Schwerpunkt: Medienkompetenz
Studie: Warum Deutsche in Nachrichtenkompetenz durchfallen
Die aktuelle Studie „Quelle: Internet?“ hat untersucht, wie Deutsche ab 18 Jahren Nachrichten im Internet einordnen. Das Ergebnis: mittelmäßig bis schlecht. Hier ein Überblick über die konkreten Resultate und was aus ihnen abzuleiten ist.
Florian Wörgötter - 15. April 2021
Wie erfolgreich bewältigen Menschen den rasanten Wandel des digitalisierten Mediensystems? Wie gut gelingt es diversen Altersgruppen, Quellen im Internet als zuverlässig einzuordnen? Können sie zwischen Meinung und Berichterstattung, PR-Inhalten und Desinformation unterscheiden? Diese Fragen der Nachrichtenkompetenz hat die deutsche Stiftung Neue Verantwortung (SNV) in der aktuellen, repräsentativen Studie „Quelle: Internet?“ untersucht.
4.191 deutsche Internetnutzer/innen ab 18 Jahren haben sich einem Online-Test zur digitalen Nachrichten- und Informationskompetenz gestellt: Testfragen und zugehörige Aufgaben erörtern, inwieweit sie in digitalen Medienumgebungen navigieren können, die Qualität von Nachrichten, Informationen und Inhalten beurteilen können, ob sie diskursfähig sind und Bescheid wissen, wie digitale Öffentlichkeiten funktionieren.
Das Ergebnis: Insgesamt hätten die Befragten in fast allen Kompetenzbereichen überwiegend mittelmäßig bis schlecht abgeschnitten, heißt es in der Zusammenfassung der Studie. Es fehle oft an ganz konkreten Kenntnissen und Fähigkeiten. Bürger/innen wären viel zu lange damit alleingelassen worden, sich in immer komplexeren Medienumgebungen selbst zurechtzufinden.
Hier eine Zusammenfassung der Ergebnisse und ihrer Ableitungen.
1 ) Unterschiede zwischen Desinformation, Information, Werbung und Meinung werden teils nur schwer erkannt.
Nur 43 % der Befragten erkennen eine Falschinformation auf Facebook. Ein Drittel hält einen Kommentar für eine tatsachenorientierte Berichterstattung. 56 % halten ein Advertorial für eine Information.
2) Ob eine Quelle vertrauenswürdig ist, wird oft richtig eingeschätzt. Seltener werden Interessenskonflikte benannt.
Mindestens 59 % können Neutralität und Vertrauenswürdigkeit eines Artikels bewerten – was aber nicht bedeutet, dass sie auch den konkreten Grund für den Interessenskonflikt benennen können.
3) Kennzeichnungsstrategien von Social-Media-Plattformen zu Desinformationen wirken kaum.
Maximal ein Viertel der Befragten identifiziert aufklärende Hinweise wie etwa das Facebook-Label zum Faktencheck einer Falschnachricht oder den Wikipedia-Hinweis auf YouTube zur Finanzierung eines Staatssenders.
4) Menschen zweifeln an Unabhängigkeit des Journalismus von der Politik.
Ein Viertel der Bevölkerung teilt die Aussage, dass Medien und Politik Hand in Hand arbeiten, um die Meinung der Bevölkerung zu manipulieren (weitere 28 % sagen teils, teils). 24 % glauben, dass die Bevölkerung in Deutschland von den Medien systematisch belogen wird (weitere 30 % sagen teils, teils). Nur die Hälfte der Befragten ist sich bewusst, dass Nachrichten über Bundesminister/innen ohne die Genehmigung des Ministeriums veröffentlicht werden dürfen.
5) Knapp die Hälfte besteht den Test – nur 22 % der Befragten erreichen hohe Kompetenzwerte.
Von maximalen 30 Punkten des Medienkompetenz-Tests wurden im Schnitt lediglich 13,3 Punkte erreicht. 46 % haben eine (sehr) geringe digitale Nachrichten- und Informationskompetenz. Ein Drittel der Befragten liegt im Mittelfeld.
6) Jüngere Generationen sind kompetenter als ältere – allerdings abhängig von der Bildung.
Quer durch alle Altersgruppen gilt: Je höher die formale Schulbildung, desto höher die Kompetenzwerte und auch das Vertrauen in Journalismus und Politik. Besonders nachrichtenkompetent sind die hochgebildeten Befragten zwischen 18 und 39 Jahren, am wenigsten sind es jene unter 40 mit niedriger Schulbildung.
7) Digitale Nachrichtenkompetenz hängt auch mit demokratischer Grundhaltung zusammen.
Am höchsten ist sie, wenn sich Bürger/innen über Politik informieren, unabhängigen Journalismus wertschätzen, andere Meinungen tolerieren und ein gewisses Grundvertrauen in Demokratie und Medien besitzen.
8) AfD-Anhänger/innen verfügen über die geringste digitale Nachrichtenkompetenz.
Die besten Werte erzielen Anhänger/innen der FDP, dicht gefolgt von den Grünen sowie der Linken und der SPD. Im Gesamtdurchschnitt liegen Anhänger/innen der CDU. Abgeschlagen auf dem letzten Platz: AfD-Anhänger/innen.
Gefordert: Mehr Medienbildung für Junge und Erwachsene
Dringenden Nachholbedarf sehen die Studienautoren und -autorinnen in der Schul- und Erwachsenenbildung. Gerade in Haupt- und Mittelschulen müsse eine Medienkompetenz in den Lehrplänen stehen, die politische Bildung und Vertrauensbildung in journalistisches Arbeiten fördere.
Jedoch sinkt auch bei Erwachsenen und älteren Menschen die digitale Nachrichtenkompetenz mit dem Alter deutlich und signifikant. Die Studie plädiert daher dafür, dass eine digitale Nachrichten- und Informationskompetenz auch in die Erwachsenenbildung und berufliche Weiterbildung systematisch einfließen sollte.
Mehr Transparenz in Journalismus und sozialen Medien
Ebenso brauche es mehr Transparenz in der Darstellung der journalistischen Angebote im Internet. Es sei für Bürger/innen schwieriger geworden, zwischen Meinung und Berichterstattung zu trennen, aber auch Werbung von Journalismus zu trennen. Insbesondere jene, denen die Einordnung von Nachrichten schwererfalle, brauchen eine verständlichere Markierung von Inhalten. Sonst entstehe schnell der Eindruck eines finanziell und politisch abhängigen Journalismus, der das Vertrauen in Medien sinken lässt.
Verstärkt werde dieser Eindruck auch durch unsortierte Informationsbruchstücke in sozialen Medien. Plattformen brauchen plausible, gut sichtbare Kennzeichnungen sowie eine transparente Plattform-Architektur, die Desinformation eher eingrenzt anstatt – wie bisher – unterstützt.
Testen auch Sie Ihre Nachrichtenkompetenz!
Das Projekt „Quelle: Internet?“ wird unterstützt von der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb, der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM), der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb) und der Landesanstalt für Medien NRW (LFM NRW).
Hier können Sie und Ihre Schüler/innen selbst am Test teilnehmen. Hier geht’s zum Download der gesamten Studie „Quelle: Internet?“ von Anna-Katharina Meßmer, Alexander Sängerlaub und Leonie Schulz.
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