sie wird sich nicht viel ändern.
Die ungelernten Lehrenden, die immer am Buch gehangen sind, werden sich schneller darauf einstellen müssen, dass die Bücher in einer anderen Reihenfolge, Art und Didaktik funktionieren. Sie sollten möglichst bald ihren Unterricht darauf ausrichten. Am wenigsten ändert sich für die Junglehrer/innen, die mit dem neuen Lehrplan zu unterrichten beginnen.
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