Schule aktuell
HTL in Kärnten: Wie smart ist eine Smart Learning Klasse?
BMHS aktuell: Halbleiterhersteller Infineon sponsert alle Kärntner HTLs mit einer Smart Learning Klasse. Wir haben nachgefragt, wie die Pilotprojekte nach einem Jahr angelaufen sind und wie sehr die Schüler/innen heute smarter lernen.
Florian Wörgötter - 7. Oktober 2020
Industrie 4.0, Robotik, Internet of Things, Energietechnik oder E-Mobility: „Coole Themen“ wie diese möchte Halbleiterhersteller Infineon den Technik-Talenten an den Kärntner HTLs nahebringen. Daher unterstützt Infineon in Kooperation mit der Bildungsdirektion Kärnten seit dem Schuljahr 2019/20 vier HTLs mit einer Smart Learning Klasse.
„Wir stärken die wichtigen digitalen Kompetenzen beim Lernen und Unterrichten und zeigen, dass Technik spannend ist und mit modernen Methoden richtig Spaß macht“, erklärt Sabine Herlitschka, Vorstandsvorsitzende der Infineon Technologies Austria AG, das Ziel. In diesem Schuljahr startet auch die HTL Ferlach ihren neuen Fachbereich „Robotik & Smart Engineering“ als Infineon Smart Learning Klasse.
Wir haben bei der HTL Wolfsberg, HTL1 Klagenfurt Lastenstraße, HTL Klagenfurt Mössingerstraße und der HTL Villach nachgefragt, welches Fazit sie nach einem Jahr Smart Learning Klasse ziehen.
Smart Learning Klasse HTL Wolfsberg
Die HTL Wolfsberg zieht ein sehr positives Resümee nach dem ersten Jahr „Infineon Smart Learning Klasse“. „Dass Lehrkräfte und Schüler/innen Zugang zu den neuesten Techniken bekommen, hat einen weiteren Innovationsschub an der Schule initiiert“, sagt Direktor Jantschgi. Die Motivation der 2. Klasse Betriebsinformatik sei durch den permanenten Austausch mit Infineon, Besuchen und gemeinsamen Aktivitäten, enorm gesteigert worden. Denn: Die von der Industrie verwendete Hardware kann von den Schülern und Schülerinnen getestet werden; neue Lehrmaterialien und die Summer School hätten größeres Verständnis für das „Smarte“ gebracht.
Inwiefern sie auch smarter lernen als zuvor? „Neue Technologien, wie etwa Microsoft HoloLens, HTC, selbsterstellte Handy-Apps oder 3D-Druck, werden noch intensiver verwendet“, sagt Jantschgi. Im Smart Production Lab sind viele dieser Technologien zu einem Gesamtkonzept zusammengefügt worden, sodass die Schüler/innen eine Vielzahl an Anwendungsmöglichkeiten kennenlernen können. Unterschiedliche didaktische Methoden wie Prozessorientierung, selbstorganisiertes Lernen, Handlungsorientierung und Gamifikation werden dabei großgeschrieben.
Wie geht’s an der HTL Wolfsberg weiter mit der „Smart Learning Klasse“? Derzeit wird das Konzept des Smart Learnings räumlich in einem „Digitalisierungsraum“ umgesetzt. Dieser Raum wird vor allem zum Entwickeln und Testen neuer Hard- und Software im Bereich der Digitalisierung/Industrie 4.0 genutzt, aber auch zur Weiterentwicklung der Smart Production-Themen.
HTL1 Klagenfurt Lastenstraße
Die HTL1 Lastenstraße Klagenfurt geht einen Weg außerhalb der Werkstätte: „Unsere Smart Learning Klasse soll den Theorie-Unterricht stärken“, sagt Peter Grengl, Abteilungsvorstand für Mechatronik. „Denn in Labors und im Konstruktionsbereich arbeiten unsere Schüler/innen ohnehin mit PCs und modernsten digitalen Technologien“. Interessanter sei es, den „verstaubten Frontalunterricht zu einem Smart Lab mit digitalen didaktischen Methoden zu verändern, in dem Lehrende die Funktion des Coachs übernehmen“.
