Schwerpunkt: Orientierung
Isabella Stockhammer: Steuern mag niemand, außer das Finanzamt
Wie man Teenagern das komplexe Thema der Steuern näherbringen kann und wie viele Jahre es dauert, bis HAK-Schülerinnen und -Schüler das Brutto-Netto System intus haben, darüber spricht Steuerberaterin Mag. Isabella Stockhammer im aktuellen Interview.
Ulrike Potmesil - 29. Februar 2024
Steuern mag niemand, außer das Finanzministerium, dennoch zahlen wir sie alle. Steuerberaterin Mag. Isabella Stockhammer erzählt im Interview, wie man Teenagern das komplexe Thema näherbringt und ein Verständnis für Finanzen schafft, und berichtet, dass es im Schnitt in der Schule fünf Jahre dauert, bis Brutto-Netto verankert ist.
Hölzel-Journal: Sie werden es als Steuerberaterin nicht so sehen, aber die Mehrheit der Menschen betrachtet das Thema Steuern als langweilig und kompliziert. Besteht da überhaupt die Chance, den Unterricht spannend zu gestalten?
Isabella Stockhammer: Wenn Lehrende die Begabung haben, ihren Unterricht interessant zu gestalten, vielleicht sogar unterhaltsam, gespickt mit lustigen Anekdoten, ist das großartig. Ganz wichtig ist es, viele verschiedene Beispiele aus der Praxis zu bringen. Schließlich gibt es in Österreich keinen, der nicht Steuern zahlt, zumindest werden viele Steuern gar nicht wahrgenommen.
Ich zahle also Steuern, ohne es zu bemerken. Da muss ich wohl mit meiner Steuerberaterin ein ernstes Wort reden … Spaß beiseite: Welche Basics sollten Schülerinnen und Schülern vermittelt werden, bevor es an komplexe Berechnungen von Steuersätzen geht?
Isabella Stockhammer: Mathematische Grundregeln festigen. In jedem Konsumartikel stecken bis zu 20 Prozent Mehrwertsteuer, da ist es einmal notwendig, den Unterschied zwischen Brutto und Netto zu verstehen. Ein schönes Beispiel steckt in dem Werbeslogan eines bekannten Konzerns: “Wir schenken Ihnen die Mehrwertsteuer”. Mancher freut sich und hofft auf 20 Prozent Abzug vom Rechnungsbetrag. Tatsächlich entspricht ja die Summe, die der Endkonsument zahlt, dem Bruttobetrag, denn der Unternehmer schlägt im Vorfeld die 20 Prozent Umsatz- beziehungsweise Mehrwertsteuer auf den Nettopreis auf und bepreist für den Endkunden eben den Gesamtbetrag, also 120 Prozent. Die gutgeschriebene Mehrwertsteuer ist daher niedriger als 20 Prozent Abzug vom Rechnungsbetrag.
Das ist nachvollziehbar, allerdings kann ich mir vorstellen, dass – wenn sogar viele erwachsene Konsumenten und Konsumenten über solche Rechenbeispiele stolpern – es einiges an Arbeit bedeutet, das Brutto-Netto-System in Teenager-Hirnen zu verankern.
Isabella Stockhammer: Ja, ich kann mich selbst noch gut an die Schulzeit erinnern und sehe jetzt auch bei meiner Tochter, die die zweite Klasse HAK besucht: Es dauert, bis es im Alltagsverständnis angekommen ist (lacht). Genauer gesagt: fünf Jahre HAK, dann hast du’s dir eingeprägt. Ich sehe das auch in meinem Berufsalltag als Steuerberaterin. Das Rechnen von Brutto auf Netto, Netto auf Brutto, Steuer von Brutto und so weiter bereitet für manche Schwierigkeiten.
Können Sie das anhand eines Beispiels erläutern?
Isabella Stockhammer: Ein österreichischer Künstler, der in Deutschland auftritt, verhandelt seine Gage mit, sagen wir, 1.000. Euro. Von der vereinbarten Gage behält der Veranstalter 15 Prozent Ausländersteuer ein, die er für den Künstler an das deutsche Finanzamt abführt. Der Künstler erhält somit nur 85 Prozent seiner Gage ausbezahlt. Es kommt aber auch vor, dass die Gage netto, das heißt nach Abzug aller Steuern und Abgaben, verhandelt wird. In diesem Fall erhält der Künstler den vollen Betrag von den vereinbarten 1.000 Euro überwiesen und der Veranstalter muss die 15-prozentige Ausländersteuer von der Nettogage hochrechnen. Dass in diesem Fall die Gage nicht die Basis (also hundert Prozent) ist, ist manchen oft nicht bewusst. Da kommt es schon manchmal vor, dass wir bei der Berechnung unterstützen.
Es ist also nur von Vorteil, wenn auch Künstler/innen bei ihren Gagenverhandlungen den Unterschied von Brutto und Netto kennen – oder eben das Management der Künstlerin/des Künstlers. Zum Glück muss nicht jeder Mensch seine Gagen ausverhandeln, als Arbeitnehmerin beziehungsweise Arbeitnehmer brauche ich mich ja nicht um Steuern kümmern.
Isabella Stockhammer: Stimmt, die führt der Arbeitgeber ab – vielen Leuten ist gar nicht bewusst, wie viel sie tatsächlich an Abgaben zahlen. Geprüft wird oft nur, ob das Netto passt. Immer wieder habe ich Klienten und Klientinnen, die sich gerade neu selbständig gemacht haben und schockiert sind, wie viel Steuer und Sozialversicherung sie zahlen müssen. Denen erkläre ich immer: „Das haben Sie bisher auch getan, oft sogar mehr als in der Selbstständigkeit.“ Aber die wenigsten Leute studieren regelmäßig aufmerksam ihre Gehaltsabrechnung.
Sie haben im Zusammenhang mit Brutto und Netto von der Umsatz- und der Mehrwertsteuer gesprochen. Was ist der Unterschied?
Isabella Stockhammer: Umsatz- und Mehrwertsteuer sind in Österreich identisch, Mehrwertsteuer ist unter Umständen beim Endkonsumenten der gebräuchlichere Begriff. Dieser trägt ja letztendlich auch die komplette Steuer. Zwar wird die Mehrwert- oder Umsatzsteuer auf jeder Wirtschaftsstufe einbehalten, vom Produzenten über den Groß- bis zum Einzelhändler, wegen des Vorsteuerabzugs stellt sie jedoch innerhalb der Unternehmerkette keinen Kostenfaktor dar, sondern wird wie ein „durchlaufender Posten“ behandelt. Jeder Unternehmer in dieser Kette zahlt die Steuer für den Mehrwert des Produkts, daher Mehrwertsteuer.
Gehen wir davon aus, dass die Absolventinnen und Absolventen der HAK mit ihrer Fachausbildung beste Voraussetzungen für einen lukrativen Job haben. Wie lautet Ihr Tipp, das Einkommen steuerlich günstig anzulegen? Die Bankzinsen tragen aktuell ja eher nicht zur Geldvermehrung bei und die Kapitalertragsteuer liegt bei 25 Prozent.
Isabella Stockhammer: Ja, das stimmt. Allerdings gibt es die 25 Prozent Kapitalertragsteuer im Grunde nur mehr bei Bankeinlagen. Alle anderen Kapitalerträge sind bereits durchgängig mit 27,5 Prozent Kapitalertragsteuer besteuert. Bis die heutigen Absolventinnen und Absolventen ihr Geld ertragreich anlegen können, wird es noch viele Steueränderungen geben. Allerdings gehe ich nicht davon aus, dass diese Steuern in Zukunft wegfallen werden.
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