Schwerpunkt: Online-Lernen

Rauskala: Das Portal Digitale Schule startet Ende September

Ex-Bildungsministerin Iris Rauskala verantwortet den 8-Punkte-Plan zur Digitalisierung der Schule. Im Interview erklärt die Spitzenbeamtin, was das Portal Digitale Schule alles kann und was vom Plan noch umgesetzt wurde.

Florian Wörgötter - 17. September 2020

Im Juni 2020 hat Bildungsminister Heinz Faßmann seinen 8-Punkte-Plan für den digitalen Unterricht präsentiert. In acht Schritten soll digital unterstütztes Lernen und Lehren flächendeckend in Österreichs Schulen implementiert werden. Nun gibt es mit dem Portal Digitale Schule die ersten Neuigkeiten.

Die Verantwortung für den 8-Punkte-Plan trägt Iris Rauskala. Die Spitzenbeamtin leitet die Präsidialsektion im Bildungsministerium und ist unter anderem auch verantwortlich für Digitalisierung. In der Übergangsregierung übernahm sie das Amt der Bildungsministerin für ein halbes Jahr.

Im Interview erklärt die in Finnland geborene Bildungsexpertin die wichtigsten Updates zum 8-Punkte-Plan, was bereits umgesetzt wurde und was wir noch erwarten dürfen.

Iris Rauskala leitet die Präsidialsektion im Bildungsministerium und verwantwortet den 8-Stufen-Plan zur Digitalisierung von Österreichs Schulen.

1. Portal Digitale Schule (PoDS)

Das Portal Digitale Schule soll als zentrale Online-Plattform alle Anwendungen und Lernplattformen des Schulalltags vereinen. Als sogenannter Single-Point of Entry können sich Lehrer/innen, Schüler/innen – und ab Dezember auch Eltern – mit einem einzigen Passwort zu allen Anwendungen anmelden. Ende September geht das Portal in einer Testversion online und wird danach sukzessive ausgebaut. Mit dem Startschuss können auch BHS-Lehrende und ihre Schüler/innen damit arbeiten.

„Wir haben das Portal Digitale Schule in einer knappen Programmierungszeit von vier Monaten entwickelt. Wir müssen diverse Software-Produkte mit vertraglich externen Partnern einbinden, mit denen wir auf eine gute Kooperationskultur angewiesen sind. Das ist aus meiner Sicht eine beachtliche Leistung“, erklärt Rauskala den „intensiven Sommer“.

„Wir erhoffen uns von der Digitalisierung, die Schüler/innen in ihrem individualisierten Lernprozess besser zu unterstützen.“

Wie einfach lassen sich Software-Anwendungen und Lern-Apps integrieren? Am „heikelsten“ seien die Schulverwaltungsprogramme Sokrates und Untis – Sokrates bündelt alle Stammdaten von Lernenden und Lehrenden inklusive Noten; das Klassenbuch Untis vereint alle Stundenpläne und welche Lehrerperson wann und wo unterrichtet. „Das sind hoheitliche Anwendungen im Interesse der Schulverwaltung – die müssen hochgesichert funktionieren und den Datenschutz gewähren“, sagt Rauskala.

Das integrierte elektronische Klassenbuch soll demnächst der Standard in allen Bundesschulen sein. So könne man ab diesem Zeitpunkt auch mit den Eltern auf einheitlichem Wege kommunizieren.

Weitere Schnittstellen wurden programmiert für Lernmanagement-Systeme wie Moodle oder LMS, für das Weiterbildungsprogramm der pädagogischen Hochschulen PH-Online sowie für die vom Bildungsministerium betriebene Lernmaterialsammlung Eduthek und die Bildungsmedienplattform edutube.

