Schwerpunkt: Orientierung

Glücksschule: Kann die Schule der Jugend auch Glück beibringen?

Die Grazer Fachschule für wirtschaftliche Berufe der Caritas ist eine zertifizierte Glücksschule. Wir haben nachgefragt, wie Lehrende in turbulenten Zeiten glücklich machen und was Bhutans Bruttonationalglück und ein Glücksbad leisten.

Florian Wörgötter - 31. März 2022

Hoelzel Journal | Glücksschule | © Fachschule für wirtschaftliche Berufe der Caritas Graz

Kann die Schule uns auf den Pfad des Glücks bringen? Angesichts der düsteren Weltlage haben wir bei der Grazer Fachschule für wirtschaftliche Berufe der Caritas nachgefragt. Warum dort? Weil sie eine zertifizierte Glücksschule ist. Was eine solche auszeichnet, erfahren Sie hier.

„Ich bin für dich da“. „Du schaffst das“. „Ich glaube an dich“. „Niemand ist perfekt“. „Für jedes Problem gibt es eine Lösung“. Sätze wie diese „schenken“ die Schüler/innen der Grazer Fachschule Grabenstraße einander im gemeinsamen Glücksbad. Wenn sie nacheinander den Korridor ihrer Klassenkolleginnen passieren, hören sie von links und rechts deren Glückssätze in Dolby-Sorround, auf deutsch, arabisch oder russisch. Dann wissen sie: Es ist wieder Glückswoche an der Fachschule für wirtschaftliche Berufe der Caritas. Die zertifizierte „Glücksschule“ ist eine von 25 in der Steiermark.

„Die Schüler/innen fühlen sich sichtlich wohl und vergessen den Alltag sowie ihre Sorgen um den Ukraine-Krieg“, sagt Englischlehrerin Andrea Klein, die geschulte „Glücksfee“ im Lehrkörper. Der Krieg belaste besonders Schüler/innen aus Syrien und Ex-Jugoslawien, deren Eltern ihre Kriegsangst an die Kinder weitergeben.

Viele ihrer Schüler/innen kommen aus schwierigen familiären Verhältnissen, sprechen Deutsch nicht als Muttersprache, haben Förderbedarf und hören zu oft entmutigende Sätze, dass sie nichts können oder auf die Reihe bringen werden. Für sie sei eine Glückswoche ein „Little Escape“, der ihnen Stabilität, Sicherheit und Freundlichkeit, Liebe und Glück gebe, meint Klein.

Glück macht Schule

Seit dem Jahr 2009 möchte die Bildungsdirektion Steiermark mit dem Konzept Glück macht Schule mehr „Herzensbildung“ in den Unterricht bringen. Wahlweise kann eine Schule das „Glück“ im eigenen Schulfach lehren oder als Querschnittsmaterie über alle Fächer streuen und Glückswochen oder Glückstage organisieren. Die Glück-macht-Schule-Fachkoordinatorin antwortet auf unsere Anfrage, dass in etwa 80 steirischen Schulen Glück in Projekten oder mehreren Fächern integriert wird. In der Sekundarstufe I geschieht dies vorwiegend im Sozialen Lernen. Einen breiteren Raum nimmt Glück im Primarschulbereich ein.

„Glück sollte in jedem Fach Platz haben, daher haben wir es auch als Unterrichtsprinzip in unserem Leitbild verankert.“

Vor zehn Jahren hat auch die Fachschule Grabenstraße sich zur Glücksschule zertifizieren lassen. Ein Kriterienkatalog prüfte damals, ob eine Schule in folgenden Kategorien auch Maßnahmen setzt: psychosoziale Gesundheit, Ernährung und körperliches Wohlbefinden, Bewegung sowie Körper als Ausdrucksmittel. „Wir wollten das Glück nicht nur auf ein Fach reduzieren“, sagt Direktorin Evelyn Awad. „Glück sollte in jedem Fach Platz haben, daher haben wir es auch als Unterrichtsprinzip in unserem Leitbild verankert. Es wird von allen Lehrkräften mitgetragen und in allen Fächern immer wieder praktiziert.“

Querschnittsmaterie Happiness

In Geografie etwa bespricht Awad beim Thema „Bevölkerung“, welche Rolle das Glück in anderen Ländern spielt. Das Beispielland Bhutan und sein Bruttonationalglück bieten eine Diskussionsgrundlage, inwiefern Glück und Wohlstand zusammenhängen.

