Schwerpunkt: Online-Lernen

„Zurück in die Schule“: Wie geht Online-Lernen im Präsenzunterricht?

Teil 2 der Serie „Zurück in die Schule“: Wir befragen unsere vier BHS-Lehrer/innen, was konkret sie aus dem Online-Lernen in den Präsenzunterricht mitnehmen? Welche Tools, Aufgaben und Plattformen passen in die Schule?

Florian Wörgötter - 19. Mai 2020

In der Serie „Zurück in die Schule“ wollen wir herausfinden, welche Chancen das Online-Lernen auch für den Präsenzunterricht bietet. Daher begleiten wir vier BHS-Lehrer/innen in vier Episoden auf dem Weg zurück ins Klassenzimmer.

In der ersten Episode haben wir auf die Wochen des Online-Unterrichts zurückgeblickt, was die Lehrer/innen aus dem Online-Lernen gelernt haben. In Episode zwei fragen wir wieder die gleichen Lehrer/innen, was sie daraus auch im Präsenzunterricht umsetzen wollen. Und wie man untergetauchte Schüler wieder zurück ins Boot holt.

 

„Schüler/innen lassen sich online ohne Notendruck motivieren.
Vielleicht brauchen wir weniger Tests und Schularbeiten.“

Susanne Drobez, Vienna Business School, Akademiestraße, Wien, Deutsch/Italienisch

Obwohl Susanne Drobez „gut digitalisierte“ Laptop-Klassen unterrichtet, musste sie in den Wochen der Schulschließung „viel Neues“ ausprobieren. „Lernvideos, Diskussionen, Quiz, Konferenzen, selbständiges Arbeiten – diese Methoden können auch mehr Abwechslung in den Präsenzunterricht bringen“, sagt Drobez. Aus dem Online-Unterricht nimmt sie nun „ein gutes Unterrichtsmaterial mit klar formulierten Arbeitsschritten in den Unterricht“ mit.

Als keine Prüfungen den Rhythmus vorgegeben haben, hat sie erkannt: „Die Schüler lassen sich auch ohne Notendruck zum Mitarbeiten motivieren. Vielleicht ginge es auch künftig mit weniger Tests und Schularbeiten.“

In Zukunft möchte sie Hausaufgaben und Schulübungen noch mehr in Microsoft Teams abwickeln. „Alles ist dort schön gesammelt – wer was abgegeben hat und was nicht.“ Allerdings, ergänzt sie, sei gerade im Sprachunterricht der Laptop nicht immer von Vorteil: Man sollte die Worte mit ihren Akzenten mit der Hand schreiben lernen.

Videokonferenz im Präsenzunterricht?

Ob man auch Videokonferenzen im Präsenzunterricht verwenden könnte? „Ich könnte mir vorstellen, ergänzend in einer Stunde Förderkurs oder Maturavorbereitung den Stoff online zu wiederholen.“ Doch um Neues zu lernen, bleibt der interaktive Unterricht die beste Methode, denn Schüler/innen lernen auch von anderen Schülern/Schülerinnen.

Die Kommunikation unter den Lehrerinnen/Lehrern könnte sich aber verbessern, wenn etwa Fachgruppen-Sitzungen unter allen Deutschlehrenden auf Microsoft Teams abgehalten werden: „In der Schule hatten wir immer Probleme, einen gemeinsamen Termin zu finden. Auf Teams haben wir uns alle abends getroffen, weil eh jeder daheim ist“, sagt Drobez. Die Meetings wären zwar nicht „produktiver, aber unkomplizierter“.

Drobez beurteilt die bevorstehende Klassenteilung kritisch: „Wenn ein Kapitel mit der der einen Hälfte gemacht wird, in der Folgewoche mit der zweiten, verringert sich der Lernstoff“, sagt sie. „Ich glaube, dass im Online-Unterricht mehr weitergeht als mit halben Klassen im Präsenzunterricht. Denn auf Teams treffen sich alle – und müssen nicht auf Abstand, Masken achten.“

 

„Wir sollten Lehrer/innen jetzt fortbilden, damit die Vorteile
des Online-Lernens stärker in den Schulalltag einfließen.“

Helmut Bauer, BHAK1 Salzburg, Rechnungswesen

Der HAK-Lehrer Helmut Bauer hat den Umstieg auf Online-Lernen als E-Learning-Beauftragter an vorderster Front miterlebt. Was er daraus für den Unterricht umsetzen möchte? „Videokonferenzen werden wir beim Präsenzunterricht wohl nicht mehr brauchen. Was aber bleibt, sind die Tools der Lernplattformen“, sagt Bauer.

