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Dänemark: Wo die Unternehmen mitreden

In Dänemark gestalten die Firmen den Lehrplan mit. Ganz generell setzt man in Skandinavien auf Individualisierung.  In Teil 3 unseres International-Schwerpunkts erfahren Sie, warum das vor allem der IT-Branche nutzt.

Von Manuela Tomic - 26. September 2018

 

In Dänemark wird ein Wort ganz groß geschrieben: Know-how. Und das zahlt sich aus: In kaum einem anderen Land der Welt sind die Löhne und Gehälter so gleichmäßig verteilt wie hier.

Das Hochlohnland setzt auf Innovation als wichtigsten Wirtschaftstreiber: egal, ob es um bargeldloses Bezahlen oder die Ausbildung geht. Verlage im Lernmediensektor haben sich in Dänemark längst auf Digital-only-Angebote spezialisiert.

Digitale Hausaufgaben

Ein Beispiel ist das Start-up Clio-online. Lehrerinnen und Lehrer können hier digital Hausaufgaben veröffentlichen, Kurse und Unterrichtspläne erstellen oder Lernfortschrittskontrollen durchführen.

Ein Redaktionsteam entwickelt in weiterer Folge bei Lehrplanänderungen neue Texte und Aktivitäten. Mit interaktiven Trainings und unterschiedlichen Schwierigkeitsstufen werden Schüler so beim Microlearning unterstützt. Auch in der Berufsausbildung setzen die Dänen auf Spezialisierung. Denn hier haben die Arbeitgeber das Sagen.

 

Das Alleinstellungsmerkmal

Individualisierung lautet das Credo im dänischen Berufsausbildungssystem. Während in Österreich unzählige Gesetze und Vorschriften regeln, was im Lehrplan steht, richten sich die dänischen berufsbildenden Schulen ganz nach den Wünschen der Unternehmer.

Diese sitzen sowohl im regionalen Berufsbildungsbeirat als auch in Fachbeiräten und sind sogar im Management der beruflichen Schulen vertreten. Dieses Engagement seitens der Arbeitgeber an der schulischen Ausbildung lässt sich in kaum einem anderen Land in dieser Form verorten.

Flexible Lehrpläne

Vor allem für spezialisierte IT-Berufe, die sich ständig im Wandel befinden, ist das von Vorteil. So können die Unternehmer Jahr für Jahr den Lehrplan aktualisieren und flexibel anpassen und sind nicht an Schulverordnungen und Lehrpläne des Ministeriums gebunden.

 

Das Schulsystem

Die Akademikerquote liegt im 5,7-Millionen-Einwohnerland mit 47,6 Prozent deutlich über dem OECD-Durchschnitt von 35 Prozent. Rund 30 Prozent der Akademiker schaffen es ein Jahr nach ihrem Abschluss nicht, einen Job zu bekommen.

Dem will die Regierung nun entgegentreten. Seit 2015 bemüht sie sich, die Zahl der Studienanfänger bis 2019 um sechs Prozent zu reduzieren. So wurden bereits 2015 an den Hochschulen knapp 900 Studienplätze gestrichen und die Berufsschulen reformiert. Das soll vor allem den Unternehmern helfen. Denn viele leiden seit Jahren unter akutem Fachkräftemangel.

Die berufsbildende Ausbildung dauert in Dänemark je nach Fach und Bildungseinrichtung zwischen einem und fünfeinhalb Jahren. Die Schülerinnen und Schüler verbringen ein Drittel der Ausbildung in der Schule und zwei Drittel im Ausbildungsbetrieb, mit dem sie einen Arbeitsvertrag haben.

Alternative Berufsausbildung

Die Ausbildung gliedert sich in zwei Phasen. Zuerst absolvieren die Schüler ein vollzeitschulisches Basisprogramm, das bis zu einem Jahr andauern kann, ähnlich dem Modell der polytechnischen Schulen in Österreich.

Alternativ dazu können sie aber auch ein einjähriges Praktikum in einem Unternehmen absolvieren, das sie ebenfalls zur nächsten Stufe, dem Hauptprogramm, qualifiziert. In der zweiten Phase, dem Hauptprogramm, arbeiten die Schüler dann im Betrieb und können sich so inhaltlich weiter in einer Fachrichtung spezialisieren.

Sie haben aber auch die Möglichkeit, die berufliche Ausbildung mit einer höheren Sekundärbildung zu kombinieren. Nach der abgeschlossenen Berufsausbildung sind sie dann berechtigt, ein berufsbezogenes Bachelorprogramm oder eine Berufsakademie zu besuchen.


Der Experten-Check

„Während in Österreich und Deutschland natürlich die Sozialpartner Einfluss auf die Lehrpläne nehmen, ist das in Dänemark systembedingt nicht so“, sagt Martin Stieger, Professor für Berufsbildung und Wirtschaftspädagogik an der Allensbach Hochschule.

Besser als der Schnitt

Dänemark sei bei der PISA-Studie seit 2006 in den Werten vor allem bei Naturwissenschaften, Mathematik und Lesen sehr stabil und besser als der OECD-Schnitt. Stieger sieht die Vorteile vor allem in den autonomen Regelungen. Diese würden Spielraum schaffen.

Wenn sich diese Regelungen, so wie im Fall von Dänemark, an anerkannten internationalen Standards orientieren und durch eine nachhaltige Qualitätssicherung abgesichert werden, bringt dieses System im Vergleich zu starren Richtlinien bessere Ergebnisse, so Stieger.

„Die Vorgabe eines Standards oder Ziels und Freiheiten auf dem Weg dorthin, sind in der Regel erfolgreicher als reine ‚Befehlstaktiken’, wo Weg und Ziel vorgegeben sind“, meint der Bildungsexperte.

 

Das sagt Louise Juhler

Louise Juhler besucht seit einem Jahr die Technische Schule in Kopenhagen und belegt den Zweig Werbetechnik. „Ich habe mich für diesen Zweig entschieden, weil man hier kreativ sein muss, mit den Ideen der Kunden arbeiten darf und das gesamte Projekt selbst zu Ende bringen kann“, sagt die Schülerin.

„Wenn ich in meinem Lehrbetrieb arbeite, dann bekomme ich Jobs aufgetragen und bin meist Teil der Endproduktion“, erzählt Juhler. „In der Schule lerne ich die ganze Theorie.“ Die strikte Aufteilung zwischen Theorie und Praxis findet die Schülerin an ihrer Ausbildung nicht so gut.

Sie wünscht sich vor allem eine bessere Verschmelzung der beiden Ausbildungsinhalte. Für die Zukunft hat die Dänin klare Ziele: „Ein eigenes Business zu haben, wäre nichts für mich. Wenn ich mit der Schule fertig bin, will ich eine Anstellung.“

 

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Ein Beitrag der Was jetzt Online-Redaktion.

 

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