Schwerpunkt: Wandel
Menschen statt Ziffern
Noten versteht jeder. Meistens zumindest. Doch wie sieht modernes, individuelles Feedback aus? Vier Lehrerinnen und Lehrer erzählen, wie’s bei ihnen klappt.
Von Katharina Brunner - Fotos: Christopher Mavric - 11. Dezember 2019
Allwissenheit war einmal
Gabriele Lukesch unterrichtet kaufmännische Gegenstände mit Schwerpunkt Marketing und internationale Geschäftstätigkeiten an der HAK Horn.
Ein Paradigmenwechsel muss her, sagt Gabriele Lukesch. Eine Erkenntnis, die die Pädagogin in den Übungsfirmen an ihrer Schule gewonnen hat, dort, wo eigentlich die Schülerinnen und Schüler von ihr etwas lernen sollten.
Aber: „Ich bin nicht die, die das gesamte Wissen besitzt“, sagt die Lehrerin freimütig. Stattdessen bedürfe es mehr Respekts gegenüber den Ideen und neuen Blickwinkeln der Jugendlichen.
Als Lehrerin, findet sie, müsse man sich mehr zurücknehmen, schließlich sei es nicht ihr Lernprozess, sondern jener der Schülerinnen und Schüler. Vielmehr richtet Lukesch den Fokus darauf, sie dabei zu unterstützen.
Weniger Input, mehr Individualisierung lautet die Devise der Pädagogin, die für ihren anspruchsvollen Unterricht bekannt ist. Dass die Jugendlichen ihre Ergebnisse und Lösungen selbst beurteilen, gehört für Lukesch dazu. Dabei würden sie ihre Leistung tendenziell unterschätzen, weiß die HAK-Lehrerin aus den Feedbackgesprächen. Aber im persönlichen Austausch sei Raum dafür, die eigene Bewertung zu argumentieren und einzuordnen.
Denn sich selbst einschätzen zu können, das zählt für Gabriele Lukesch zu den wichtigsten Fähigkeiten überhaupt.
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Ansporn und Feingefühl
Thomas Perz unterrichtet Ingenieurbau und Wasserstruktur an der HTL Krems und ist Diplomingenieur für Wildbach- und Lawinenverbauung sowie Wasserbau.
Im eigenen Unternehmen, einem Ingenieurbüro, hält er die Hierarchien flach. Und so hält er es auch in der Schulklasse. Doch während er als Geschäftsführer vor allem inhaltliche Rückmeldungen und Fachwissen weitergibt, legt er im Unterricht zusätzlich Wert auf Charakterbildung. Als Chef sei man genauso Vorbild wie als Lehrer, sagt Perz.
Für den Pädagogen sind Noten ein wichtiger Teil der Beurteilung, entscheidend dabei sei aber Transparenz. „So wie man in der Privatwirtschaft am Ende des Monats wissen muss, was die Finanzen sagen, muss man als Schülerin oder Schüler wissen, welche Note am Ende des Jahres im Zeugnis steht.“ Dennoch seien Noten nur ein Teil des Feedbacks, wesentlich sei Kommunikation und persönlicher Austausch.
Dabei versucht Perz die Balance zu halten: Nicht ständig Fehler in den Mittelpunkt zu rücken, aber auch nicht andauernd Lob auszusprechen. In seinen Gesprächen auf die individuellen Bedürfnisse einzugehen, das ist dem HTL-Lehrer wichtig.
Der eine brauche eben Ansporn und Ermutigung, der andere mehr Rücksicht und Feingefühl, weiß Thomas Perz. Und: Mit jedem Feedback wachse die Beziehung zu den Schülerinnen und Schülern.
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Feedback muss gut schmecken
Lisa Müller unterrichtet Bildnerische Erziehung und Englisch an der Mittelschule und am Polytechnikum Schöffelschule Purkersdorf.
Vielleicht wegen ihrer Leidenschaft für die englische Sprache greift Lisa Müller beim Begriff Feedback auf seine wortwörtliche Übersetzung zurück: „Man füttert sozusagen etwas zurück. Und wenn ich das mit einer warmen Mahlzeit vergleiche, dann hat das nur Sinn, wenn es schmeckt.“
Das Wichtigste sei, Schülerinnen und Schüler dort abzuholen, wo sie stehen, meint die 24-Jährige. Verbal Feedback zu geben, sei die für sie beste Methode, und zwar über das ganze Schuljahr hinweg. Nach mündlichen Präsentationen gibt die Pädagogin auch schriftliche Rückmeldungen, wobei immer gilt: Stärken sollen gestärkt und Schwächen geschwächt werden.
Und dabei habe die Mitarbeit in der Klasse viel mehr Gewicht als die Hausaufgaben. Schließlich, davon ist die Pädagogin überzeugt, gebe es für die Kinder und Jugendlichen im unmittelbaren Austausch ungleich mehr Chancen zu zeigen, was man kann und vor allem: beherrscht.
Seit Lisa Müller vor zwei Jahren in den Beruf eingestiegen ist, beschäftigt sie sich nicht zuletzt damit, wie sie als Lehrerin in der Klasse auftritt. Denn am Ende sei nicht zuletzt die eigene Persönlichkeit dafür ausschlaggebend, wie gut Schülerinnen und Schüler lernen.
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Mehr Coach als Lehrerin
Astrid Silbert unterrichtet Englisch und Französisch an der HAK Favoriten in Wien.
Astrid Silbert erzählt ruhig, mit einem respektvollen Unterton in der Stimme. Der ist gewissermaßen der Kammerton für ihre Rückmeldungen, die sie im Unterricht gibt. Dabei geht es ihr nicht nur um das Was, sondern vor allem um das Wie.
Und: „Gutes Feedback ist persönlich“, erzählt die Lehrerin, nicht zuletzt beim kooperativen und offenen Lernen in Kleingruppen, das an der HAK in einem Aufbaulehrgang angeboten wird. Durch die Fragen und Rückmeldungen in diesen COOL-Klassen sei sie von der klassischen Lehrerin zum Coach geworden. Vertrauen sei hier wichtig, meint Silbert, schließlich passiere hier Kommunikation im Wechselspiel mit den Schülerinnen und Schülern.
Traditionelle Unterrichtsformen, davon ist die HAK-Lehrerin mittlerweile überzeugt, gäben den Lernenden nicht mehr das, was sie wirklich brauchen. Ganz ohne Noten zu bewerten, sei für sie übrigens vorstellbar.
Nicht unwichtiger Nachsatz: Aber zuvor müsse sich das ganze System ändern, denn derzeit baue die universitäre Ausbildung, aber auch die Beurteilung in vielen Jobs darauf auf. Bis dahin versucht sie, Noten in ihrem Unterricht innerhalb des rechtlichen Rahmens so wenig Gewicht wie möglich zu geben.
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Ein Beitrag aus dem Was jetzt-Magazin, Ausgabe 2/19.