Das selbständige Online-Lernen habe so gut funktioniert, dass im Präsenzunterricht das Prinzip des „Flipped Classroom“ eine größere Rolle spielen wird. Also: Schüler/innen beschäftigen sich zunächst selbständig mit einem Thema, erst dann besprechen sie es mit den Lehrenden im Unterricht. Der Vorteil: „Schüler/innen haben eine festere Basis für die Diskussion. Und der Lehrstoff trifft auf fruchtbareren Boden, wenn sie schon mehr zum Thema gehört haben“, ist Bauer überzeugt.

Für den „umgedrehten Unterricht„ brauche es Videos, Unterlagen und Materialien zum Selbststudium, die seit den Wochen der Schulschließung „massiv mehr“ im Umlauf sind, meint Bauer. Im Fach Rechnungswesen verwendet er hierfür die Erklärvideos des LERNEN WILL MEHR!-Lernraums. „In jedem Kapitel gibt es fünfminütige Videos, die mit den Themen im Buch verknüpft sind. Man kann sie auch über die App anschauen, wenn man den Code scannt.“

Den „Lernraum“ will Bauer aber auch für die Hausübungen verwenden, die dort bequem gelöst und abgegeben werden. „Bei etwa 30 Hausübungen am Ende des Semesters habe ich einen guten Überblick auf die Leistung eines Schülers.“

Zentrale Kommunikation über Microsoft Teams

Seine Schule plant, den gesamten Datentransfer über die Lernplattform Microsoft Office zu spielen: „Wir werden wohl in der nächsten Konferenz beschließen, dass man die Kommunikation mit den Schüler/innen auf den Chat in Microsoft Teams verlagert – und mit den Eltern ins elektronische Klassenbuch.“ Der Vorteil für Lehrer/innen: Sie müssen nicht mehr auf verschiedenen Kanälen wie E-Mail oder Messenger kommunizieren, sondern alle Nachrichten finden sich gebündelt an einem Ort.

Was bedeutet das für die Datensicherheit? „Der Vertrag zwischen dem Bildungsministerium und Microsoft sichert, dass alle mit Microsoft erzeugten Daten in Europa bleiben. Daher müssen wir uns um den Datenschutz nicht sorgen“, meint Bauer. Was aber Microsoft mit den Daten mache, sei ein anderes Thema. Die Daten von LMS.at, dem anderen Lernmanagementsystem seiner Schule, liegen im Burgenland oder am Server vom Ministerium.

Generell haben seine Kollegen und Kolleginnen ein Bewusstsein für Online-Lernen gestärkt. „Wir müssen diesen Schub ausnützen und ein Fortbildungsprogramm schnüren, damit Online-Lernen auch stärker in den Schulalltag einfließen kann“, empfiehlt Bauer.

Außerdem verliere man in der nächsten Krise weniger Schüler/innen, wenn man jetzt im Präsenzunterricht die Online-Lernplattformen trainiert. Die wichtigste Voraussetzung für vernünftiges Arbeiten sei aber, dass auch alle Schüler/innen einen Computer besitzen. Und die Politik müsste sicherstellen, dass sich auch alle einen leisten können.

 

„Wir müssen lernschwache Schüler/innen jetzt zurückholen,
sonst verlieren wir sie im nächsten Jahr.“

Elke Friesacher, HAK Ungargasse, Wien, kaufmännische Fächer

Die HAK-Lehrerin Elke Friesacher wünscht sich für den analogen Unterricht, das Potenzial einer einzigen Plattform voll einzusetzen. Zum einen wäre es gut, wenn alle Lehrer/innen alle Klassen über eine einzige Plattform unterrichten könnten. Zum anderen möchte sie mit ihren Schülern alle Feinheiten von Microsoft Office 365 erforschen, sodass auch alle sicher im Umgang werden.

Was vom Online-Lernen bleibt: „Ich werde Microsoft Teams weiterhin als zentrale Plattform verwenden, um Aufgaben, Arbeitsmaterialien und Links bereitzustellen, die Abgabetermine zu steuern und Neuigkeiten zu kommunizieren.“

Auch den Lernraum von LERNEN WILL MEHR! will Friesacher verstärkt in ihre kaufmännischen Fächer integrieren: „Die Bücher bieten auch Single- oder Multiple-Choice-Tests, die ich den Schülern und Schülerinnen zur Selbstkontrolle anbieten werde. Die Schüler wissen dann genau, was sie wo zum Runterladen finden und stellen ihre Aufgaben dann wieder hoch“, meint Friesacher.

