Schwerpunkt: Orientierung
Lehrkraft 2.0: Andreas Ferner mit Schmäh und digitalen Medien
Lehrer Andreas Ferner referiert zwischen Klassenzimmer und Kabarettbühne. Im Gespräch erklärt er, wie der Witz das Lernen erleichtert, was Lehrkräfte heute brauchen und warum ihn die Missstände in den Schulen zum Kabarett inspirieren.
Florian Wörgötter - 9. März 2023
Personalmangel, Bürokratie, Überlastung – die öffentliche Debatte lässt vermuten, dass das Leben als Lehrer/in schon einmal lustiger war. Herr Ferner, lachen Sie noch, wenn Sie morgens die Schule betreten?
Andreas Ferner: Ich lache noch immer – aus zwei Gründen: Der Hauptgrund für meinen Job – das Unterrichten der Schüler/innen und der gemeinsame Spaß – ist ja noch immer vorhanden. Weniger lustig sind die vielen Zusatzaufgaben, die teilweise nur wenig mit der eigentlichen Arbeit zu tun haben.
„Kabarett ist eine Therapie für mich – und für alle anderen, die in der Schule arbeiten, weil sie über die Missstände lachen können und eine gesunde Distanz zur Schule gewinnen.“
Aber ich lache auch, weil ich aus alledem eine lustige Kabarettnummer schreiben kann. Das ist eine Therapie für mich – und für alle anderen, die in der Schule arbeiten, weil sie im Kabarett über diese Missstände einmal lachen können und durch das Augenzwinkern vielleicht eine gesunde Distanz zur Schule gewinnen. Daher sehe ich jedes negative Erlebnis im Schulalltag mit einem weinenden Auge, aber auch mit einem lachenden Auge.
Haben Sie einen Gag aus der Schule parat?
Ich habe mich wahnsinnig darüber geärgert, dass wir in unseren kurzen Pausen auch noch die Gangaufsicht übernehmen müssen. Was liebe ich am meisten an meinem Job als Lehrer? Dass ich als erwachsener Akademiker einen Gang beaufsichtigen muss. Und am Abend fragt mich meine Frau, nachdem sie von ihrer Firmenübernahme erzählt hat, wie mein Tag war. Und ich sage: Die Jennifer ist schon wieder am Gang gelaufen und hat ihre Hauspatschen nicht angehabt.
Sie stehen seit 23 Jahren im Klassenzimmer. Seitdem verarbeiten Sie den Schulalltag in Ihren Kabarettprogrammen. Wie hilft Ihnen der Witz als pädagogisches Instrument?
Böse Zungen behaupten, ich mache in beiden Jobs das Gleiche: Ich stehe vor Leuten und rede deppert. Doch im Ernst: Wenn es beim Unterrichten gelingt, dass der Schmäh rennt, lernen die Schüler/innen viel besser, weil es ihnen mehr taugt, daher bleibt auch mehr hängen.
Und Schüler/innen heute sind ja wahnsinnig verwöhnt, was Unterhaltung angeht. Durch ihren Medienkonsum am Smartphone mit Instagram und Tiktok werden sie ständig auf höchstem, kurzweiligem Niveau unterhalten. Als Lehrer ist es schwer mitzuhalten, wenn du stundenlang über betriebswirtschaftliche Themen referierst.
Was braucht eine Lehrperson heutzutage, damit sie ihren Job möglichst gut gelaunt erfüllen kann?
Echt super wäre, wenn wir uns wieder mehr auf unsere eigentliche Aufgabe konzentrieren könnten: die Arbeit mit den Jugendlichen und auch mit den Eltern. Die ganze Zusatzarbeit, Bürokratie, Zusatzprojekte, Administratives ist sehr explodiert.
