Bildung und Beruf
Weiterbildung: Was Lehrer lernen wollen
Nicht nur das neue Dienstrecht, auch der Fokus auf die Digitalisierung wird die Fortbildung von Lehrerinnen und Lehrern künftig verändern. Gefragt ist nicht zuletzt eines: mehr Praxis.
Von Manuela Tomic - 2. Mai 2019
Ob virtuelle Produktionslinien, schlaue Business-Apps oder Fremdsprachen-Kompetenzen: Jahr für Jahr bereiten die Lehrkräfte an Österreichs BMHS ihre Schülerinnen und Schüler auf eine sich ständig wandelnde Arbeitswelt vor.
Doch um Schritt zu halten, müs sen auch sie gelegentlich die Schulbank drücken. Und in Sachen Fortbildung sind Österreichs Lehrerinnen und Lehrer vor allem eines: fleißig.
Rund zwei Drittel nehmen pro Jahr mindestens an einer Weiterbildung teil, wie der Rechnungshof in einem 2017 veröffentlichen Bericht festhält.
Licht und Schatten
Am häufigsten bilden sich der Erhebung zufolge Pädagoginnen und Pädagogen an humanberuflichen Schulen, wie zum Beispiel Lehranstalten für wirtschaftliche Berufe, Mode oder Tourismus, weiter.
Hier besuchten rund 87 Prozent der Lehrkräfte innerhalb eines Schuljahres entsprechende Kurse. An den kaufmännischen Schulen betrug die Quote knapp über 70 Prozent, in Höheren Technischen Lehranstalten ging hingegen nur jeder zweite Lehrende auf Fortbildung.
Beim Umfang und der Intensität der Weiterbildungs-Kurse gibt es erheblichen Nachholbedarf.
Dass Österreichs Lehrkräfte relativ oft Kurse und Seminare belegen, sei erfreulich, betont auch der Ökonom Hanno Lorenz vom Thinktank Agenda Austria.
Doch eine vor zwei Jahren erschienene Studie der wirtschaftsnahen Denkfabrik mit dem Titel „Was Österreichs Lehrer lernen“ förderte auch Defizite zutage: So seien zwar zahlreiche Weiterbildungsangebote vorhanden, beim Umfang und der Intensität der Kurse gebe es jedoch erheblichen Nachholbedarf.
15 Stunden pro Jahr sollten sich Österreichs Lehrende fortbilden. So steht es im Beamtendienstrechtsgesetz. Gesetzlich verpflichtend war dieses Ausmaß bislang nur an Pflichtschulen.
Mit dem neuen Dienstrecht, das dieses Jahr für alle angehenden Lehrer endgültig in Kraft tritt, sind die 15 Stunden nun von allen Pädagogen zu absolvieren, die keine alten Dienstverträge haben. Doch das ist nicht die einzige Neuerung.
Kontinuierliche Aufwertung
Seit dem Schuljahr 2018/19 müssen Schulleiter mit ihrem Lehrpersonal Gespräche über die geplante Fortbildung führen und diese auch dokumentieren. Dadurch soll das Thema auch im Schulalltag weiter aufgewertet werden. So viel zum heimischen Status quo. Aber wie machen das die anderen?
In den meisten europäischen Ländern ist die Lehrerfortbildung in der Berufspflicht verankert. Das Ausmaß der zu leistenden Stunden ist je nach Land jedoch sehr unterschiedlich und reicht dem Agenda-Austria-Papier zufolge von acht Stunden jährlich in Luxemburg bis zu 68 Stunden in Serbien.
Ein Blick über den österreichischen Tellerrand zeigt auch, dass vor allem die Niederlande, Estland und Singapur eine Vorbildrolle einnehmen, wie der Ökonom Wolfgang Nagl von Agenda Austria erklärt.
Unterschiedliche Berufswege
In Singapur zum Beispiel lautet das Motto „lebenslanges Lernen“. Nicht nur in ihrer Erstausbildung werden Lehrer von Mentoren begleitet, in ihrem dritten Berufsjahr blicken ihnen Experten erneut bei der Arbeit über die Schulter.