Eine Schnittstelle zum digitalen Bücherregal Digi4School ermöglicht den Zugriff auf digitale Schulbücher. Zu einzelnen Schulbuchverlagen und deren Apps seien derzeit aber keine Schnittstellen geplant worden. Es sei „eine Fragestellung der weiteren Medienpädagogik, wie man sich in diesem Bereich weiterentwickeln will“, meint Rauskala. „Dem Minister ist wichtig, dass wir die Kommunikationswege möglichst vereinheitlichen und vereinfachen.“

2. Vereinheitlichung der Lernplattformen

Über den Sommer sollten sich Schulen für ein einheitliches Lernmanagementsystem und/oder einheitliche Kommunikationswege entscheiden, also: LMS, Moodle oder die Anwendungen von Microsoft Office 365 oder Google G Suite.

„Wir haben aus der Krise gelernt, was uns auch von Eltern bestätigt wurde: Das größte Problem sind unklare Kommunikationswege. Wir wollen vermeiden, dass der eine Lehrende über Whatsapp kommuniziert, der andere über E-Mail, der andere über eine Lernplattform“, sagt Rauskala. Auch solle nicht jede/r Lehrende eine andere Lernplattform oder Lern-App nutzen. Das bringe vor allem jüngeren Schüler/innen und ihren Eltern Kopfzerbrechen.

Das Distance Learning Serviceportal soll die Schulen bei der Entscheidung unterstützen. Schon im Frühjahr haben Pädagogen und Pädagoginnen dort einen Überblick auf die gängigen Lernplattformen und Lernmanagementsysteme mit Begleitvideos gefunden.

3. Lehrendenfortbildung

Um Pädagoginnen und Pädagogen auf das Unterrichten in Blended und Distance Learning Settings vorzubereiten, läuft seit dem 10. August der erste Massive Open Online Course (MOOC) zum Thema Distance Learning.

Laut Rauskala haben den Kurs der Virtuellen PH bereits 11.000 angemeldete Lehrer besucht. 5.000 von ihnen haben bereits mit Zertifikat abgeschlossen. Die Lehrenden bestimmen im eigenen Lerntempo, wie lange der mit Diskussionsformaten auf vier Wochen ausgelegte Kurs tatsächlich dauern soll. „Diese Unterstützungsmaßnahme soll den Schulstandorten helfen, erstens eine geeignete Lernplattform zu finden, zweitens dass sich unsichere Pädagogen und Pädagoginnen niederschwellig weiterbilden können“, sagt Rauskala.

BHS-Lehrende seien weniger im Fokus, weil sie sich mit unterschiedlichen Apps bereits gut zurecht finden würden. „Aus dem BHS-Bereich haben wir den geringsten Problemaufschrei während der Corona-Phase vernommen“, sagt Rauskala. Wo dort das größte Nachhol-Potenzial stecke? „Eher im Organisatorischen: Was machen Internats-Schüler/innen während einer weiteren Distance-Learning-Phase? Wie können Pflicht- oder Berufspraktika in einer solchen Zeit organisiert werden?“

4. Ausrichtung der Eduthek nach Lehrplänen

Die digitalen Lehr-und Lernressourcen der Eduthek des Bildungsministeriums werden derzeit nach den Lehrplänen ausgerichtet, um die zielgenaue Suche zu verbessern und den Lehrerinnen und Lehrern einen optimalen Service zu bieten.

„Wir sind laufend dabei, den Content zu verbessern. Dabei sind wir angewiesen auf die Zusammenarbeit mit anderen Akteuren im Bildungsbereich“, sagt Rauskala. Im Laufe des nächsten Semesters sollen die Lücken gefüllt werden, sie ergänzt aber, dass ein solches Projekt nie vollends abgeschlossen sein kann, weil sich Lehrpläne und entsprechende Medien laufend weiterentwickeln.

5. Gütesiegel Lern-Apps

Pädagogisch wertvolle Lern-Apps sollen als Bildungsmedien für den Einsatz im Blended und Distance Learning zertifiziert werden. Die Idee: „Pädagogen und Pädagoginnen bereiten für andere Kollegen auf, ob sich eine entsprechende App im Unterricht bewährt“, sagt Rauskala.