„Echt super wäre, wenn wir uns wieder mehr auf die Arbeit mit den Jugendlichen und auch mit den Eltern konzentrieren könnten. Die ganze Zusatzarbeit, Bürokratie, Zusatzprojekte, Administratives ist sehr explodiert.“
Aber auch für Probleme wie Klassenkonflikte oder Mobbing bräuchten wir endlich das langersehnte Unterstützungspersonal wie Sozialarbeiter/innen, Psychologinnen und Psychologen sowie administratives Personal. Zum Teil haben wir davon schon ein bisschen mehr, doch noch in homöopathischen Dosen.
Was fehlt Ihnen im Unterricht?
Die Schulbücher finde ich im Großen und Ganzen gut. Bei Hauptfächern sieht das Schulbuch-Budget für jede Schulstufe ein eigenes Buch vor. Bei Nebenfächern wie etwa „Persönlichkeitsbildung und soziale Kompetenz“ fehlt leider das Schulbuch-Budget, daher kriegt man lediglich ein einziges Buch in Klassenstärke für alle Jahrgänge. Es wäre super, wenn es auch in den Nebenfächern für jede Klasse ein Schulbuch geben würde.
Welche Erwartungen haben Sie an das ideale Schulbuch?
Das Schulbuch darf keine Fehler haben, weder bei den Inhalten, der Lösung oder in den Lehrer/innen-Handbüchern. Alle wichtigen Themen müssen abgedeckt sein, jedoch nicht zu überbordend, und alle Stoffgebiete sollen übersichtlich zusammengefasst sein. Mit meinen Schulbüchern im Bereich der kaufmännischen Fächer bin ich recht zufrieden.
Was jedoch ausbaufähig wäre: Die Unternehmensbeispiele könnten näher an der Lebenswelt der Schüler/innen sein. Also: Eine Smartphone-Firma oder ein Game-Entwickler-Start-up, das sie auch selbst gründen würden, wären spannender als ein Lkw-Unternehmen oder ein Rasenmäher-Hersteller.
Leider haben manche Verlage auch bei den Lehrer/innen-Handbüchern eingespart. Ein begleitendes Lehrer/innen-Handbuch macht das Arbeiten viel schneller und angenehmer. Wenn die Schüler/innen ein Beispiel durchgearbeitet haben, kann man ihnen die daraus fotografierte Lösung geben.
Wie ist Ihr persönlicher Zugang zum Unterrichten?
Ich versuche eine Mischform: Zuerst stelle ich den Stoff in einem spannenden interaktiven Frontalunterricht vor – auch wenn Frontalunterricht mittlerweile ein schlechtes Image bekommen hat. Dann versuche ich, mit den Schülerinnen und Schülern konkrete Beispiele durchzumachen – einerseits gemeinsam, andererseits im Selbststudium. Dann vergleichen wir die Ergebnisse gemeinsam.
„Ich versuche immer, die Schüler/innen zu animieren, möglichst viele Fragen zu stellen. Wenn sie nachfragen, habe ich gewonnen, dann sind sie voll dabei und wollen alles zum Stoff wissen.“
Natürlich führen wir auch Diskussionen und machen Gruppenarbeiten. Beim Präsentieren lernen sie den Stoff und die Kulturtechniken des Vortrages, das Diskutieren und Beantworten der Fragen ihrer Mitschüler/innen. Ich versuche immer, sie zu animieren, möglichst viele Fragen zu stellen. Wenn sie nachfragen, habe ich gewonnen, dann sind sie voll dabei und wollen alles zum Stoff wissen.
Welche digitalen Medien und Methoden sollen Lehrende anwenden, um die Schüler/innen besser zu erreichen?
Zur Einführung eines Themas zeige ich gerne einen spannenden Kurzfilm, ein Youtube-Video oder Social-Media-Kurzvideo. Es gibt bereits einige digitale Angebote zu den Schulbüchern, mit denen die Schüler/innen den Stoff üben oder verfestigen wie etwa in Tests oder Kahoot-Quizzes.
Die Schüler/innen präsentieren auch selbst Inhalte mit Youtube-Videos. Doch im Unterricht bin ich ihr Medium, indem ich versuche, ihnen den Stoff möglichst spannend näherzubringen, und ihre Fragen beantworte.