Im Englischunterricht veranstaltet Klein auch die Glückschallenge „My Path to Happiness“. Innerhalb von zehn Minuten sollen die Schüler/innen eine Mindmap zeichnen, was sie konkret wann glücklich macht. Dabei lernen die Schüler/innen nicht nur das Präsentieren, sondern auch, dass sie keine volle Schulstunde brauchen, um ein solides Plakat zu entwerfen.

In Deutsch etwa wird ein Rezept für Glück entworfen oder es werden ermutigende Geschichten erzählt – wie jene von der Frau mit den zwei Schüsseln, von denen eine einen Sprung hat, durch den Wasser abrinnt. Die lehrreiche Pointe: Gerade dieses auslaufende Wasser lässt entlang ihres täglich zurückgelegten Weges fruchtbare Pflanzen wachsen und gedeihen.

Und im Kochunterricht werden Glücksschweinchen und Glückstorten gebacken, denn Glück gehe auch durch den Magen, lacht Awad. Auch der gemeinsame Verzehr aktiviert die Glückshormone der Schüler/innen.

Spielerischer Unterricht

„Wichtig ist zu verstehen, dass wir nicht jede Stunde über Glück sprechen. Glück bedeutet für Schüler/innen auch, dass wir sie spaß- und lustvoll unterrichten“, sagt Klein, die als ausgebildete Gehirntrainerin auch an der PH Steiermark motivierende Lernspiele lehrt. Die positive Psychologie und das PERMA-Modell von Martin Seligmann hat sie verinnerlicht. Doch um Schüler/innen glücklich zu machen, brauche es keine formale Glücksausbildung, sondern einen wachen Hausverstand.

Hoelzel Journal | Glücksschule | © Fachschule für wirtschaftliche Berufe der Caritas Graz

Botschafterinnen des Glücks: Die Lehrerin Andrea Klein (links) und ihre Schulleiterin Evelyn Awad (rechts).

Klein empfiehlt, nicht jede Schulstunde sofort mit dem Lehrstoff zu eröffnen, sondern stattdessen mit einer Befindlichkeitsrunde, einem Rätsel zur Auflockerung oder einem Ratespiel wie „Zwei Lügen, eine Wahrheit“. „Ich kann den Stoff trocken wiederholen oder ihn spielerisch mit einem Bingo oder einem Tic-Tac-Toe ins Gedächtnis rufen. Der Aufwand ist der gleiche, der Unterschied ist aber, dass die Schüler/innen nach dem spielerischen Lernen gieren“, sagt Klein. Es ginge darum, zu zeigen, dass Schule nicht nur aus Unterricht besteht, sondern viele „Life-Skills“ vermittelt.

Selbstwert und Persönlichkeit

„Wir stärken den Selbstwert und die Persönlichkeit unserer Schüler/innen, die es nicht immer leicht gehabt haben“, benennt Awad die wohl wichtigsten Kompetenzen. „In Erinnerung wird ihnen nicht bleiben, wie gut sie einmal Mathematik gelernt haben, sondern wie gut sich ihre Persönlichkeit in der Schule entwickeln konnte – und dazu trägt das Glückprinzip bei.“

„Glück ist keine Theorie, die man wie den Schulstoff vermitteln und abprüfen kann. Doch Lehrende können Glück vorleben – im täglichen Miteinander, im Annehmen von Vielfalt und wie sie den Schulstoff vermitteln.“

„Glückliche Schüler/innen sind gefestigt, freundlich, tolerant und können ihre Stärken leben. Sind sie unglücklich, reagieren sie gereizt und aggressiv“, beobachtet Klein. Ist Glück also tatsächlich erlernbar? „Glück ist keine Theorie, die man wie den Schulstoff vermitteln und abprüfen kann. Doch Lehrende können Glück vorleben – im täglichen Miteinander, im Annehmen von Vielfalt und wie sie den Schulstoff vermitteln“, sagt Awad und entlässt Frau Klein verspätet in den Unterricht.

Auch auf diesem Wege können Lehrende ihrer Klasse spontanes Glück bescheren – indem sie gelegentlich die Schulstunde ein paar Minuten später beginnen …

 

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