Vorbild sei hier einmal mehr Skandinavien, wo Lehrende und Lernende gemeinsam eine App drei Monate lang im Unterricht testen. „Wenn eine Lern-App sinnvoll und nützlich ist, sich am Lehrplan orientiert und die Schüler/innen in ihrem Lernfortschritt vorwärtsbringt, dann wird sie als pädagogisch sinnvoll bewertet“, erklärt Rauskala die Gütekriterien.

Im Laufe der Zeit könnten auch Erfahrungswerte mit Lern-Apps der pädagogischen Hochschulen oder von Fachbereichen der Universitäten in eine solche Datenbank einfließen, in der Lehrer/innen künftig zuverlässig zertifizierte Apps suchen und finden könnten.

Das Zertifikat soll anhand einer Software automatisch erstellt werden. Im Vordergrund stehen dabei pädagogische Kriterien. Das Programmieren dieser Software dauere entsprechend, deshalb ist im Schuljahr 2021/22 damit zu rechnen.

6. Ausbau der IT-Basis-Infrastruktur an Schulen

Der Ausbau der IT-Infrastruktur ist die Voraussetzung für die digitalen Endgeräte, die ab dem Schuljahr 2021/22 an die Sekundarstufe 1 ausgegeben werden sollen (siehe Punkt 7). Schulen ohne entsprechende Internet-Anbindung sollen daher an eine auf Glasfaser basierende Breitbandanbindung angeschlossen werden; in den Unterrichtsräumen soll eine leistungsfähige WLAN-Versorgung garantiert werden.

„Wir sind mit den Bildungsdirektionen dran, AHS-Standorte und Neue Mittelschulen fürs nächste Jahr anschlussfähig zu machen. Der Bedarf ist sogar weniger dramatisch als gedacht“, meint Rauskala, denn sehr häufig verfügen Schulen über eine bessere Infrastruktur als erwartet: „Neu gebaute oder kürzlich sanierte Bundesschulen wurden an vernünftige Glasfaseranbindungen angeschlossen. Diese wurden teilweise noch nicht in vollem Umfang genutzt, weil bisher wenig digitaler Unterricht statt findet.“

Doch die Internet-Nutzung würde steigen, wenn beginnend mit dem nächsten Jahr möglichst viele Klassen intensiv mit dem Internet arbeiten werden.

7. Digitale Endgeräte für Schüler/innen

Der in der Öffentlichkeit am stärksten wahrgenommene Punkt für Rauskala: die Endgeräte-Initiative. Im Schuljahr 2021/22 soll die Sekundarstufe I beginnend mit 5. und 6. Schulstufe mit digitalen Endgeräten flächendeckend ausgestattet werden. Warum nicht schon dieses Schuljahr gestartet wird?

„Wir benötigen für die fünfte Schulstufe 80.000 digitale Endgeräte. Das können wir nicht kurzfristig übers Knie brechen, da wir an gesetzliche Vorgaben in der Beschaffung gebunden sind. Außerdem müssen die Schulstandorte und auch die Lehrenden so weit sein, dass sie mit diesen Geräten gut und gerne arbeiten könnten“, meint Rauskala. Weiters brauche es auch die Vorlaufzeit in der Abstimmung, weil für die Infrastrukturausstattung der NMS die Gemeinden zuständig sind.

Zuallererst sollen die Schulen einen Bewusstseinsprozess durchlaufen – von der benötigten Infrastruktur über die Anforderungen an die Pädagogenschaft, die Wünsche der Eltern und die Spielregeln am Schulstandort. Das Ergebnis soll in einem schlanken Digitalisierungskonzept zusammenlaufen. Wichtig ist für Rauskala, dass die Schulen dabei unterstützt werden und die Freude am Arbeiten mit digitaler Technik im Vordergrund steht. Es sollen keine unnötigen bürokratischen Abläufe erzeugt werden.

