Schwerpunkt: Vertrauen

Aus der Praxis: So geht Vertrauen!

Das ominöse V-Wort kann beschworen, erarbeitet, eingemahnt werden. Doch wie wird es in der Unterrichtspraxis gelebt? Vier Lehrerinnen und Lehrer erzählen.

Von Christian Seidel und Christopher Mavric (Fotos) - 14. März 2018

 

 

 

Gelebtes Infotainment
Ronald Mädl unterrichtet Englisch und Spanisch und ist Peer-Mediator an den Wirtschafts- und Tourismusschulen in Neusiedl am See, Burgenland.

Es ist eine Gratwanderung. Die zwischen Autoritätsperson und Gute-Laune-Lehrer. Zwischen Motivator und Notengeber. Für Ronald Mädl ist „Infotainment“ so etwas wie das Schlagwort, unter dem sein Unterricht steht. Das bedeutet: zehn Minuten Gruppenübung, kurz Diskussion, noch eine Testfragenrunde hinterher.

Die Schüler brauchen Abwechslung. Vor allem aber brauchen sie jemanden, der ihnen sagt, was zu tun ist, welche Stärken ausgebaut werden können und an welchen Schwächen gearbeitet werden muss. Der 39-Jährige beherrscht diese Gratwanderung. Dank Transparenz.

So dürfen sich die Schüler nach jeder Einheit selbst beurteilen. Nur manchmal korrigiert Mädl die Angaben, meistens jedoch haben die Schüler ein relativ genaues Bild von der eigenen Leistung. Die Wertungen können die Schüler online einsehen. So wissen sie, wo Handlungsbedarf besteht. Und der kann mit dem Lehrer auch per WhatsApp diskutiert werden.

Überhaupt setzt Ronald Mädl im Unterricht auf digitale Helfer: Computer und Beamer ersetzen die Klassentafel, Smartphone Apps das Wörterbuch. Letzteres ist ebenfalls eine Gratwanderung. Denn eigentlich gilt während des Unterrichts ein Handyverbot.

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Auf Augenhöhe
Claudia Redtenbacher unterrichtet Englisch und Italienisch am Schulzentrum Herbststraße für Mode und Kunst in Wien.

Authentisch sein. Das ist für die 38-Jährige das Wichtigste. Auch wenn das bedeutet, die Tür ins Schloss knallen zu lassen. Die Lehrerin hatte damals einen schlechten Start mit einer Klasse erwischt, stürmte aus dem Raum und warf die Tür hinter sich zu. Kurz darauf erlöste die Pausenglocke die betroppezten Schüler. Eigentlich unglaublich, dass ausgerechnet ihr so etwas passieren konnte. Einem kumpelhaften Typ. Die Episode war, wie sie selbst sagt, eine Ausnahme. Und unprofessionell. Redtenbacher unterrichtet auf Augenhöhe mit den Schülern.

Dazu gehört auch, etwas von sich preiszugeben. Diskussion und gegenseitiger Respekt sind ihr wichtig. Ein reinigendes Gewitter sei manchmal gut, sagt sie, die frei werdende Energie könne man produktiv für den Unterricht nutzen. Das sei allemal besser, als emotions- und teilnahmslose Schüler bis zur Matura zu begleiten. Dazu gehöre auch, aktuelle politische Themen im Unterricht zu besprechen.

Der Einsatz von Smartphones ist dabei ausdrücklich erwünscht. So können Schüler recherchieren und ihre Medienkompetenz trainieren. Gemeinsam. Und die einstige Problemklasse? Die wurde zur Lieblingsklasse.

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Auf allen Kanälen
Gerald Weihs unterrichtet die Grundausbildung Tischler und Maurer, Mathematik sowie das Technische Seminar (Physik, Chemie) an der Polytechnischen Schule in Hollabrunn, Niederösterreich.

Der Gordische Knoten. Oder die entscheidende Frage des Lehrerseins: Wie hole ich die Kinder ab? Im übertragenen Sinn. Und die Antwort lautet: im Internet. Gerald Weihs macht vor, wie das geht.

Schon seit drei Jahren betreut er die Facebook-Seite der Polytechnischen Schule. Die Website fristet seitdem ein Dasein im digitalen Abseits. Weil die Schüler und Eltern eben mehr auf sozialen Medien unterwegs sind. Die neuesten Meisterwerke aus der Werkstatt, Auszeichnungen oder die Erlebnisse bei der jüngsten Exkursion – schon im Zug nach Hause können die Schüler die Impressionen liken und sharen.

Und sie tun es. Weihs spricht mit den Schülern darüber, welche Fotos er auswählt und welche nicht. Im Unterricht wird der richtige, vernünftige Umgang mit WhatsApp behandelt oder wie man sein Profil für bestimmte Personen sperren kann.

Dazu kommt Weihs‘ eigener YouTube-Kanal „The White Classroom“. Der Titel spielt auf seinen Nachnamen an. 131 kurze Videos fassen den Jahresstoff zusammen oder beamen vertiefende Rechenbeispiele aufs Display. Im Jahr 2017 wird der Gordische Knoten eben mit einem Smartphone zerschlagen.

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Mit Leidenschaft
Gottfried Kellner unterrichtet Technik und Energie an der HBLFA für Gartenbau und Bundesgärten Schönbrunn in Wien.

Sein Unterricht ist eine Einladung. Eine Einladung in die Tiefen der eigenen Schule. Gottfried Kellner ist Herr über die Gartenbauschule in Schönbrunn. Sein Fach ist „Technik und Energie“. Ein Kernthema an dieser Schule, denn damit steht und fällt die Qualität eines Gewächshauses.

Wie wird jede einzelne Tomate einer Staudenreihe mit der gleichen Wohlfühltemperatur versorgt? Solche und ähnliche Fragen treiben den 64-Jährigen an. Kellner wählte dieses Fach, um seine Passion weiterzugeben. Unnahbarer Direktor wollte er nie sein, oft geht sein Unterricht über reine Gewächshausfragen hinaus.

Dafür bezieht er schon einmal die gesamte Haustechnik seiner Niedrigenergie-Schule ein. Dann sitzt er mit den Schülern vor der Steuerungskonsole in seinem Büro und zeigt ihnen, wie er Temperaturverläufe analysiert und die Heizkörper reguliert – vom Orchideenhaus bis zu den Sanitäranlagen.

Seine Liebe zum Detail ist ansteckend. Anders könnte er nicht unterrichten, sagt er. Denn Kellner ist Quereinsteiger, kommt aus der Wirtschaft. Also ist sein Unterricht auf ein Ziel ausgelegt: dass die Schüler daraus einen praktischen Nutzen ziehen können. Für ihre Arbeit. Fürs Leben.

 

Ein Beitrag aus dem Was jetzt-Magazin, Ausgabe 1/18.

 

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