Schwerpunkt: Medienkompetenz

Florian Scheuba: „Humor ist eine Naturgabe: Nicht jeder hat sie.“

Im Spezial Politik und Humor erklärt Investigativ-Kabarettist Florian Scheuba, was Satire der Jugend über Politik beibringen kann, warum seine Recherchen im Parlament landen und wie man auf Interventionen aus der Politik reagiert.

Florian Wörgötter - 14. Mai 2021

MEHR_wasjetzt_ florian scheuba ©Jan Frankl

Wer österreichische Politik beobachtet, sollte den Schmäh nicht verlieren. Im Spezial Politik und Humor haben wir einen Fachmann für beides interviewt: Der preisgekrönte Kabarettist Florian Scheuba erklärt seinen investigativen Zugang zur Satire.

Florian Scheuba ist der wohl investigativste Kabarettist des Landes. Als Autor und Darsteller schreibt er mit scharfer Klinge politische Satire im ORF („Dorfers Donnerstalk“, „Die 4 da“, „Wir Staatskünstler“). Als Kolumnist und Podcastmoderator landen seine Recherchen sogar als parlamentarische Anfragen in Untersuchungsausschüssen. Aktuell schreibt der Wiener mit David Schalko und Jan Böhmermann am Drehbuch eines Films über den Ibiza-Skandal.

Daher ist Florian Scheuba auch der richtige Informant für unseren Schwerpunkt „Politik und Humor“. Im Was jetzt-Interview erklärt das Gründungsmitglied der Hektiker, wie aus Satire auch Politik wird, wie ausgewogen Satire sein soll und warum Medienkompetenz ein eigenes Schulfach sein sollte.

Was jetzt: Florian Scheuba, woran erinnern Sie sich, wenn Sie an Ihre Schulzeit denken?

Florian Scheuba: Ohne die Schule wäre mein beruflicher Weg anders verlaufen. In der dritten Klasse Gymnasium hat mich mein Klassenvorstand animiert, mein erstes Kabarett in der „Schüler-Akademie“ aufzuführen. Das war ein Event, wo Schüler/innen zeigen konnten, was sie können. Aus dieser Partie sind dann die Hektiker entstanden, mit denen ich mit 16 Jahren zum ersten mal aufgetreten bin.

Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Sketch?

Meine erste Figur war Günter Tolar in der Quizsendung „Risiko“. Außerdem haben wir die ORF-Talksendung „Club 2“ parodiert und Loriot nachgespielt.

„Die Herausforderung politischer Satire: Menschen zum Lachen zu bringen, obwohl der Sachverhalt alles andere als komisch ist.“

Heute sind Sie politischer Kabarettist und unterhalten mit Kritik. Worauf legen Sie mehr Wert: auf Unterhaltung oder auf Kritik?

Das eine ist ohne das andere für mich nicht denkbar. So wie sich auch Weinliebhaber nicht zwischen Rotwein oder Weißwein entscheiden können. Wenn man politische Satire macht, geht es genau darum, Inhalte so zu bringen, dass man Leuten über den Unterhaltungseffekt etwas erzählt und vielleicht auch Neues eröffnet. Die Herausforderung politischer Satire ist, ein Programm so zu transportieren, dass es Menschen auch erreicht. Und: Dass man sie zum Lachen bringt, obwohl der Sachverhalt alles andere als komisch ist.

Sie wählen für Ihre Satire investigative Recherche, die wie kritischer Journalismus auch politische Ungereimtheiten aufdeckt. Will Ihre Satire Ungerechtes nur ans Tageslicht bringen? Oder will sie Ungerechtes auch zum Besseren verändern?

Diese Illusion hat man als Satiriker automatisch. Natürlich freut es einen, wenn man etwas bewirken kann. Aktuell sind zwei parlamentarische Anfragen beim Finanzminister gelandet, die auf meinen Recherchen basieren – eine von den NEOS, eine von der SPÖ.

Worum geht es in den parlamentarischen Anfragen?

Nach dem Urteil des Obersten Gerichtshofs 2017 wurde festgestellt, dass der Glücksspielkonzern Novomatic in den letzten Jahren illegales Glücksspiel betrieben hat. In Österreich muss man auch für illegales Glücksspiel Steuern zahlen, sogar deutlich mehr als für legales Glücksspiel. Das heißt, ab dem Zeitpunkt des OGH-Urteils schuldet Novomatic dem Staat geschätzte 300 Millionen Euro. Bis dato haben die Finanzminister der Republik Österreich – Hartwig Löger, Hans Jörg Schelling und Gernot Blümel – noch keine Zahlung verlangt.

Ist das noch Satire? Oder schon Politik?