„Dem Minister ist wichtig, dass die Hürde für ein Digitalisierungskonzept niedrig ist. Die Schulstandorte sollen seinen Umfang autonom aus ihrem Sachverständnis bestimmen.“

Was muss ein solches Digitalisierungs- und Nutzungskonzept können? „Dem Minister ist es wichtig, dass die Hürde niedrig ist. Dass die Schulstandorte aus ihrer eigenen Autonomie und ihrem Sachverständnis bestimmen, wie umfangreich sie ein Konzept gestalten wollen“, so Rauskala.

Wichtige Fragen seien: Will eine Schule Laptop- oder Tablet-Klassen einführen? Sollen diese auf einzelne Klassen begrenzt oder für alle Klassen der 5. Schulstufe ausgeweitet werden? Wie viele Lehrende können didaktisch und medienkompetent mit Geräten umgehen?

Weiters: Wie können alle Unterrichtsfächer von digitalen Endgeräten profitieren? Wie können auch weniger naheliegende Fächer wie Deutsch oder generell Sprachen, Sport oder Werkerziehung ihr digitales Potenzial entfalten? Lässt sich sicherstellen, dass die Kinder im Internet vernünftige Dinge tun? Was ist die Schul-Policy in Sachen Internet-Sicherheit?

Da Schüler/innen die Tablets oder Laptops auch privat nützen dürfen, soll ein Selbstbehalt von 25 % verrechnet werden. Ein Förderprogramm soll besonders benachteiligte Familien davon ausnehmen. Laut ersten Überlegungen soll sich die Förderung am Schulstartpaket des Sozialministeriums orientieren.

Berufsbildende höhere Schulen sind von der Maßnahme nicht umfasst, ein Digitalisierungskonzept einzureichen. Denn: „Der BHS-Bereich ist im Großen und Ganzen sehr umfangreich digitalisiert“, so Rauskala.

8. Digitale Endgeräte für Lehrer/innen

Schulen, die an der Endgeräte-Initiative teilnehmen, werden auch mit zusätzlichen Endgeräten für Lehrkräfte ausgestattet. „In der Sekundarstufe I geben wir nacht derzeitigem Planungsstand pro digital geführter Schulklasse drei Geräte für Lehrer/innen ab“. Damit soll sicher gestellt werden, dass es für den Unterricht genug Geräte am Schulstandort gibt. Allerdings betont Rauskala, noch sind das alles Entwürfe mit einer Vorlaufzeit von einem Jahr.

Sind Sie zufrieden, Frau Rauskala?

„Verglichen mit dem, was in den letzten zehn Jahren passierte, ist das ein Meilenstein. In diesem Zeitfenster, bedingt durch Corona, ist wirklich jedem klar geworden, dass wir den Bildungsbereich umfassend digitalisieren müssen, um unseren Schülern und Schülerinnen die Chancen für morgen nicht zu verbauen.“

Im Vergleich zum Hochschulbereich, in dem sie unterrichtet hat, müsse man in der Schule noch mehr Augenmerk auf die vielen Sorgen und Nöte der Eltern legen, damit der Umgang mit digitalen Endgeräten kompetent sowie sorgfältig erfolgt und die (10-jährigen) Kinder nicht mit Datenmüll und unsinnigen Arbeitsaufträgen überlastet werden, bilanziert Rauskala.

„Das eigentliche Thema aber ist, dass wir uns erhoffen, die Schüler/innen in ihrem individualisierten Lernprozess besser zu unterstützen“, so Rauskala. Wenn etwa eine interessante App sofortige Rückmeldung gibt, wo man in einem Fach steht und was es braucht, um das Jahr positiv abzuschließen. „So kann die Digitalisierung auch Lehrende unterstützen, dass sie unterschiedliche Klassenniveaus besser managen können, indem sie die gute Schüler/innen fordern und die weniger guten entsprechend fördern können.“

 

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