Gemeinsam mit den Pädagoginnen und Pädagogen entscheiden sie, ob dieser dann in die Forschung geht, Lehrkraft bleibt oder die Position als Schulleitung anstreben könnte. „Jeder dieser Berufswege sieht entsprechende Weiterbildungsmaßnahmen vor“, so Nagl.
Finanzielle Anreize
Im niederländischen Bildungssystem hingegen liegt die Verantwortung für die Organisation der Weiterbildung direkt bei den Schulen. Die Mittel dafür sind im Personalbudget inbegriffen. Zentrale gesetzliche Bestimmungen oder eine stundenmäßige Verpflichtung wie hierzulande gibt es nicht.
Dennoch besteht ein Richtwert: In den Tarifverträgen sind pro Lehrkraft der Anspruch auf ein jährliches Budget von 600 Euro und insgesamt 83 Stunden berufliche Weiterbildung vorgesehen.
Lehrer in Estland können mit Fortbildung gezielt ihr Einkommen aufbessern.
„Auch in Estland verfügen die Schulen über eine hohe Personalautonomie“, erklärt Nagl, „die Schule wird wie ein Unternehmen geleitet.“ Entsprechend gibt es Entwicklungsgespräche und Fortbildungselemente, die dem Personal von der Schulleitung vorgegeben werden.
Aber nicht nur das: Wer sich in Estland fortbildet, kann damit auch sein Einkommen aufbessern. So werden finanzielle Anreize für kontinuierlichen Wissenserwerb geboten.
Zusätzliche Motivation
Auch hierzulande können Direktoren die Art der Fortbildung selbst gestalten. Je nach Standort und Schultyp legen sie ihre Schwerpunkte dabei jeweils anders.
Jörg Hopfgartner, Direktor der BHAK Wien 10, sieht in Weiterbildungsangeboten vor allem eine Möglichkeit, Kolleginnen und Kollegen zu motivieren: „Der größte Management-Fehler, den man machen kann, ist, bildungshungrige Mitarbeiter auszubremsen und nach strikten, unverrückbaren Grenzen vorzugehen“, erklärt der Schulleiter.
Für ihn sei Weiterbildung eine der wichtigsten Komponenten einer professionellen und langfristigen Personalentwicklung. Die im Beamtendienstrechtgesetz verankerten Fort- und Weiterbildungsgespräche zwischen Schulleitung und Personal sieht er positiv.
Bei Schulen mit bis zu 150 Lehrerinnen und Lehrern können diese jedoch eine besondere Herausforderung darstellen. Hier wünscht sich Hopfgartner eine nachhaltigere Stärkung des mittleren Managements an Schulen.
Weiterbildung vor Ort
Melitta Huber, Direktorin der BHAK Althofen, legt hingegen den Fokus auf Auslandsaufenthalte, wie etwa im Rahmen von Erasmus+.
Alle Lehrkräfte, die bilingual unterrichten oder Englisch als Unterrichtssprache nutzen wollen, werden bei der Auswahl und Organisation der Weiterbildung besonders unterstützt.
Gleichzeitig wird in der Kärntner HAK auf die Vermittlung praxisrelevanter Inhalte gesetzt. Das nötige Know-how holt sich das Kollegium mithilfe des sogenannten Patenfirmen-Konzepts. Dabei hat jede Klasse eine eigene Patenfirma, laufend würden so Inputs aus der beruflichen Praxis in den Unterricht einfließen.
„Davon profitieren nicht nur die Schüler, sondern auch die Lehrer“, sagt Huber. Für Gottfried Kellner, Lehrer an der Höheren Bundeslehr- und Forschungsanstalt für Gartenbau in Schönbrunn, ist vor allem Eigeninitiative gefragt.
