HÖLZEL VERLAG

WissenPlus: Wie der Ethikunterricht noch besser gelingen kann

Ethik: Dieses WissenPlus stellt Dr. Bruno Posods Konzept der prozessethischen Didaktik vor. Im Schulunterricht soll es ethische Reflexionsprozesse anregen und begleiten – mit Emotionsspeeddating und einer Vorstellrunde.

Dr. Bruno Posod - 9. März 2023

Seit dem Schuljahr 2021/22 ist Ethik in Österreich als Pflichtfach ab der Sekundarstufe II für alle Schüler/innen vorgesehen, die nicht am konfessionellen Religionsunterricht teilnehmen. Auf der Webseite des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung wird auf Folgendes hingewiesen:

„Der Ethikunterricht ist den grundlegenden Menschen- und Freiheitsrechten verpflichtet. Er zielt auf selbständiges begründetes Argumentieren und Reflektieren in Fragen der Ethik und Moral ab und soll Schülerinnen und Schüler zu gelingender Lebensgestaltung befähigen, ihnen Orientierungshilfen geben und sie zur fundierten Auseinandersetzung mit den Grundfragen des Lebens anleiten.

In der Auseinandersetzung mit unterschiedlichen philosophischen, weltanschaulichen, kulturellen und religiösen Traditionen und Menschenbildern soll der Ethikunterricht einen Beitrag zur individuellen Persönlichkeitsentwicklung leisten. Hierbei soll die Bereitschaft gestärkt werden, Verantwortung für das eigene Leben und das Zusammenleben mit anderen in sozialen, ökologischen, ökonomischen, politischen und kulturellen Verhältnissen zu übernehmen. Der Ethikunterricht bestärkt die Schülerinnen und Schüler, eigene Krisenerfahrungen aufzugreifen und sich im autonomen Handeln als selbstwirksam zu erfahren. Die Schülerinnen und Schüler sollen im Ethikunterricht auch maturieren können.“

In diesem WissenPlus-Beitrag wird ein neues Konzept vor allem für den Ethikunterricht in der Sekundarstufe II vorgestellt. Es beinhaltet viele unterrichtspraktische Hinweise. Die prozessethische Didaktik soll ganz im Sinne der Ziele im Lehrplan ethische Reflexionsprozesse im Kontext von Schule anregen und begleiten.

Didaktische Tipps und Hinweise

Inhalte/Themen: Sie ergeben sich situativ. Auf jeden Fall werden die mitgebrachten Ant­worten der Jugendlichen auf ethisch-morali­sche Fragen er­hoben und hinterfragt. Es erfolgt auch eine begleitete Antwortfin­dung.

Zwecke/Ziele: Das selbstständige Denken wird geweckt bzw. gefördert. So wird das Ur­teilsvermögen erweitert. Durch ein vertieftes Selbst- und Fremdverständnis wächst die Fä­higkeit, mit intra- und interindividuellen Differenzen besser zurechtzukommen.

Methoden: Zentral ist der Dialog zwischen Jugendlichen sowie zwischen der Lehrkraft und den Jugendlichen, wobei die Lehrkraft so weit wie möglich in der Fragehaltung bleibt. In­halte wer­den von ihrer Seite nur eingebracht, um aufzuklären, zu informieren und Sicht­weisen zu erweitern. Die Begleitung ist aber viel wichtiger als der Vortrag. Der Redeanteil der Lehrkraft fällt tendenziell geringer aus als der der Jugendlichen. Sie lässt u.a. Pausen zu und kann schweigen. Zur Gesprächsleitung ge­hört auch, dass die Lehrkraft sich mit eige­nen Wer­tungen grundsätzlich zurückhält. Wich­tig ist auch, sich bewusst zu sein, dass Fra­gen ma­nipulative Wirkung haben, insofern sie die Aufmerk­samkeit der Befragten ein­schränken. Sie sind aber legitim, wenn sie die Reflexi­on der Her­anwachsenden ermögli­chen, ihr nicht im Weg stehen. Weitere Metho­den sind das Sich-Vorstellen in der dritten Person und das Emotionsspeeddating als Alleinstellungsmerk­mal.

