Schwerpunkt: Medienkompetenz
Anna Weghuber vom EduFunk: „Die Welt der Kids besteht aus Ton und Bild“
Der Podcast „EduFunk“ berichtet wöchentlich über die digitale Schule. Moderatorin Anna Weghuber erklärt, warum Lehrende besser verrückt werden sollen, wie ein Podcast den Unterricht bereichert und was Österreich Deutschland voraus hat.
Florian Wörgötter - 17. Juni 2021
„Das Insta-Lehrerzimmer“, „Nachhilfe per YouTube“ oder „Alltag in einer digitalen Schule“ – der deutsch-österreichische Podcast „EduFunk“ verhandelt wöchentlich Episoden wie diese auf Spotify, Apple & Co. Im lockeren Plauderton gehen die Linzer Lehrerin Anna Weghuber und ihr deutscher Kollege Sebastian Funk dem Unterricht mit digitalen Mitteln auf den Grund.
Knappe 200.000 Aufrufe seit dem Jahr 2019, 2.000 Aufrufe in der Woche, machen sie – eigenen Aussagen zufolge – zum erfolgreichsten Bildungspodcast im deutschsprachigen Raum. Im Was jetzt-Interview spricht Anna Weghuber über ihre Arbeit als Podcasterin und inwiefern das Medium Tonaufzeichnung den Unterricht mit digitalen Endgeräten erweitern kann.
Was jetzt: Im Spotify-Trailer von „EduFunk“ heißt es, Ihr seid „der Podcast für die Verrückten, die etwas anderen Lehrer“, aber auch „für die Querdenker“. Was meint Ihr damit?
Anna Weghuber: Wir hatten am Beginn unseres Podcasts im Jahr 2019, als wir den Trailer erstellt hatten, noch ein positives Bild von Querdenkern im Kopf. Wir verstehen darunter jene Lehrer/innen, die anders denken, Neues probieren wollen und den Mut haben, ein starres System zu verändern. Natürlich distanzieren wir uns vom Antisemitismus der Querdenker-Bewegung.
Warum sollten Lehrende besser ein bisschen verrückter werden?
Wir wollen, dass Lehrende den Mut finden und sagen, heute schreiben wir das Thema nicht ins Merkstoffheft, sondern bearbeiten es in einer Interviewsituation oder mit einem coolen Video. Wer immer nur sein eigenes Süppchen kocht, verändert den Schulalltag nicht. Doch Veränderung ist gut für uns und bringt die Schule voran.
„Wir wollen, dass Lehrende den Mut finden und sagen, heute schreiben wir das Thema nicht ins Merkstoffheft, sondern bearbeiten es in einem Interview oder einem coolen Video.“
Auch ich arbeite als Lehrerin innerhalb meiner Bubble vor mich hin. Wenn ich aber Inputs von außen bekomme, entdecke ich neue Dinge, die ich auch im Unterricht ausprobieren kann.
Wie haben sich in zwei Jahren „EduFunk“-Podcast die Themen verändert?
Als wir den Podcast im Jahr 2019 gestartet haben, waren wir mit nur wenigen Schul-Nerds in der digitalen Welt unterwegs. Nach dem Push durch Corona merken wir heute, dass fast alle Lehrer/innen an digitalen Themen interessiert sind.
Zu Beginn der Pandemie haben wir noch über die geeignetsten Videoplattformen gesprochen, wie man Schüler/innen erreicht, Dinge verschickt und korrigiert. Heute machen wir Spezialfolgen im Bereich Coding für Schüler/innen, besprechen einzelne Apps und wie man den Unterricht kreativ gestalten kann.
Mit Ihrem Co-Moderator Sebastian Funk pflegen Sie eine deutsch-österreichische „Schulfreundschaft“. Was unterscheidet Deutschlands Schulthemen von jenen in Österreich?
Prinzipiell sind sich die Bildungslandschaften in Deutschland und Österreich sehr ähnlich. Aber gerade im digitalen Bereich haben wir im Vergleich das Gefühl, dass die Digitalisierung des Schulwesens in Österreich breiter gefächert ist. Der 8-Punkte-Plan des Bildungsministeriums soll alle Schulen gemeinsam digitalisieren und betrifft die gesamte Nation.
In Deutschland hingegen sind es eher vereinzelte Leuchtturmschulen, die Vollgas geben und den kompletten Unterricht auflösen, indem sie offene Lernräume oder Lernateliers entstehen lassen. Das ist bei uns wiederum seltener.
Wie beurteilen Sie diese breitflächige Digitalisierungsstrategie in Österreich?