Ich habe die Info zum ersten Mal in meinem Podcast gebracht und in meiner Kolumne. In diesem Fall ist die Satire dafür da, den Sachverhalt anschaulich zu erklären, damit auch ein komplexes OGH-Urteil leicht verstanden wird.

Immer wieder verwenden Politiker/innen Humor als Stilmittel in Reden. Ernsthaft: Welche Politiker/innen haben Sie schon zum Lachen gebracht?

Das passiert selten. Ein Michael Häupl hat immer wieder gute Sprüche geschoben. Auch Peter Pilz konnte ganz gut launig formulieren. Aber es ist doch eher ein Randphänomen, dass Politiker/innen freiwillig lustig sind – unfreiwillig ist was anderes.

„Humor ist eine Naturgabe wie Musikalität: Nicht jeder hat sie.“

Leider wird Satire mitunter von politischen Extremisten missbraucht. Etwa, wenn Heinz-Christian Strache den ORF-Anchorman Armin Wolf einen Lügner nennt und danach behauptet, das sei nur Satire gewesen. Doch Satire ohne einen Realitätsbezug ist reine Willkür.

Die Politik ist ein ernstes Geschäft. Wie wichtig schätzen Sie es für die Wirkung eines Politikers/einer Politikerin, dass er/sie Schmäh hat?

Das kommt darauf an. Ich glaube, es ist nie ein Fehler, Schmäh zu haben und dafür Verständnis zu zeigen. Doch Humor ist eine Naturgabe wie Musikalität: Nicht jeder hat sie. Ich glaube nicht, dass in der Politik übermäßig viele Menschen mit gutem Humor ausgestattet sind. Außerdem haben auch hier die sozialen Medien Verheerendes angerichtet. Die Gefahr ist groß, dass der Humor von Politiker/innen nicht verstanden oder absichtlich missverstanden wird, daher trauen sich die wenigsten auch lustig zu sein.

Warum sollten Politiker/innen öfter über sich selbst lachen?

Die Fähigkeit, über sich selbst lachen zu können, ist etwas Positives. Und ja, gerade Politiker/innen stehen unter ständigem Druck der öffentlichen Wahrnehmung und haben große Angst, Fehler zu machen. Schon aus diesem Grund wäre Selbstironie für sie eine gute Eigenschaft.

Was kann gute Satire jungen Menschen über die Politik beibringen?

Sie kann vieles erklären. Wenn etwa Jan Böhmermann in seiner TV-Satiresendung „ZDF Magazin Royale“ ein gewitztes Special über Österreich macht, dann erreicht das viele junge Menschen. Er recherchiert viel, bringt es auf den Punkt und legt sich mit durchaus relevanten Mächten an.

Auch US-Satiriker John Oliver erreicht die Jugend, weil er sehr gut erklären kann, didaktisches Können hat und durch seinen Witz auch Menschen anspricht, die sich mit diesen Themen prinzipiell nicht auseinander gesetzt hätten.

Als Robert Palfrader, Thomas Maurer und ich im Jahr 2011 die Abhörprotokolle von Karl Heinz Grasser und Walter Meischberger im überfüllten Audimax vorgelesen haben, sind junge Menschen bis zur U-Bahn Schlange gestanden. Wir konnten das komplexe Thema Wirtschaftskriminalität auf wenige Eckpunkte runterbrechen, sodass auch sie zum ersten Mal verstanden haben, worum es geht („Wo war mei Leistung?“). Das ist Aufklärung im besten Sinne.

Im Sinne der Medienkompetenz: Was sollten Jugendliche über Satire wissen, damit sie auch aus ihr lernen können?

Es gibt in Amerika Untersuchungen, dass gerade junge Menschen sich in erster Linie in Satire-Sendungen informieren. Das erhöht die Verantwortung für Satiriker, weil die Grenzen im Internet immer mehr verschwimmen. Daher finde ich, dass Medienkompetenz im Zeitalter der sozialen Medien ein eigenes Schulfach sein sollte.

„Medienkompetenz sollte im Zeitalter der sozialen Medien ein eigenes Schulfach sein.“

Wenn du heute ins Internet gehst, ist dort ORF.at gleichwertig mit dem vom russischen Staat finanzierten Russia Today. Junge Menschen können oftmals nicht von vornherein unterscheiden, was seriös recherchiert und was Propaganda ist. Mittlerweile bieten Werbeagenturen in Hülle und Fülle Propaganda-Programme an, die über Postings, Mails etc. laufen. Es ist ganz, ganz wichtig, junge Menschen darüber zu informieren.

Der deutsche TV-Satiriker Jan Böhmermann hat vergangene Woche dem Netzwerk von Sebastian Kurz eine Sondersendung gewidmet. Darin wurde eine ORF-interne Weisung an die Macher/innen von „Gute Nacht Österreich“ zitiert: „Satire muss ausgewogen sein“. Wie beurteilen Sie als erfahrener TV-Kabarettist diese Anforderung an Satire?

