Schwerpunkt
Ein Traum in Lack und Leder
Den gläsernen Kunden gibt es längst. Nur haben wir das bislang nicht gemerkt. Was alles unsere Kaufentscheidungen beeinflussen kann, zeigt das Beispiel Autokauf.
Von Stefan Schlögl - 27. März 2019
Willkommen in unserem Schauraum! Gleißend helles Licht lässt den Lack der Autos funkeln, das stimuliert Ihre Emotionen. Ihre Nase nimmt eine verheißungsvolle Mischung aus Neuwagen-Odeur und nussigen Lederduftnoten auf.
Sie sehen sich ein wenig um, ein guter Verkäufer wird Sie ein wenig gustieren lassen. Schließlich sollen Sie ankommen, sich entspannen, das Gefühl einsickern lassen, ein souveräner Kunde zu sein.
Denn allein daran, wie Sie sich bewegen und verhalten, lässt sich ablesen, welcher Käufertyp Sie sind. Ein guter Händler nutzt also die Zeit, um Sie ein wenig zu vermessen.
Wenn Sie gleich alle Türen öffnen, ausgiebige Sitzproben nehmen und durch den Bordcomputer switchen, sind Sie ein sogenannter „roter Kunde“. Dominant, entscheidungsfreudig, optimal vorbereitet. Bei einem Kauf fackeln Sie nicht lange.
Der Händler weiß: Sie textet man nicht mit Marketingsprech zu, Sie wollen knackige Informationen – und ein selbstbewusstes Gegenüber.
Ein „gelber Kunde“ wären Sie, wenn Ihnen technische Details eher gleichgültig sind. Sie denken weniger sachorientiert, wollen mit Ihrem neuen Auto vor allem Spaß haben und suchen beim Verkäufer vor allem nach Anerkennung und nach der Bestätigung für Ihre Entscheidung.
„Dieser Deal wird – so zumindest Ihr Gefühl – ein Geschäft unter Freunden sein.“
Floskeln wie „absolut neu“, „wirklich toll“, „unser beliebtestes Modell“ hören Sie besonders gern. Wenn Ihr erster Satz jedoch „Mit dem letzten Auto war ich zufrieden, so einen hätte ich wieder gern“ lautet, sind Sie wahrscheinlich ein „grüner Kunde“. Superlative und Werbesprech mögen Sie nicht.
Eigentlich wollen Sie bloß das gleiche Auto, nur in neu. Entscheidungen, das erkennt Ihr Gegenüber relativ rasch, sind nicht Ihre Sache, und alleine treffen Sie die schon gar nicht. Also wird er versuchen, herauszufinden, wer diese Mitentscheider sind.
Die Gattin? Vati? Der Arbeitskollege? Personen, die der Händler noch einladen wird, wenn es darum geht, den Deal perfekt zu machen. Und dieser Deal wird – so zumindest Ihr Gefühl – ein Geschäft unter Freunden sein.
„Alle Entscheidungen im Laufe des Verkaufsgesprächs werden nun darauf abgestimmt, welcher dieser Kundentypen Sie sind.“
Wenn Sie jedoch mit einem Packen Prospekten, Maßband und Kostenvoranschlägen auftauchen, ist dem Händler klar: ein „blauer Kunde“. Hier will einer Zahlen, Daten, Fakten und keine kurzweiligen Anekdoten.
Und er geht schon einmal davon aus, dass Sie Zeit für ausgiebige Vergleiche brauchen und Ihre Wahl noch überschlafen wollen. Momentan zählt nur: keine übertriebene Freundlichkeit an den Tag zu legen, Kompetenz auszustrahlen und fleißig Informationen abzuliefern.
Alle weiteren Entscheidungen im Laufe des Verkaufsgesprächs werden nun darauf abgestimmt, welcher dieser Kundentypen Sie sind. Gleichzeitig greifen sorgsam ausgewählte Mechanismen, um den Verkaufspreis ein wenig nach oben zu kitzeln.