Zeit für komplexe Aufgaben

Zurück in der Schule freut sie sich aber auch, dass sie mit Schülerinnen und Schülern gemeinsam wieder komplexere Aufgaben entwickeln kann. „Die Kernkompetenzen der Schule sind: Denken, kritisches Hinterfragen und Zusammenhänge erkennen. Das alles ist für mich online bei weitem nicht so leicht umzusetzen, als wenn alle gemeinsam im Unterricht sitzen“, sagt Friesacher. In der Ausnahmesituation der vergangenen Wochen habe der Online-Unterricht aber gut funktioniert.

Die wichtigste Aufgabe der kommenden Monate: „Wir müssen lernschwache Schüler/innen jetzt zurückholen, sonst verlieren wir sie im nächsten Jahr.“ Wie man untergetauchte Schüler wieder zurück ins Boot holt? „Lehrer/innen sollten im Gespräch herausfinden, warum jene Schüler/innen im Online-Lernen schlecht abgeschnitten haben.“ Nicht alle Schüler wären faul gewesen, manchen habe die außerschulische Betreuung oder ein Computer gefehlt.

Und: „Man muss ihnen Materialien zum Nachlernen geben und eine Betreuung durch Lehrer/innen oder Schüler/innen“, wünscht sich Friesacher. Vor allem die letzten Juniwochen sollten vermehrt dazu genutzt werden, um den Stoff nachzulernen.

 

„Ich kopiere keine 34 Seiten eines Zeitungsartikels mehr,
sondern stelle ihn online, damit ihn jede/r runterladen kann.“

Thomas Heimhofer, Schumpeter BHAK Wien 13, Betriebswirtschaft

Welche Lehren hat HAK-Lehrer Thomas Heimhofer aus dem Online-Lernen gezogen? „Ich kopiere keine 34 Seiten eines Zeitungsartikels mehr, sondern stelle ihn ab jetzt auf Microsoft Teams, wo ihn jeder anschauen oder runterladen kann“, sagt Heimhofer. In der Schule könne er die Materialien vom Computer am Beamer herzeigen.

Nachdem einige Schüler im Online-Lernen ihre Hausaufgaben lieber gemeinsam lösten, sollen sie auch künftig Portfolios gemeinsam gestalten dürfen. Solche Gruppen- und Einzelarbeiten sollen nur mehr digital über Microsoft Teams abgewickelt werden.

Auch die digitalen BWL-Bücher aus dem Lernraum von LERNEN WILL MEHR! oder Quizze und interaktive Beispiele ließen sich gut im Präsenzunterricht einsetzen.

Was die Kommunikation angeht: „Die Schüler chatten untereinander auf WhatsApp. Wir haben vorher über E-Mail kommuniziert. Microsoft Teams könnte jetzt diese Chatfunktion übernehmen.“ So könnten Lehrer/innen auch alle Schüler/inen gleichzeitig informieren, wenn sich der Stundenplan ändert oder eine Exkursion ansteht. Die Smartphone-App benachrichtigt sie sogar, wenn Neuigkeiten auf der Plattform stehen.

Laptop-Klassen und Summer School

Ob ein neuer Trend zu Laptop-Klassen entstehen könnte? „Ich bin gespannt, Schüler entscheiden ja freiwillig, ob sie eine Laptop-Klasse wollen. In den meisten Klassen sitzen aber immer einige Kinder, die sich ihren Computer mit der großen Familie teilen müssen“, meint Heimhofer. Für den Online-Unterricht könne das funktionieren, aber im Präsenzunterricht müsste man nachrüsten.

Die große Herausforderung: Wie bringt man alle Schüler/innen wieder auf ein gemeinsames Niveau? Sein Plan: „Wenn im September wieder alle Schüler/innen in der Schule sitzen, erkläre und wiederhole ich den gesamten Stoff von März bis Juni“, sagt Heimhofer.

„Für mich wäre es vertretbar, wenn wir die Ferien um zwei Wochen kürzen, und in einer „Summer School“ den Stoff der letzten drei Monate wiederholen, um auch die Schwachen wieder zurückzuholen“. Er empfiehlt, eine solche „Summer School“ solle für alle mit Vierer oder Fünfer verpflichtend sein, für alle anderen freiwillig. „So haben alle eine echte Chance, auf dem gleichen Level mit anderen Schülern einzusteigen“.

 

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