Eine Frechheit, die es bei uns nicht gegeben hätte. Wenn im ORF interveniert wurde, dann ist das meistens nicht zu uns durchgedrungen. Wenn man politische Satire macht, kommen einem sowieso alle Parteien unter. Das ist so, als würde man einem Koch sagen, er müsse alle Gewürze immer gleichzeitig einsetzen, sonst fühle sich ein Gewürz benachteiligt.

Hat sich jemals ein/e Politiker/in bei Ihnen gemeldet, dass sie zu scharf zu ihm/ihr waren?

Wenn, dann hört man es hinten rum. Klar wurde immer wieder versucht zu intervenieren. Bei „Die 4 da“ hat offensichtlich die Folge der „Landeshauptmann von Mittelösterreich“ dazu geführt, dass wir damals im ORF gekillt worden sind. In „Wir Staatskünstler“ haben wir mehr oder weniger aufgedeckt, dass es die Erwin Pröll-Stiftung nicht gibt. Da haben wir bemerkt, wie massiv beim ORF interveniert wurde, damit unsere Suche nach der Stiftung in St. Pölten nicht ausgestrahlt wird.

Wie haben Sie auf die Intervention reagiert?

Wir haben gesagt, kommt gar nicht in Frage, weil es relevant ist. Anders geht es auch nicht. Wenn du anfängst, Geschichten raus-intervenieren zu lassen, ist das der Tod der Satire.

Werden die Staatskünstler zum ORF zurückkehren?

Von uns aus jederzeit. Eine Aufzeichnung fürs Sommerkabarett ist geplant. Doch das wird es wohl gewesen sein. Zumindest vor der Intendantenwahl rechnen wir nicht damit (lacht). Aber es ist ein Armutszeugnis, dass es im ORF keine vergleichbare Satire zu Böhmermanns „ZDF Magazin Royale“ oder der „Heute Show“ mehr gibt. Das gehört zu einem öffentlich-rechtlichen Sender dazu.

Wie beurteilen Sie die kontrovers diskutierte Satire-Kampagne der Schauspieler/innen von #allesdichtmachen?

Auch Satire ist ein Handwerk, das man beherrschen muss. Als Satiriker haben wir uns manchmal gekränkt, wenn Leute der Meinung waren, wir seien keine richtigen Schauspieler/innen, sondern lediglich Kabarettisten und Kabarettistinnen. Nun hat man bei #allesdichtmachen gesehen, man kann auch an Satire scheitern. Meine Bitte an die Hinterleute der Aktion: Stop making famous people stupid!

„Auch Satire ist ein Handwerk, das man beherrschen muss – und an dem man auch scheitern kann.“

Haben auch Sie erlebt, dass Sie für Ihre Regierungskritik zu viel Applaus von der für Sie „falschen Seite“ bekommen haben?

Das geschieht automatisch. Wenn man sich kritisch mit einer Partei beschäftigt, findet es die andere Partei gut. So funktionert das auch im lustigen Wettstreit zwischen den Auswertungen der Handys von Heinz-Christian Strache und ÖBAG-Chef Thomas Schmid. Aber das ist irrelevant für mich.

Ist Ihnen persönlich im letzten Corona-Jahr das Lachen vergangen?

Es ist schon schwierig. Ich musste 140 Auftritte absagen, von denen wohl nur ein Bruchteil nachgeholt werden wird. Ich habe versucht, das mit meinem Podcast zu kompensieren, mit meiner Kolumne und einem Drehbuch, das ich für eine Verfilmung des Ibiza-Skandals schreibe.

Wann wird das Filmprojekt mit David Schalko und Jan Böhmermann realisiert?

Wenn alles gut geht, soll der Film über den Ibiza-Skandal im Herbst gedreht werden.

Umgekehrt gefragt: Was hat Sie seit dem ersten Lockdown am meisten zum Lachen gebracht?

Das Handy von ÖBAG-Chef Thomas Schmid ist eine fantastische Quelle. Da kannst du ganze Telenovelas daraus machen. Andreas Mölzer hat einmal gesagt, das Handy von HC Strache werde „leider“ noch Stoff für die nächsten zehn Jahre liefern. Gerade in unsicheren Zeiten ist das für einen Satiriker wie mich eine gute Absicherung.

Kabarett-Kollege Roland Dühringer ging selbst in die Politik. Wäre das Amt des Politikers für Sie denkbar?

Erstens ist das das abschreckendste Beispiel seit langem (lacht). Zweitens kommentiere ich zwar gerne Fußballspiele, halte es aber für eine schlechte Idee, mich selbst aufzustellen. Genauso wenig würde ich bei den Philharmonikern im Musikverein mitspielen, obwohl ich sie gerne live höre.

 

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