„Begründungen, ganz gleich wie hanebüchen sie sind, schaffen automatisch Vertrauen.“
Die Klimaanlage ist leider nur im deutlich teureren Ausstattungspaket „Safety“ inkludiert, aber dafür gibt’s zusätzlich alle Airbags und einen Abstandstempomaten? Tja. Aber Sicherheit ist doch gut, Sicherheit darf einem etwas wert sein. Mit diesen Argumenten wird Ihnen der Verkäufer die Zusatzinvestition schmackhaft machen.
Denn Begründungen, ganz gleich wie hanebüchen sie sind, schaffen automatisch Vertrauen. Beispiel: Ein „Können Sie mich vorlassen?“ wirkt an einer Supermarktkassa einfach anders als ein „Können Sie mich vorlassen, ich habe einen Termin.“ Spüren Sie den Unterschied? Und das trotz einer ziemlich diffusen Begründung?
Schön langsam biegen wir Richtung Kaufvertrag ab: Aufpreislisten werden hervorgeholt, die ideale Spielwiese, um den Vergleichbarkeitstrick anzuwenden.
Wer 25.000 Euro für ein Auto ausgibt, für den wirken 400 Euro für das bessere Radio und 200 Euro für einen anderen Sitzbezug wie Peanuts. Rasch sind Relationen außer Dienst gestellt und einige Features angekreuzt. Das freut den Verkäufer.
„Wer 25.000 Euro für ein Auto ausgibt, für den wirken 400 Euro für das bessere Radio wie Peanuts.“
Mit dem sogenannten Authority-Bias lässt sich auch trefflich arbeiten, zumindest beim „roten“, dem Ego-Käufer, aber auch beim grünen, dem Kumpel-Kunden.
„Das gleiche Modell hab ich gestern an einen Rechtsanwalt verkauft.“ So ein Satz ist für Ersteren eine Bestätigung des eigenen Status, Zweiterer fühlt sich bei seiner Wahl von einer Autorität bestärkt.
Für den richtigen Kick bei der Entscheidungsfindung sorgen schließlich Rabatte. Zehn Prozent Nachlass? Top-Deal! Nur eben für den Händler, weil der genau weiß, wie groß seine Spanne ist, und er noch ein paar Hebel hat, etwa den Eintauschwert Ihres Gebrauchten.
Und einen zusätzlichen Beschleuniger gäbe es auch noch: die gute alte Verknappung: „Den Rabatt kann ich Ihnen leider nur heute im Rahmen einer Aktion bieten“ oder „Das Modell läuft demnächst aus, da kann ich beim Preis schon was machen. Die Frage ist aber, ob es nächste Woche noch lieferbar ist.“
„Zehn Prozent Nachlass? Top-Deal! Nur eben für den Händler, weil der genau weiß, wie groß seine Spanne ist.“
Sanften Entscheidungsdruck, rasche Befriedigung des Kaufimpulses und satte Rabatte: Das vereinen nicht zuletzt die „Aussteller“ im Schauraum. 30 Prozent Nachlass, dazu Gratiswinterräder und die Verheißung, mit dem Traumwagen sofort vom Hof fahren zu können, klingen natürlich gut.
Doch zuvor sollte ein Blick in die Ausstattungsliste des Wagens geworfen werden. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass dort Extras auftauchen, die Sie regulär niemals bestellen würden – was dann auch den Preisnachlass relativiert.
„Sitzpolster mitnehmen nicht vergessen.“
Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle erwähnt, dass diese kleineren und größeren Verkaufstricks in Variationen von allen eingesetzt werden. Vom Elektrogroßmarkt bis zum Fertighausanbieter.
Aber auch Sie als Kunde können zumindest einen kleinen, von einer Studie belegten Trick anwenden: Verhandelt man mit einem Verkäufer über einen Preisnachlass, gewährt dieser eher einen geringeren Rabatt, wenn er während des Gesprächs auf einem harten Stuhl sitzt.
Beim nächsten Autokauf also: Sitzpolster mitnehmen nicht vergessen.
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Ein Beitrag aus dem Was jetzt-Magazin, Ausgabe 2/18