Bildung und Beruf
Ethikunterricht oder Religion? Ab 2021 heißt es: entweder … oder!
BMHS aktuell: Der Schulversuch Ethik soll in allen Schulen der Sekundarstufe II stattfinden. Sofern der Gesetzesentwurf von Minister Faßmann die Begutachtung übersteht. Ein Überblick auf neue Lehrpläne und alte Kritik.
Was jetzt-Redaktion - 9. Juni 2020
Krieg und Frieden, Wirtschaft und Konsum, Moral und Recht, Natur und Mensch – diese Begriffspaare stehen exemplarisch im Entwurf des Lehrplanes der Bundes ARGE Ethik. Themen wie diese werden schon jetzt im freiwilligen Ethikunterricht an 233 Schulstandorten der Sekundarstufe II unterricht. Laut dem Bildungsministerium entspricht das einem Drittel aller AHS, BHS und BMHS.
Künftig soll Ethik an allen Schulen der Sekundarstufe II unterrichtet werden, wo sich Schüler/innen – mit oder ohne Konfession – vom Religionsunterricht abmelden. Denn nach über 20 Jahren Schulversuch soll der Ethikunterricht zur verpflichtenden Alternative des Religionsunterrichts ausgerollt werden.
Vom Schulversuch ins Regelschulwesen
Ursprünglich hätte ein Gesetzesentwurf der türkis-blauen Regierung bereits im aktuellen Schuljahr umgesetzt werden sollen. Doch erst jetzt lässt Bildungsminister Faßmann den Gesetzesentwurf begutachten, damit er nach Ende der Frist am 3. Juli im Nationalrat abgestimmt werden kann. Der vorläufige Starttermin für das bundesweite Ausrollen des Ethikunterrichts: das Schuljahr 2021/22.
Das Bildungsministerium erwartet sich vom Ethikunterricht, „zu selbstständiger Reflexion und Auseinandersetzung mit unterschiedlichen philosophischen, weltanschaulichen, kulturellen und religiösen Traditionen und Menschenbildern“ zu befähigen, „einen Beitrag zur individuellen Persönlichkeitsentwicklung“ zu leisten und die Jugendlichen zu bestärken, „eigene Krisenerfahrungen aufzugreifen und sich im autonomen Handeln als selbstwirksam zu erfahren“.
Volksbegehren Ethik für ALLE
Das Thema wurde über die Jahre hinweg kontrovers diskutiert: Die überparteiliche Initiative „Ethik für ALLE!“ reagiert etwa mit einem Volksbegehren und fordert einen Ethikunterricht für „alle Schüler/innen ungeachtet ihrer konfessionellen Zugehörigkeit“. Denn Klassen „zum Zweck der Wertevermittlung“ zu teilen, würde sie auch außerhalb der Schule „spalten“.
Je später die „Wertevermittlung“ beginne, umso weniger würde sie vermitteln, daher soll der Ethikunterricht auch schon mit der ersten Schulstufe starten, so die Position von „Ethik für ALLE!“ auf ihrer Webseite.
Außerdem sollten besondere Qualitätskriterien gelten: Nur im Lehramtsstudium ausgebildete Ethik-Lehrer/innen sollten unterrichten dürfen. Um Interessens- und Gewissenskonflikte zu verhindern, sollten diese auch nicht gleichzeitig Religion an derselben Schule lehren.
Eine kürzlich von „Ethik für ALLE!“ in Auftrag gegebene Umfrage des Gallup-Instituts soll ihre Forderungen untermauern: So wären von 1.000 Befragten 70 % für einen „gemeinsamen und vom Religionsunterricht unabhängigen Ethikunterricht“. Lediglich 16 % votieren für das geplante Modell eines Pflicht-Ethikunterrichtes für Schüler/innen, die keinen Religionsunterricht besuchen. 13,5 % der Befragten lehnen die Einführung eines Ethikunterrichtes grundsätzlich ab.
Der Segen der Kirche
Die katholische Kirche begrüßt den Gesetzesentwurf und dass sich nun alle Schüler/innen verstärkt mit ethischen Fragen beschäftigen würden. Laut des Interdiözesanen Amtes für Unterricht und Erziehung sei entscheidend, inwiefern es an den einzelnen Schulstandorten zu einer guten Zusammenarbeit zwischen Religions- und Ethikunterricht kommen wird.
Die im Regierungsprogramm vorgesehene Entwicklung eines Lehramtsstudiums für den Ethikunterricht wird ebenfalls gutgeheißen. Genauso die Anrechenbarkeit von bestehenden Aus- und Weiterbildungen. Gerade für Religionslehrer sei dies eine interessante Option, meint das Amt.
Lehrplan zum Ethikunterricht
Wenn der Gesetzesentwurf vom Nationalrat plangemäß verabschiedet wird, starten im nächsten Schuljahr die Vorbereitungen. Ein neuer Lehrplan muss entwickelt werden. Die Basis dafür bilden die Erkenntnisse aus den autonomen Schulversuchen und ein Lehrplan-Entwurf der Bundes-ARGE Ethik.
Die Grundlagenwissenschaft des Ethikunterrichts bildet die Philosophie. Ihre Bezugswissenschaften sind Psychologie, Soziologie, Religionswissenschaft, aber auch Geschichte, Rechtswissenschaft, Biologie, Wirtschaftswissenschaft und Politologie.
Ausbildung zum Ethik-Lehrer/in
Laut dem Bildungsministerium wird in den ersten Bedarfsjahren ein Hochschullehrgang Ethik im Ausmaß von insgesamt 60 ECTS-Punkte als berufsbegleitende Fort- und Weiterbildung angeboten. Studiert werden kann an den Pädagogischen Hochschulen, Universitäten und der KPH Wien/Krems. Für eine erste Lehrbefugnis seien 30 ECTS-Punkte im ersten Studienjahr zu absolvieren, weitere 30 ECTS-Punkte im zweiten bis vierten Studienjahr.
Weiters bieten die Universitäten Wien und Graz Masterstudienlehrgänge Ethik an (120 ECTS-Punkte). Die Zulassungsbestimmungen unterscheiden sich zwar von den Hochschullehrgängen, setzen jedoch eine bestehende Lehrbefugnis voraus.
Mittelfristig soll ein universitäres Ethik-Lehramtsstudium angeboten werden. Dazu werden derzeit erste Vorarbeiten erledigt. Ein Studienangebot ist frühestens mit Beginn des Studienjahres 2022/23 realistisch.
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