Ich empfinde sie als gut, weil sonst das Bildungssystem noch weiter auseinanderklaffen würde, wenn nur einzelne Schulstandorte den Schwerpunkt auf Informatik oder digitale Grundbildung setzen. Im Rahmen des 8-Punkte-Plans müssen sich Schulen wirklich zum Tablet oder Laptop bekennen, mit dem sie ab Herbst unterrichten werden.
Jetzt müssen die Lehrer/innen nur noch auf dem Endgerät geschult werden. Arbeitsblätter und Schulbücher zu digitalisieren ist definitiv zu wenig. Es geht nicht bloß darum, den Unterricht digital zu führen, sondern kreativen Content mit digitalen Endgeräten für Schüler/innen zu gestalten. Mit Ton, Bild und Video knüpft man an die Interessen und die Lebenswelt der Kids an.
Inwiefern empfehlen Sie Lehrenden das Medium der Tonaufzeichnung für den Unterricht?
Als Lehrerin gebe ich meinen Schülerinnen und Schülern verbales Feedback mittels Sprachaufnahme. Ich erspare mir Zeit, wenn ich meine Botschaft ins Smartphone spreche und dann digital verschicke. Die Kinder kennen meine Stimme, in die ich auch Emotionen verpacken kann, damit sie das Feedback besser verstehen und annehmen können.
Außerdem wissen wir alle, dass das Leseverständnis so eine Sache ist. Mittels Sprachaufnahmen kann auch auf auditive Lerntypen besser eingegangen werden.
Wie können Schüler/innen mit dem Medium Ton bzw. Podcasts im Unterricht arbeiten?
Der erste Schritt für Schüler/innen ist, dass sie mittels einfacher Sprachaufnahmen eine Geschichte erzählen. Das empfiehlt sich vor allem in der Volksschule, wenn Kinder noch nicht schreiben können. Mittels Diktierfunktion kann das gesprochene Wort sogar in Text übertragen werden.
„Der große Vorteil eines Podcasts: Alle Kinder kommen im Unterricht zum Reden.“
Der zweite Schritt wäre, einen Podcast zu gestalten, in dem man eine Interviewsituation herstellt. Der große Vorteil: Alle Kinder kommen im Unterricht zum Reden. Ich habe im Englisch-Unterricht einen Vocabulary-Check gemacht. Zwei Schüler/innen suchen sich im Schulhaus ein ruhiges Plätzchen. Die eine fragt den anderen: „Do you know what to travel means?“. Dann antwortet dieser: „Yeah of course, to travel means from one place to another“. Was dann passiert: Die Schüler/innen wiederholen die Aufnahme mehrfach, weil sie mit ihrer Stimme nicht zufrieden sind oder sie sich verhaspeln. Dabei reden sie aber die ganze Zeit über, was innerhalb der Klasse nicht gelingen würde.
Weiters können sie im Deutschunterricht eine Geschichte erzählen und diese mit Soundeffekten untermalen. In Mathematik könnten sie einen Beweis dokumentieren.
Welche technischen Aspekte sollten Lehrende berücksichtigen, wenn sie ein Audio-Projekt realisieren wollen?
Jedes Kind braucht einen Kopfhörer, der mit dem Smartphone oder Tablet kompatibel ist. Adapter können hier hilfreich sein. Anfangs reicht es, wenn man ins Tun kommt und etwas ausprobiert. Will man professioneller an die Sache rangehen, sollte man in einem Raum aufnehmen, der leise ist und wenig hallt. Für ein trockenes Signal zieht man einfach eine Weste über den Kopf.
Das Endgerät sollte auf einem Kasten in Mundhöhe liegen. Wenn man mit 30 cm Abstand zum Mund hineinspricht, gelingt auch mit einem Smartphone eine gute Tonqualität. Wir haben auf diesem Wege die Schüler/innen sogar daheim was einsingen lassen, das wir danach zu einer großen Aufnahme zusammengefügt haben. Falls Budget vorhanden ist, kann die Schule natürlich auch Mikrofone erwerben.
Was bringt es Schülern und Schülerinnen, die Audio-Produktion zu lernen?
Die Welt der Kids besteht aus Ton und Bild, ob in sozialen Netzwerken wie TikTok oder anderen Videoformaten. Beim Aufnehmen des eigenen Sprechens lernen sie, sich zu präsentieren, und gewöhnen sich an eine Interviewsituation. Das kann ihnen später helfen, wenn sie sich in einem Betrieb vorstellen wollen. Außerdem bleiben durch das mehrfache Einsprechen Lerninhalte hängen, was einen unabsichtlichen Lerneffekt erzielt.
Alle Episoden des Podcasts „EduFunk“ finden Sie hier.
Wie Sie selbst mit Ihren Schülerinnen und Schülern einen Podcast gestalten können, erfahren Sie hier.
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