Schwerpunkt: Orientierung

Andreas Bärnthaler: Von authentischer Berufssprache im Unterricht

CLIL-Coach und Consultant bei CEBS, Mag. Andreas Bärnthaler, erklärt, wie authentische Berufssprache im Unterricht funktioniert und was CLIL dazu beiträgt, um für den internationalen Arbeitsmarkt fit zu machen.

Ulrike Potmesil - 9. November 2023

Hoelzel Journal | Andreas Baernthaler | © Best Light, BRYAN REINHART photography

Mag. Andreas Bärnthaler – CLIL-Coach und Consultant bei CEBS, dem Center für berufsbezogene Sprachen des BMBWF

Content and Language Integrated Learning. Diese etwas sperrig klingenden Bezeichnung, kurz CLIL genannt, steht für eine Methode des Unterrichts, bei der Sachinhalte in einer Fremdsprache unterrichtet werden. Welche Vorteile bringt CLIL Schülerinnen und Schülern und welche Anforderungen stellt sie an Lehrende? Wir interviewten dazu Mag. Andreas Bärnthaler – CLIL-Coach und Consultant bei CEBS, dem Center für berufsbezogene Sprachen des BMBWF.

 

Hölzel Journal: Seit wann wird CLIL in Österreich angewandt und welche Voraussetzungen müssen Lehrende mitbringen, um mit dieser Methodik unterrichten zu können? ?

Andreas Bärnthaler: CLIL wird europaweit an Schulen angewandt. Seit der Lehrplangeneration 2010 ist die Methode an österreichischen HTLs verpflichtend und seit 2015 ebenso an den Höheren land- und forstwirtschaftlichen Schulen. In den HTLs findet der Unterricht in der dritten, vierten und fünften Klasse jeweils im Ausmaß von 72 Wochenstunden beziehungsweise im letzten Jahr von 40 Wochenstunden statt, an den land- und forstwirtschaftlichen Schulen in den letzten drei Jahren jeweils im Ausmaß von 36 Wochenstunden. In den anderen berufsbildenden höheren Schulen wird CLIL im Unterrichtsplan angeführt und die Entscheidung, ob sie die Methodik anwenden wollen, wird den Schulen überlassen. Ebenso obliegt es der Schulleitung, darüber zu befinden, ob die Lehrenden geeignet sind, denn in Österreich gibt es keine formalen Bedingungen, da man davon ausgeht, dass ein Cambridge-Sprachzertifikat oder Ähnliches als Voraussetzung eher abschrecken würde. Allerdings gibt es bundeslandspezifische Unterschiede, so sind CLIL-Module an den Pädagogischen Hochschulen in Oberösterreich und Salzburg verpflichtend.

An der Pädagogischen Hochschule Wien und an der Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik gibt es zudem umfassende Angebote, die von Lehrenden im Rahmen der Lehrerfortbildung in Anspruch genommen werden können. Die wichtigsten Voraussetzungen aber sind Freude an der Sprache, die Bereitschaft, sich fortzubilden, sowie Selbstvertrauen.

Wie kann man sich CLIL-Unterricht in der Praxis vorstellen? Ein „Vortrag“ der Physiklehrerin/des Physiklehrers in Englisch?

Auf keinen Fall! Lehrende, die nach der CLIL-Methodik unterrichten, haben grundsätzlich den Anspruch, vom Frontalunterricht wegzukommen. Angewandt werden Peer-to-Peer-Aktivitäten, Schülerinnen und Schüler erarbeiten die Themen in Gruppen. Plus: Die Lehrenden haben die Möglichkeit, neue Sozialformen auszuprobieren, beispielsweise in die Rolle des Moderators oder des Coaches zu schlüpfen und damit den Schülern und Schülerinnen die Möglichkeit zu geben, den Unterricht selbst und aktiv mitzugestalten.

CLIL wird ja bereits europaweit angewandt. Gibt es internationale Partner?

Konkrete CLIL-Partner gibt es nicht, aber internationaler Austausch ergibt sich zwangsläufig. Denn CLIL wenden vor allem jene Lehrende an, die beruflich im Ausland tätig sind oder waren beziehungsweise mit internationalen Firmen in enger Zusammenarbeit stehen. Das ist die große Chance von CLIL: Wir bringen damit die authentische Sprache aus dem jeweiligen Berufsfeld in den Unterricht hinein. Ein Informatiker spricht im Unterricht so, wie er mit anderen Informatikern spricht. So fördern wir nicht nur Sprach-, sondern auch interkulturelle Kompetenzen. Diese Authentizität ist einer der größten Beweggründe für die Etablierung von CLIL.

