Schwerpunkt
Berufsbildung in der Schweiz: Drei gewinnt!
In der Schweiz arbeiten bei der beruflichen Ausbildung Bund, Kantone und Unternehmen eng zusammen. Dabei hat jeder seine Aufgaben. Ein echtes Erfolgsmodell, wie Teil acht unseres International-Schwerpunkts zeigt.
Von Manuela Tomic - 31. Oktober 2018
Die Schweiz zählt zu den wohlhabendsten Ländern der Welt. Mit ihrem Brutto-Inlandsprodukt (BIP) pro Einwohner, 2017 betrug es rund 70.000 Euro, belegt unser Nachbar weltweit den Top-fünf-Platz.
Nach der Pharmaindustrie gehört die Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie zu den wichtigsten Branchen. Allein die Uhrenhersteller exportierten vergangenes Jahr Chronographen im Wert von 16,7 Milliarden Euro. Aber auch die Schweizer Berufsausbildung ist ein beliebtes „Exportgut“.
Längst blicken Länder wie Singapur, Brasilien oder Südafrika auf das 8,3-Millionen-Einwohner-Land und adaptieren einige der Bildungsansätze in ihr jeweiliges Ausbildungssystem.
Die niedrige Jugendarbeitslosigkeit von etwa 3,1 Prozent im vergangenen Jahr gibt dem Schweizer Bildungssystem Recht. Dabei punktet das Land vor allem mit einer klaren Linie in der Organisation.
Das Alleinstellungsmerkmal
Mit den Landes- und Amtssprachen Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch und ihren 26 Kantonen verfügt die Schweiz über ein breites sprachliches und kulturelles Angebot. Eine schier unüberschaubare Vielfalt, die das eidgenössische Berufsbildungssystem zumindest auf den ersten Blick vor eine Herausforderung stellen könnte.
Tatsächlich aber ist die Schweiz ein gutes Beispiel dafür, wie man die duale Berufsausbildung erfolgreich zentralisiert. Denn hier arbeiten Bund, Kantone und Organisationen der Arbeitswelt, also Berufsverbände, Sozialpartner und Unternehmen eng zusammen, um das bestmögliche Ausbildungssystem zu garantieren. Dabei hat jeder seine Zuständigkeiten.
Bund regelt langfristige Strategie
Der Bund ist für die Qualitätssicherung, die entsprechenden Gesetze, für die Vergleichbarkeit der Angebote oder für die Anerkennung von Bildungslehrgängen verantwortlich. Er regelt die langfristigen Strategien und beteiligt sich an der Finanzierung des Ausbildungssystems.
Den Kantonen hingegen kommt eine Art Kontrollfunktion zu: Sie haben die Aufsicht über die Lehrverhältnisse an den Berufs- und höheren Fachschulen, erteilen Bildungsbewilligungen für die Betriebe und vollziehen das Berufsbildungsgesetz.
Unternehmen definieren Inhalte
Die Sozialpartner, Verbände und Unternehmen definieren die Inhalte der beruflichen Grundbildung und der höheren Fachschulen, entwickeln neue Lehrangebote und stellen Ausbildungsplätze zur Verfügung.
Nicht zuletzt diese Dreier-Kombination macht die Schweiz zu einem erfolgreichen Land in Sachen Berufsausbildung.
Das Schulsystem
Zwei Drittel der Jugendlichen in der Schweiz entscheiden sich für eine drei- bis vierjährige berufliche Grundbildung. Dabei stehen für sie rund 230 Berufe zur Auswahl.
Neben der dualen Ausbildung in einem Betrieb kann eine berufliche Grundbildung auch in einer Lehrwerkstätte oder einer Handelsmittelschule absolviert werden. Diese Angebote sind verschulter als die Ausbildung in einem Betrieb.
Berufsbildung in mehreren Stufen
Die höhere Berufsbildung baut auf der beruflichen Grundbildung auf und dauert ein bis zwei Jahre. Hier werden weiterführende, spezialisierte Qualifikationen auf der Tertiärstufe vermittelt.
Die Berufsmaturität hingegen steht parallel zur beruflichen Grundbildung. Sie öffnet nach drei- bis vierjähriger Dauer und mit einer erweiterten Allgemeinbildung den Weg an die Fachhochschule. Mit einer Ergänzungsprüfung ist auch ein Studium an einer Universität oder Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) möglich.
Der Experten-Check
„Die Schweiz hat realisiert, dass es die Steuerung aus einer Hand braucht“, erklärt Felix Rauner, emeritierter Professor und Bildungsforscher an der Universität Bremen.
„1999 hat die Schweiz dem Bund die Kompetenz zur Steuerung der beruflichen Bildung übertragen“, sagt Rauner. Das sei ein großer Schritt gewesen. Aber nur so sei es der föderalen Schweiz gelungen, die Bildung und die Curricula zu vereinheitlichen und qualitativ auch messbar zu machen, erklärt der Uni-Professor.
Der zweite erfolgsbringende Faktor liegt für Rauner im Aufbau der Berufsbildung. „In Deutschland oder Österreich bauen die berufsbildenden Studiengänge nicht direkt auf der dualen Erstausbildung auf.“
Schlankes Modell
In der Schweiz hingegen müsse man eine duale Berufsausbildung und ein berufliches Abitur erworben haben, um an einer Fachhochschule aufgenommen zu werden. Die Ebenen bauen gezielt aufeinander auf und das mache ihre Attraktivität aus, sagt Rauner.
Der dritte Punkt sei die Spezialisierung. „In Deutschland gibt es über 340 Berufe und bis zu 1.000 Spezialisierungen und Unterkategorien, weil die Berufe immer stärker ausdifferenziert wurden, die Schweiz hat sich hingegen gehütet, neue Berufe zu definieren und ist bei einem schlanken und übersichtlichen Modell geblieben.“
Außerdem sei die Lernort-Kooperation in der Schweiz vorbildlich. Die Schulen achten also darauf, in ihrer Region nur die Berufsausbildungen anzubieten, die tatsächlich gebraucht werden.
Das sagt Susanne Grossenbacher
Die Lehrerin unterrichtet an der Gartenbauschule Hünibach, einer anerkannten Lehrwerkstätte für 50 Lernende im Kanton Bern. Die Ausbildung an ihrer Schule dauert drei Jahre. Ihre Fächer sind Allgemeinbildung und Sport.
„Die breite Ausbildung, nicht nur in der Berufskunde, sondern auch in der Allgemeinbildung mit allen Aspekten, wie Recht, Wirtschaft, Ethik, Soziologie oder Politik, gefallen mir an unseren berufsbildenden Schulen in der Schweiz sehr gut“, sagt die Pädagogin.
Verbesserungsbedarf sehe sie vor allem bei den Lehrwerkstätten. Diese sollten weiter gefördert werden, weil sie auch Teil eines schulisch organisierten Angebots sind und damit ein breites Bildungsangebot ermöglichen. Damit, ist Grossenbacher überzeugt, könne auch weiterhin eine enge Verflechtung von Theorie und Praxis garantiert werden.
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Wie machen das die anderen?
Ein Beitrag der Was jetzt-Redaktion.