Auszug aus dem Beitrag

Ein Vorschlag für die Gestaltung der ersten Unterrichtsstunden

Aufgrund meiner Er­fahrung im Wahlpflichtfach und Modulsystem würde ich die ersten Unter­richtsstunden wie folgt gestalten: 1) Da anzunehmen ist, dass die Jugendlichen aus ver­schiedenen Klassen bzw. sogar Jahrgän­gen stammen und voneinander oft wenig bis gar nichts wis­sen, würde ich mit Übungen zum einander Kennenler­nen beginnen, z.B. Vor­stellrunde in der dritten Per­son. Ablauf: Man begibt sich hinter seinen Sessel und stellt die Person vor, die vor ei­nem sitzt, also sich selbst. Die anderen hören nur zu und stellen danach Fragen zur prä­sentierten Person, die ebenfalls in der dritten Person beantwortet werden. Jede Frage werden die Jugendlichen wohl nicht beantworten wollen. Das müssen sie auch nicht, denn sie präsentieren ja eine „andere“ Person, von der sie nur „beschränkt“ über In­formationen verfügen. Aber üblicherweise er­fahren sie dennoch viel Neues vonein­ander.

Eine weitere Möglich­keit wäre das Emoti­onsspeeddating. Diese Übung ist vom Speedda­ting abgeleitet. Ablauf: Die Jugendlichen präsentie­ren ihrem je­weiligen Gegen­über in je­weils vier Minuten zuvor indivi­duell notierte Antworten auf zumindest einige der folgenden Fra­gen. „Was freut mich?“, „Was macht mich zornig?“, „Was macht mich traurig?“ „Wo­vor habe ich Angst?“ Das Ge­genüber hört nur zu, stellt höchs­tens Verständ­nisfragen. Da­nach kommt die andere Person vier Minuten lang dran. […] Ab­schließend findet ein Gespräch über die Erfah­rungen statt. Die­ser Ab­lauf versteht sich als Vorschlag, ist aber oft erprobt. Abänderun­gen, z.B. bezüglich der zu erörternden Emo­tionen oder der Personenauswahl, sind den­noch möglich.

 

Gesamter Beitrag für den Unterricht

Den gesamten Beitrag zum Download finden Sie als angemeldete Lehrperson im Online-Lehrerzimmer unter WissenPlus.

Weitere Beiträge von Dr. Bruno Posod rund um Ethik, Philosophie und Anthropologie finden Sie auf seiner Webseite.

Ein Blick in unsere Bücher

Der Hölzel Verlag führt Ethik-Schulbücher für AHS, BHS und BMS in seinem Portfolio. Sie beinhalten Lerninhalte und Fragestellungen rund um Normen und Werte, soziale Beziehungen, Liebe und Wertschätzung, Glück, verschiedene Religionen, Menschenrechte, Tierrechte, Bioethik, Umweltethik und Medienethik. Im Anhang jedes Buches findet man methodische Inputs zur Unterrichtsgestaltung und ein Glossar.

 

Hoelzel Journal | Hoelzel Verlag | Ethik Methoden-Sammlung

Abb. 1: Exemplarischer Auszug aus einer dem Schulbuch angehängten Methoden-Sammlung

 

Hoelzel Journal | Hoelzel Verlag | Ethik BHS 2 | Konfliktlösung

Abb. 2: Im Kapitel „Sich WERTschätzend auseinandersetzen“ geht es auch um förderlichen Grundeinstellungen für die Lösung von Konflikten.

 

Schulbuchbezug

Mehr zum Thema

Lehrmaterial Medienethik: Schlüpfen Sie in die Rolle des Presserates
Anton Bucher zum Ethikunterricht: „Nicht ethisch sein geht nicht“
Ethikunterricht oder Religion? Ab 2021 heißt es: entweder … oder!
Arbeitspaket der DemokratieWEBstatt zum Thema Ernährung

 

 

Diesen Artikel teilen: