Schwerpunkt: Vertrauen
Nachgefragt: Was Schüler und Lehrer zusammenhält
Im Mikrokosmos Schule begegnen einander die unterschiedlichsten Menschen. Das, was sie zusammenhält, ist nicht zuletzt Vertrauen. Eine Spurensuche in der HAK St. Pölten.
Von Christian Seidel und Christopher Mavric (Fotos) - 21. März 2018
Beate Sochurek, 61
Lehrerin für Mathematik, Geschichte, Politische Bildung.
Schulbibliothekarin und Abendschulkoordination
Wem vertrauen Sie – und warum?
Weitgehend mir selbst, weil ich mich kenne, zumindest halbwegs. Einigen Kollegen sehr, dem System weniger.
Warum kann man Ihnen vertrauen?
Ich bin ein gewissenhafter und zuverlässiger Mensch. Nicht hundertprozentig, das ist keiner. Aber ich bemühe mich, die an mich gestellten Erwartungen und Anforderungen zu erfüllen.
Wer vertraut Ihnen?
Meine Studierenden, hoffe ich. Sie vertrauen mir als Abendschulkoordinatorin, können zu mir kommen und Dinge besprechen, auch wenn sie privater Natur sind. Sie wissen, dass ich das nicht missbrauche.
In welcher Situation wurde Ihr Vertrauen enttäuscht?
Da stelle ich keine extrem hohen Anforderungen. Enttäuschung ist daher noch nie eingetreten.
Nicole Fried, 18
Abschlussklasse
Wem vertrauen Sie – und warum?
Ich vertraue meinen engsten Schulkameraden, weil ich weiß, wie sie ticken und wie sie sind. Ansonsten vertraue ich nur einer einzigen Lehrerin. Bei den anderen habe ich nicht das Gefühl, dass ich hingehen und ihnen etwas anvertrauen könnte.
Warum kann man Ihnen vertrauen?
Weil ich nie etwas weitererzählen würde. Das ist für mich das Wichtigste in der Freundschaft. Ich würde das selbst nicht machen. Und weil ich das berücksichtige, gehe ich davon aus, dass sich die anderen auch daran halten.
Wer vertraut Ihnen?
Meine Freunde, meine Familie. Das ist mir wichtig, und ich würde ihr Vertrauen auch nie missbrauchen.
In welcher Situation wurde Ihr Vertrauen enttäuscht?
Im Freundeskreis. Heute ist es schwer, jemanden zu finden, dem man vertrauen kann, weil es schlussendlich nur darum geht, wer den besten Klatsch und Tratsch hat und wer die meisten Freunde hat, mit denen er über etwas sprechen kann.
Aylin Kaya, 17
Abschlussklasse
Wem vertrauen Sie – und warum?
Meinen engsten Freunden, mit denen ich in die Klasse gehe, und den Lehrern natürlich. Haben wir einen öfters, dann vertraut man ihm auch mehr. Wenn ich ein Schulproblem hätte, würde ich zu den Lehrern gehen, zuerst aber zu meinen Freundinnen.
Warum kann man Ihnen vertrauen?
Man kann sich auf mich verlassen. Ich mache, was abgesprochen war.
Wer vertraut Ihnen?
Meine Lehrer und meine Freunde.
In welcher Situation wurde Ihr Vertrauen enttäuscht?
Wir waren mal auf einem Klassenausflug in Rom. Da gab es zwischen der Klasse und dem Lehrer ein Problem, weil er den Ausflug anders organisiert hatte, als wir uns das gewünscht haben.
Günter Schraik, 61
Schuldirektor
Wem vertrauen Sie – und warum?
Prinzipiell einmal jedem. Weil jeder einen Vertrauensvorschuss verdient.
Warum kann man Ihnen vertrauen?
Weil ich nur die Dinge zusage, die ich einhalten kann.
Wer vertraut Ihnen?
Das ist nur ein Gefühl, das man haben kann. Ich denke, die meisten Schüler und Lehrer.
In welcher Situation wurde Ihr Vertrauen enttäuscht?
Es gibt täglich Herausforderungen, man hat es ja mit Menschen zu tun. Und wenn man darauf vertraut, dass Regeln eingehalten werden, dann erlebt man manchmal kleinere Enttäuschungen. Aber es kommt selten vor, dass man sagt: „Ich bin sehr enttäuscht.“
Anna Morris, 17
3. Klasse Informationstechnologie, Klassensprecher-Stellvertreterin,
Schülersprecherin
Wem vertrauen Sie – und warum?
Den Sekretärinnen. Weil die unsere Kommunikationsstellen in der Schule sind. Mit denen arbeiten wir sehr viel zusammen.
Warum kann man Ihnen vertrauen?
Wenn mir jemand was erzählt, dann kann ich das diskret behandeln. Und ich bin jemand, zu dem Leute kommen können, wenn sie Ideen haben und etwas verändern wollen.
Wer vertraut Ihnen?
Meine Freunde, die Klassenkameraden und mein Schülervertretungsteam.
In welcher Situation wurde Ihr Vertrauen enttäuscht?
Irgendetwas wird es sicherlich mal gegeben haben, wo ich mir gedacht habe: „Das habe ich dir erzählt, und das hättest du für dich behalten sollen“. Aber das war nichts Dramatisches.
Shkurte Berisha, 18
Abschlussklasse
Wem vertrauen Sie – und warum?
Engen Freunden, meiner Familie und den Lehrern. Wenn man ein Problem hat, kann man zu ihnen gehen.
Warum kann man Ihnen vertrauen?
Weil ich von anderen Menschen erwarte, dass man ihnen vertrauen kann, und deswegen möchte ich auch so ein Mensch sein.
Wer vertraut Ihnen?
Meine engen Freunde und meine Familie. Und die Lehrer, zu denen man ein gutes Verhältnis aufbauen konnte.
In welcher Situation wurde Ihr Vertrauen enttäuscht?
Eher im Privaten. Hier in der Schule noch gar nicht, und das freut mich.
Sandra Strohmaier, 33
Schulsozialarbeiterin
Wem vertrauen Sie – und warum?
Ich vertraue den Menschen, die mit mir zusammenarbeiten, weil ich in den letzten zehn Jahren erfahren habe, dass es gut funktioniert, und ich immer wieder Bestätigung erfahren habe. Und ich vertraue mir selbst immer mehr.
Warum kann man Ihnen vertrauen?
Weil ein Grundsatz der Schulsozialarbeit die Vertraulichkeit ist und ich Dinge, die mit dem Arbeitsprozess nichts zu tun haben, nicht erwähnen oder nach außen geben darf.
Wer vertraut Ihnen?
Ich hoffe, die Menschen, für die ich arbeite und mit denen ich zusammenarbeite. Wenn ein Schüler, der in der ersten Klasse zu mir kommt, auch später in der vierten Klasse wieder mit mir das Gespräch sucht, dann ist das ein Vertrauensbeweis.
In welcher Situation wurde Ihr Vertrauen enttäuscht?
Wenn die Schulsozialarbeit nicht eingebunden wurde, obwohl es wichtig gewesen wäre.
Roland Wagner, 44
Schulwart, „Desperate Housemaster“
Wem vertrauen Sie – und warum?
Mein uneingeschränktes Vertrauen hat der Chef, weil es da nie Probleme gegeben hat. Ich glaube, dass jeder ein gewisses Urvertrauen mitbringt und solange das nicht ausgenutzt wird, wächst es.
Warum kann man Ihnen vertrauen?
Das ist Erziehungssache: nicht nur an das Schlechte denken, sondern ein Grundvertrauen an den Tag legen. Und das habe ich. Solange es nicht ausgenutzt oder enttäuscht wird, ist alles gut.
Wer vertraut Ihnen?
Die Direktion. Das ist über die Jahre gewachsen, jetzt bin ich zwölf Jahre dabei. Von den Schülern kann ich es nicht sagen, aber die Lehrer auf jeden Fall. Denn wir sitzen alle in einem Boot.
In welcher Situation wurde Ihr Vertrauen enttäuscht?
Da gibt es Schulveranstaltungen, für die hunderte Tische und Sessel aufgestellt werden, und jeder sagt: „Das räumen wir wieder weg.“ Und am Ende bleibt’s wieder an mir hängen. Das ist nichts Großes, aber das Vertrauen schwindet dann natürlich ein bisschen.
Maria Meindl, 60
Lehrerin für Französisch, Geschichte, Persönlichkeitsbildung und soziale Kompetenz
Wem vertrauen Sie – und warum?
Grundsätzlich vertraue ich allen Schülern, weil sie mit gutem Willen herkommen und etwas aus ihrem Leben machen wollen. Und ich erwarte, dass sie die Offenheit haben, unser Angebot hier anzunehmen. Ich vertraue auch den meisten Kollegen, wenn auch mit Einschränkungen. Es gab schon den ein oder anderen kleineren Vertrauensbruch.
Warum kann man Ihnen vertrauen?
Ich habe grundsätzlich ein positives Bild von anderen Menschen und glaube, dass ich das anderen auch vermitteln kann.
Wer vertraut Ihnen?
Mir vertrauen Kollegen, weil sie wissen, dass ich Ideen habe und sie umsetze. Schüler vertrauen mir auch, weil sie davon ausgehen können, dass das, was ich mache, einen Sinn für sie hat.
In welcher Situation wurde Ihr Vertrauen enttäuscht?
Für mich ist ein absoluter Vertrauensbruch, wenn sich jemand anders verhält, als wir das in unserem Leitbild definiert haben: also ein friedliches Miteinander und ein positives Menschenbild. Bei Schülern schmerzt es mich nicht wirklich, weil ich das für ein Berufsrisiko halte. Fehler darf man machen. Schlimmer finde ich es bei Erwachsenen.
Die Schule
Die BHAK und BHAS St. Pölten bietet mehrere Schwerpunkte, darunter Management und Controlling, internationale Wirtschaft, Informationstechnologie sowie Sport- und Eventmanagement. Daneben gibt es eine Abend-HAK für Berufstätige.
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Ein Beitrag aus dem Was jetzt-Magazin, Ausgabe 1/18