„Wir bringen damit die authentische Sprache aus dem jeweiligen Berufsfeld in den Unterricht hinein.“

Wenn Lehrende in der Sprache ihres Berufsfeldes unterrichten, selbst aber keine Sprachlehrer/innen sind, kann man dennoch davon ausgehen, dass der Sprachunterricht absolut korrekt ist?

Fehlerfreies Englisch ist für CLIL nicht notwendig. Selbstverständlich ist ein gewisses Maß an Sprachbeherrschung Voraussetzung, aber die Sprache steht per se nicht im Vordergrund und für die Schülerinnen und Schüler ist es auch mal ganz gut, zu sehen, dass die Lehrenden nicht fehlerfrei sind. Das baut Hemmungen ab. Umgekehrt wird in Österreich die Sprache im Rahmen des CLIL-Unterrichts nicht beurteilt. Zum einen, weil man der Meinung ist, dass Sprachbeurteilung nicht das Business des Technikers ist, zum anderen, um Barrieren abzubauen. Wenn Schülerinnen und Schüler frei und ohne Angst vor negativer Bewertung sprechen können, erhöht dies die Bereitschaft, aktiv am Unterricht teilzunehmen.

In Zeiten von KI gibt es ja mittlerweile eine gute Methode für Schülerinnen und Schüler, ihr fehlendes Fachwissen zu vertuschen. Spielt künstliche Intelligenz bei CLIL eine Rolle?

Tatsächlich hat sich die Unterrichtsplanung mit ChatGPT bereits bewährt, so kann man beispielsweise für das Fach Biologische Landwirtschaft matching exercises oder reading comprehension exercises erstellen lassen. Ich bin überzeugt davon, dass KI den Zugang zu CLIL erleichtert und auch, wie ganz zu Anfang erwähnt, das Selbstvertrauen der Lehrenden stärkt. Das ist ein Tool, auf das man gut vertrauen kann, das Hürden nimmt. Denn Fehler im Gesprochenen sind das eine, Fehler im Geschriebenen sind schon eine andere Kategorie. Die meisten Lehrerkolleginnen und -kollegen haben meiner Erfahrung nach sehr hohe Ansprüche an sich, was die schriftlichen Unterlagen betrifft, daher ist es erfreulich festzustellen, dass die Ergebnisse, die ChatGPT produziert, durchwegs gut aussehen. Allerdings ist auch klar, dass sie nicht 1:1 übernommen, sondern von den Lehrenden für den Unterricht adaptiert werden müssen.

Wir sprechen hier von matching exercises und business – ist CLIL ausschließlich mit der englischen Sprache verbunden?

Grundsätzlich ist CLIL eine Methode, die auf alle Fremdsprachen übertragbar ist. In der Praxis wird in Österreich hauptsächlich in Englisch unterrichtet, weil dies in den HTLs die einzige verpflichtende Fremdsprache ist. Wenn CLIL an Schulen außerhalb der berufsbildenden angewandt wird, kann dies natürlich in der jeweiligen Schwerpunkt-Sprache – sei dies Russisch, Spanisch oder was auch immer – umgesetzt werden.

Besteht bei dieser Form des Unterrichts nicht die Gefahr, dass die Sachinhalte nicht in ausreichendem Maß bei den Schülerinnen und Schülern ankommen, weil sie über die Sprachhürde zum Teil verloren gehen?

Dazu gibt es leider noch keine umfassenden Studien, allerdings hat das Center für berufsbezogene Sprachen (CEBS) eine Studie unter allen Höheren land- und forstwirtschaftlichen Schulen  in Österreich zu diesem Thema gemacht. Das Ergebnis: Es gibt keine signifikanten Unterschiede zwischen den Leistungen jener Schülerinnen und Schüler, die ausschließlich in Deutsch, und jenen, die nach der CLIL-Methode unterrichtet wurden.

Wie sieht die Zukunft von CLIL aus? Soll die Methode flächendeckend an höheren Schulen etabliert werden?

An den land- und forstwirtschaftlichen Schulen und den HTLs wird CLIL laufend evaluiert, es gibt hier entsprechende Tools und Ressourcen. In der HAK und in den Humanberuflichen Schulen ist es im Lehrplan drin, aber noch nicht verpflichtend. Uns ist es natürlich ein Anliegen, CLIL in allen berufsbildenden höheren Schulen einzuführen, dazu entwickelt das CEBS auch entsprechende Programme und versucht, die Entscheidungsträger/innen zu unterstützen.

 

Hoelzel Journal | Andreas Baernthaler | CEBS - Center für berufsbezogene Sprachen | © Best Light, BRYAN REINHART photography

Andreas Baernthaler im Rahmen seiner Tätigkeit als CLIL-Coach and Consultant bei CEBS, dem Center für berufsbezogene Sprachen des BMBWF

 

 

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