Hat sich der Digitalisierungsschub seit dem Homeschooling halten können? Oder ist er vielleicht sogar etwas abgeflaut?
Er hat sich schon halten können, weil ein Großteil der Schule digitalisiert worden ist. Microsoft Teams ist jetzt ein fixes Zusatztool, vor allem in der Kommunikation zwischen Lehrern/Lehrerinnen und Schülern/Schülerinnen.
„Nach dem Homeschooling sind auch die Digitalisierungsfans in der Klasse draufgekommen, dass soziales Lernen vor Ort mit einer greifbaren Lehrkraft sehr wichtig ist.“
Doch nach dem Homeschooling sind auch die Digitalisierungsfans in der Klasse draufgekommen, dass soziales Lernen vor Ort mit einer greifbaren Lehrkraft sehr wichtig ist. Den Lehrenden hat der Fernunterricht auch weniger getaugt, weil es wahnsinnig schwierig ist, gegen eine Wand zu reden, hinter der nicht klar ist, wie sehr man dir folgt.
Sind die Anforderungen durch die Lehrpläne in den kaufmännischen Fächern leicht zu erfüllen?
Die Lehrpläne sind bis jetzt gut zu erfüllen. Wo es immer wieder neue Anforderungen gibt, ist bei der Reifeprüfung und ihrer Erstellung. Das ist immer ein Aufwand, dass man die ständig geänderten Kriterien auch so erfüllt, wie es die Schulbehörde gerne hätte. Dazu braucht es auch immer verschiedene Versionen. Obwohl ich kein Fan der Zentralmatura bin, könnte sie uns diesen Aufwand ersparen.
Welche Wünsche hätten Sie noch, wenn es um die Unterrichtsgestaltung geht?
Der Job der Lehrer/innen sollte wieder attraktiver gemacht werden. Das ginge über mehr Wertschätzung, Anerkennung und Vertrauen in die Lehrer/innen, dass sie auch einen guten Job machen. Darüber hinaus müssten sie wieder mehr für das Unterrichten freigeschaufelt werden, damit sie sich weniger um unterrichtsfremde Dinge kümmern müssen.
Zur Aufmunterung: Was sollten sich Lehrer/innen vom Kabarett abschauen?
Kabarett bedeutet, Inhalte gut, launig und spannend zu präsentieren. Vom Humor und diesen Präsentationstechniken kann natürlich jede/r Vortragende profitieren. Einer meiner Vorteile ist sicher, dass ich seit Jahren auf der Bühne stehe und Leute mitreißen muss. Und Schüler/innen sind das strengste Publikum der Welt, weil sie sehr stark von ihren Smartphones abgelenkt werden. Doch man sollte von Lehrenden nicht auch noch verlangen, dass sie jetzt Entertainer/innen werden.
Wann bringen Ihre Schüler/innen Sie zum Lachen?
Oft. Ein Schüler ist während des Fernunterrichts wochenlang abgetaucht. Zurück in der Schule fragte ich ihn: Warum hast du wochenlang nicht reagiert? Seine Antwort: Weil ich mein Buch in der Schule vergessen hab …
Aktuell spielen Sie gleich zwei Kabarettprogramme: „Chill amal, Fessor!“ und Ihr Best-of „Stundenwiederholung“. Was dürfen sich Lehrende von diesen Abenden erwarten? Werden sie lachend oder weinend nach Hause gehen?
Natürlich lachend! Vieles wird ihnen bekannt sein, doch anders aufbereitet, damit sie auch drüber schmunzeln können und eine gesunde Distanz gewinnen. Diese fehlt in Bildungsfragen ja oft. Denn alles ist so emotional aufgeladen und alle anderen wissen, wie es richtig geht. Nicht nur für mich, sondern auch für andere Lehrer/innen, Eltern und auch Schüler/innen ist mein Kabarett eine super Therapie. Lacht man herzhaft über Dinge, die einen sonst ärgern würden, ist die Hälfte bereits verarbeitet.
Hier finden Sie alle Termine der Kabarettprogramme von Andreas Ferner.
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