Schwerpunkt

Pärchen, Pipi und Pistolen

Die Psychologie hält unzählige Studien und Forschungen zum Thema Entscheidungen bereit. Wir haben ein „Best of“ der etwas anderen Wahlforschung versammelt.

Von Stefan Schlögl - 20. März 2019

 

1. So viel muss sein

Wie viele Optionen sind ideal? Wann beginnt die Qual der Wahl? Diesen Fragen gingen Forscher der Universität Pompeu Fabra in Barcelona nach. Dabei wurden den Versuchsteilnehmern mehrere Geschenkboxen vorgelegt, die sich in Farbe und Form unterschieden.

Die Aufgabe lautete, aus einer bestimmten Auswahl eine Schachtel auszusuchen, um darin ein Präsent für einen Freund zu verpacken. Am Anfang konnte aus fünf Boxen gewählt werden, mit jeder Runde stieg die Zahl der Alternativen, zuerst auf zehn, dann auf 15, schließlich auf 30.

Das Ergebnis: Bei zehn Optionen waren die Probanden deutlich zufriedener als bei fünf. Doch bereits bei 15 Boxen sank die Entscheidungsfreude erheblich, bei 30 war sie nicht mehr vorhanden. Richtig zufrieden fühlen wir uns also bei einer Auswahl von fünf bis zehn Stück.

 

2. Volles Risiko

Sobald Stress im Spiel ist, neigen wir dazu, riskantere Entscheidungen zu treffen. Das ist das Ergebnis einer Studie an der Universität Guelph/Kanada.

Testpersonen waren Manager, also Angehörige einer Berufsgruppe, denen man gemeinhin Routine im Umgang mit Stress nachsagt. Tatsächlich neigten aber auch sie dazu, unter Druck riskanter zu entscheiden.

Das deswegen, schlussfolgern die Autoren, weil Stress für eine größere Distanz zu möglichen negativen und langfristigen Folgen führt. Das Geschlecht spielt hier übrigens keine Rolle: Männer und Frauen gehen unter Stress gleichermaßen ins Risiko.

 

3. Sturm und Drang

Etwas Druck kann bei der Entscheidungsfindung ganz gut sein – zumindest, wenn es um den Harndrang geht. Das zumindest legt eine Studie der niederländischen Universität in Twente nahe.

Dort wurde herausgefunden, dass sich die Pipi-Probanden mit voller Blase eher für langfristige Ziele entscheiden. Angeblich hat das mit der Impuls-Kontrolle zu tun: Wenn wir einen Reiz beherrschen, fällt es uns offenbar leichter, auch andere Impulse zu kontrollieren.

Das deckt sich zwar nicht mit der oft gehörten Aussage „Am Klo hab ich die besten Ideen“, aber die ist wissenschaftlich auch nicht belegt.

 

4. Schlaf gut

Dieser Rat kommt vor einer kniffligen Entscheidung so sicher wie das Amen in der Kirche: „Schlaf einfach drüber.“ Klingt wie ein Stehsatz aus Omis Mottenkiste – ist es aber nicht.

Denn gerade während der Schlafphasen kann sich unser Gehirn von Entscheidungsdruck und Dauer-Grübeleien erholen, alle Informationen des Tages einsortieren und neu verknüpfen. Der Rest kommt in den Abfall.

Schlaf ist erwiesenermaßen die Müllabfuhr fürs Gehirn. Von Unnützem befreit, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sich bereits vor dem ersten Kaffee am Morgen ein Heureka-Moment einstellt.

 

5. Peng!

Eine schwierige Entscheidung muss innerhalb von Sekunden fallen? Kein Problem. Hier hilft der sogenannte Pistolen-Test. Entwickelt hat ihn ein gewisser Bernie Roth, ein Uni-Professor der Universität Stanford.

Roth legte Studierenden, die sich nicht entscheiden konnten, einfach den ausgestreckten Zeigefinger auf die Brust und sagte: „Du hast 15 Sekunden Zeit für deine Entscheidung. Dann drücke ich ab.“

Die Herangehensweise mag zwar etwas endgültig wirken, dennoch schwört der Professor auf die psychologischen Effekte. Ziel der Clint-Eastwood-Nummer sei nämlich, überhaupt einmal eine Entscheidung zu treffen.

Es gehe vor allem darum, so Roth, mit dem „Gun Test“ Blockaden zu lösen, um einem zumindest das Gefühl zu geben, entscheidungsfähig zu sein. Achtung: Das könnte als didaktisches Mittel missverstanden werden.

 

6. Geld ist eine Lösung

Was gute und was schlechte Entscheidungen sind, darüber lässt sich trefflich streiten. Vor allem im Wirtschaftsleben, Stichwort: Hochfinanz.

Glaubt man jedoch einer Untersuchung eines Forscherteams der Universität Harvard, dann verbessern Zuzahlungen und Boni tatsächlich die Entscheidungsqualität der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, und zwar konkret deren Nachhaltigkeit.

Insgesamt, so die Autoren, werde die Motivation gesteigert, und Alternativen würden sorgfältiger geprüft werden. Von Dauer ist der Geld-Kick indes nicht. Andere Studien weisen nämlich darauf hin, dass der Effekt rasch verpufft, wenn die Boni nicht laufend erhöht werden.

 

7. Aufgestanden

Wer steht, entscheidet besser. Das ist das Ergebnis einer Studie an der LMU München. Dort ließ man Probanden in Testbüros arbeiten, sitzend am Schreibtisch, stehend an einer Pinnwand und an einem höhenverstellbaren Tisch.

Die Beobachtung des Arbeitsverhaltens ergab: Wer öfter im Stehen arbeitete, traf bessere Entscheidungen und hatte auch deutlich mehr Ideen als die Sitzenbleiber.

 

8. Wir glauben, sie glaubt, er glaubt

Jeder kennt das Problem: Pärchen-Urlaub. Doch bevor es einmal losgeht, muss erst über ein Reiseziel entschieden werden. Und da beginnen oft die Missverständnisse.

Die einen sehnen sich nach einem Aktiv-Urlaub, wollen aber die Kultur-Urlauber nicht vergraulen, die wiederum bei ihrer Wahl die mitreisenden Faulenzer-Urlauber berücksichtigen. Und schon finden sich alle an einem Ort, an den keiner wollte.

Dieses kollektive Herumgeglaube nennt sich Abilene-Paradoxon oder Projection Bias und wurde an der George-Washington- Universität (USA) beforscht. Die Hauptursache dafür: Schweigen wird fälschlicherweise oft als Zustimmung interpretiert.

Unser Tipp: Sagen Sie Ihre Meinung! Und ermuntern Sie andere zu einer ehrlichen Antwort. Dann klappt’s auch mit dem Pärchen-Urlaub.

 

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Ein Beitrag aus dem Was jetzt-Magazin, Ausgabe 2/18

 

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