Im neugestalteten smarten Klassenraum sitzen die Schüler/innen nicht mehr in Reihen, sondern an Lerninseln mit großen Monitoren. „Infineon unterstützt uns – als Teilweise-Finanzierer – auch mit einem Smartboard, einer großen smarten Tafel, auf der Skripten, aber auch Stoff aus dem Internet präsentiert werden“. Zum Smart Learning gehört für Grengl auch Social Learning: Die Schüler/innen sollen sich auch wohlfühlen, daher dürfen eine Couch und Blumen nicht fehlen. Derzeit nutzt nur eine zweite Klasse den Smart Learning Raum. Grengls Ziel ist, dass nächstes Jahr hier auch Sprachen, Geographie oder Geschichte unterrichtet wird.
Sein Fazit zur Infineon Summer School: Die Workshops haben den Zweck, Themen aus der Industrie zu vermitteln – und nicht die Lehrkräfte didaktisch im Umgang mit smarten Technologien zu schulen. Thematisch gesehen wären Online-Workshops etwa zur „Virtual Factory“ schon eine „sehr spezielle Sache“. Dass sich Unternehmen mit Sponsoring in den Lehrplan von Schulen einbringen, sei in HTLs als Wirtschaftsbetriebe gängige Praxis.
HTL Mössingerstraße Klagenfurt
An der HTL Mössingerstraße in Klagenfurt stehen Digitalisierung und Individualisierung bereits seit Jahren am Lehrplan. „Durch die Kooperation mit Infineon und das verstärkte Bewusstsein für smartes Lernen konnten wir uns noch weiter verbessern“, sagt Harald Grünanger, Abteilungsvorstand Elektronik und Technische Informatik.
Kooperationen mit Unternehmen wie Infineon, aber auch Bitmovin, Kelag oder dynatrace seien hilfreich für die HTL. Denn Vorträge, Workshops, Exkursionen oder Praktika bereichern die Lehre mit dem aktuellen Stand der Technik, den eingesetzten Tools und Entwicklungsmethoden aus der Praxis.
Was sagen die Lehrenden der HTL Mössingerstraße zum Besuch der „Infineon Summer School“? „Beim Online-Vortrag ,Künstliche Intelligenz in der Halbleiter-Entwicklung‘ haben sie einen sehr guten Einblick in den State of the Art der Forschung und Industrie gewonnen“, sagt Grünanger. „Eine direkte Umsetzung im Unterricht wird jedoch eher schwierig, da die Themen doch sehr speziell sind.“
Die HTL Mössingerstraße plant demnächst einen Besuch bei Infineon zum Thema „Embedded Systems“ im Vertiefungsgegenstand Systems Engineering. „Infineon stellt seine Aktivitäten auf dem Gebiet vor und kann eventuell auch Unterrichtseinheiten gestalten“, so Grünanger. Weiters startet der erste Jahrgang das Projekt „mySmartDisplay“: Schüler/innen bauen einen Mikrocontroller mit RGB-LED-Streifen, den sie mit einer App über Bluetooth ansteuern. „Wir wollen die Schüler/innen individuell motivieren, indem sie früh diverse Werkstätten und Anwenderprogramme kennenlernen.“
Smart Learning Klasse HTL Villach
An der HTL Villach wurde die „Infineon Smart Learning Klasse“ an der Idee eines „Lernbüros“ ausgerichtet. Schülergruppen werden parallel von Lehrkräften gecoacht. „Smarter Lernen bedeutet auch, selbständiger zu arbeiten, sich in Teams zu organisieren und gemeinsam Aufgabenstellungen – teilweise gegenstandsübergreifend – zu erarbeiten“, erklärt Direktor Peter Kusstatscher das Arbeiten in sogenannten „Gegenstandsclustern“.
Die Umstellung des Lehr- und Lernparadigmas sei vor allem den Lehrenden schwergefallen. Die Schüler/innen hingegen hätten sich sehr schnell an die Kollaborationsplattform MS Teams – unterstützt durch Tools von Office 365 – gewöhnt. Daher war auch das Online-Lernen während der Schulschließung leicht zu bewältigen.
Als ersten Brückenschlag zwischen Theorie und Praxis nennt Kusstatscher das Projekt eines mit LEDs bestückten, blinkenden Weihnachtsbaumes. Der Sockel wurde mit einem 3D Drucker gefertigt. Ein Besuch auf dem Werksgelände von Infineon mit interaktivem Programm sei eine wichtige Inspiration für Schüler/innen, wie einmal ihr späteres Berufsumfeld aussehen könnte, sagt Kusstatscher. Auch die ersten Jahrgänge sind nun „Smart Learning Klassen“. Die Erfahrungen des ersten Jahres werden in die didaktische und technologische Gestaltung eingebunden.
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