Schule aktuell
Terrorismus: „Das Gemeinsame fördern, denn wir alle sind betroffen“
BMHS aktuell: Der Terroranschlag in Wien macht auch Jugendliche sprachlos. Die Beratungsstelle Extremismus hat für uns einen Leitfaden für Lehrkräfte erstellt, mit dem Sie mit Jugendlichen über Terrorismus sprechen können.
Florian Wörgötter - 6. November 2020
Der Anschlag in Wien am 2. November hat den Terrorismus aus den Nachrichten vor unsere Haustüre geholt. Begleitet vom Unwohlsein wegen des zweiten Lockdowns erschüttert dieses Attentat besonders die ohnehin aufgewühlte Gefühlswelt von Kindern und Jugendlichen. Damit diese auch im Unterricht ihre Gefühle auszudrücken lernen, hat uns die Beratungsstelle Extremismus einen Gesprächs-Leitfaden für Lehrkräfte erstellt.
Die Beratungsstelle Extremismus ist eine österreichweite Anlaufstelle für alle Fragen zu politischem und religiösem Extremismus. Sie berät kostenlos und anonym Angehörige, Sozialarbeiter/innen oder Lehrkräfte, wenn sich jemand aus ihrem Umfeld einer extremistischen Gruppierung anschließt.
Wir haben nachgefragt, wie Lehrkräfte die grauenhaften Bilder des Anschlages mit ihren Schülern und Schülerinnen verarbeiten können und worauf sie besonders achten müssen, um deren Ängste und ihre Emotionen wahrnehmen können.
Wie können wir darüber sprechen, was so sprachlos macht?
Definieren Sie ein Gesprächssetting mit Zeitdauer und Rahmen, in dem miteinander gesprochen wird. Zum Beispiel: Lassen Sie jede/n der Reihe nach reden. Regen Sie an, dass in ICH-Botschaften gesprochen werden soll. Erläutern Sie, dass es Raum für Fragen gibt.
Wichtig: Zeigen Sie sich gesprächsbereit, aber zwingen sie niemanden zum Gespräch. Hören Sie den Schüler/innen aufmerksam zu und beantworten ihre Fragen offen und ehrlich.
Was ist überhaupt passiert? Orientierung geben:
Reden Sie über zuverlässige, gesicherte Informationen und grenzen Sie das Geschehen ein. Stellen Sie klar, dass das Attentat beendet ist und derzeit keine aktuelle Gefahr herrscht. Erläutern Sie, dass die Polizei alles getan hat, damit der Täter gefasst wird. Auch dass sie alles unternimmt, damit so etwas nicht noch einmal passiert. Bleiben Sie aber realistisch, dass ein Attentat niemals gänzlich auszuschließen ist.
Vermitteln Sie Informationen so sachlich wie möglich. Sie sollten weder bagatellisieren noch dramatisieren. Äußern Sie nichts, was weitere Ängste auslösen könnten. Spekulieren Sie nicht über das Geschehene oder mögliche weitere Gewaltakte.
Was ist Terrorismus überhaupt?
Erläutern Sie, was Terrorismus ist und welche Ziele solche Attentate verfolgen: Terroristische Gewalttaten sollen die Interessen von Einzeltätern oder Gruppierungen gewaltsam durchsetzen. Sie sollen Angst und Schrecken verbreiten und den Tod unschuldiger Menschen in Kauf nehmen. Sie sollen Menschen gegeneinander aufhetzen, um eine Spaltung der Gesellschaft zu erreichen. Eigene Ideologien sollen gewaltsam durchgesetzt werden, diese Gewalt wird auch mit diesen Ideologien begründet.
Anschläge richten sich daher gegen gesamte Gesellschaften, gegen Personen des öffentlichen Lebens wie Politiker/innen oder andere bekannte Personen. Sie wollen das staatliche Gefüge destabilisieren.
Wie gehen wir mit Emotionen und persönlicher Betroffenheit um?
Geben Sie den Schüler/innen Raum, ihre persönliche Betroffenheit in dieser Situation auszudrücken: Was fühle ich? Was löst die Situation in mir aus? Helfen Sie dabei, die unangenehmen Gefühle zu benennen. Damit werden diese weniger bedrohlich. Es ist leichter möglich, zu Gefühlen auf Distanz zu gehen, wenn diese ausgesprochen sind.
Was hilft zu stabilisieren?
Reden Sie darüber, was in solch schwierigen Situationen helfen kann. Suchen Sie gemeinsam nach ähnlichen Situationen und welche Ressourcen schon einmal geholfen haben. Tauschen Sie Tipps und Erfahrungen aus. Die Jugendlichen sollen sich auch gegenseitig unterstützen können.
Woher bekommt man hilfreiche Informationen?
Reden sie darüber, woher man jetzt seriöse Informationen bekommen kann. Welche Medien gibt es? Welche Medien berichten wie? Welche Medien liefern gesicherte Information? Welche Medien und Social Media emotionalisieren? Welche beruhigen und geben Orientierung? Recherchieren Sie gemeinsam mit Jugendlichen zu bestimmten Themen.
Was kann ich für meine Sicherheit tun?
Gehen Sie auf die unterschiedlichen Sicherheitsbedürfnisse ein, jedoch ohne zu dramatisieren: Worauf kann ich im Moment achten, um mich zu schützen? Wohin kann ich gehen? Welche Orte sollte ich meiden?
Wenn gewünscht und passend, geben Sie konkrete Handlungsanregungen für den Fall eines weiteren Attentats. Machen Sie das aber nur, wenn es zur Beruhigung beiträgt. Siehe „Terrorismusleitfaden der Stadt Zürich“.
Tipps für die Gesprächsführung:
Vermeiden Sie Dialoge, die in „wir und ihr“ teilen. Fördern Sie das Gemeinsame, denn wir alle sind betroffen.
Machen sie aus der Situation kein Thema von Integration und den „Anderen“. Das trägt nur zur einer Ausschlussdynamik bei und führt eher dazu, dass sich angesprochene Personen verteidigen müssen.
Sollten provozierende Aussagen fallen, gehen Sie nicht direkt darauf ein und steigen Sie nicht gleich auf eine inhaltliche Diskussion ein. Fragen Sie genauer nach, seien Sie neugierig. Gehen Sie davon aus, dass die Jugendlichen mit der Situation auch überfordert sind und erst einen Umgang damit suchen.
Wohin kann ich mich wenden, wenn ich Hilfe oder Unterstützung brauche?
- Beratungsstelle Extremismus
Montag bis Freitag 10–15 Uhr, Dienstag 10–19 Uhr – 0800/202044 - Helpline des Berufsverband Österreichischer PsychologInnen (BÖP)
Montag bis Donnerstag 9–13 Uhr – 01/504 8000 - Rat auf Draht
147 - Kriseninterventionszentrum
Montag bis Freitag 10–17 Uhr – 01/4069595 - Polizei
133 - Weitere Notfallnummern:
https://www.gesundheit.gv.at/
Quellen:
Leitfaden für die Schulen der Stadt Zürich, Fachstelle für Gewaltprävention.
Psychologische Tipps zum Umgang mit den Folgen von Terrorismus. Berufsverband Österreichischer PsychologInnen (BÖP)
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