Nachholbedarf: neue Technologien
„Stunden kann man abzählen“, sagt er, „ich zum Beispiel bin als Fan der Technik auf hohem Niveau immer drangeblieben, sowohl im Internet, bei Kursen, in Fachbüchern als auch auf Messen“, erzählt Kellner.
Selbstmotivation und Selbstorganisation wird an heimischen Schulen also großgeschrieben. Doch in vielen Bereichen bedarf es mehr als des Engagements vor Ort.
Das belegt auch ein Blick in die internationale OECD-Lehrerstudie TALIS aus dem Jahr 2013, in der auch jene Kompetenzen abgefragt wurden, in denen Pädagoginnen und Pädagogen für sich persönlich den größten Nachholbedarf sehen.
Über 15 Prozent der Befragten hätten gerne ein größeres Know-how im Umgang mit Schülern mit besonderen Bedürfnissen. Jeder Zehnte erkennt bei sich selbst didaktische Defizite bei mehrsprachigen Klassen.
Die größte Unterstützung wünschen sich die Lehrenden jedoch – wenig überraschend – im Feld der Digitalisierung. Über 16 Prozent sehen sich bei den „neuen Technologien am Arbeitsplatz“ zu wenig gut aufgestellt.
Masterplan des BMBWF
Knapp dahinter rangiert der Bedarf nach Weiterbildung in allen Feldern der Informationstechnologie. Eine Entwicklung, die auch das hiesige Bildungsministerium erkannt hat und der mit dem Masterplan „Digitalisierung in der Bildung“ begegnet werden soll.
Bereits jetzt versuchen auch die pädagogischen Hochschulen (PH) sowie die universitären Ausbildungseinrichtungen, diesen Trends gerecht zu werden.
„Die Herausforderungen der Digitalisierung stehen bei uns ganz oben auf der Agenda, mit dem Ziel, Lehrenden Souveränität zu vermitteln“, sagt etwa Manfred Prenzel, Leiter des Zentrums für LehrerInnenbildung der Universität Wien.
Nicht zuletzt die PHs gelten als erste Anlaufstelle für Lehrkräfte, wenn es um die Weiterbildung geht. Sie bieten österreichweit ein breites Spektrum an, von der virtuellen PH mit ihren E-Learning-Kursen über Angebote im Bereich Kooperatives Offenes Lernen, den sogenannten COOL-Projekten, bis hin zur Gewaltprävention.
Praxiswissen immer wichtiger
Doch Theorie allein, das belegen Studien und Lehrerbefragungen, reicht schon lange nicht mehr aus, in den BMHS ist vor allem Praxiswissen gefragt.
Johannes Lindner, Leiter des Fachbereichs und Zentrums Entrepreneurship Education der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Wien/Krems, hat in seinem Haus bereits auf den Bedarf regiert.
Lehrerinnen und Lehrer können hier für drei Tage in ein Unternehmen ihrer Wahl eintauchen. Dabei besuchen sie die Firma entweder allein oder in Kleingruppen und können in alle Ebenen hineinschnuppern. Das Spektrum ist breit: Von Dachspenglern, Blumenhändlern oder Trafikanten bis hin zu international tätigen Industriebetrieben werde viel Real-Wirtschaft geboten.
„Meistens bleiben die Lehrerinnen und Lehrer mit den jeweiligen Firmen auch nach ihrem dreitägigen Besuch in Kontakt“, weiß Lindner, „und wir setzen gern Impulse für eine langfristige und nachhaltige Zusammenarbeit“.
Aus- und Weiterbildung: Der Masterplan des Bildungsministeriums
Links
Studie der Agenda Austria zur Lehrerfortbildung
Rechnungshofbericht zur Lehrer- Weiterbildung 2017
Informationen zu allen bisherigen TALIS-Studien der OECD
Mehr
Erasmus+ hebt weiter ab
„Schulen brauchen mehr Unterstützung bei digitaler Strategie“
Aus der Praxis: Mehr Mut zum Denken
Ein Beitrag aus dem Was jetzt-Magazin, Ausgabe 1/19.