Studium und Beruf

Die Welt der kleinsten Teilchen: Studium Nanowissenschaften

Unsere neue Serie „Studium mit Zukunft“ stellt innovative Studiengänge vor. Zur Premiere unter dem Mikroskop: das Studium Nanowissenschaften an der Universität Basel. Hier ein Einblick, was man dort lernt und danach arbeiten kann.

Florian Wörgötter - 29. April 2021

MEHR_wasjetzt_ Studium Nanowissenschaften © Swiss Nanoscience Institute, Universität Basel

Studium Nanowissenschaften: Die Welt ist klein – und niemand sieht ihre gigantische Winzigkeit besser als die Nanowissenschaften. Wir eröffnen unsere neue Serie „Steckbrief Studium“ mit mikroskopischem Blick auf ihre Ausbildung und welche Jobs danach winken.

Die Studienwahl stellt eine wichtige Weiche nach der Matura. Um Maturantinnen und Maturanten diese Entscheidung etwas zu erleichtern, präsentieren wir in der Serie „Steckbrief Studium“ innovative und spannende Studiengänge im In- und Ausland. Für den ersten Steckbrief tauchen wir in die kleinste Einheit unseres Planeten: in das Studium Nanowissenschaften.

Da in Österreich kein Bachelorstudium für Nanowissenschaften angeboten wird, blicken wir in die Schweiz an die Universität Basel. Am international vernetzten Swiss Nanoscience Institut (SNI) lässt sich das interdisziplinäre Studium in Nanowissenschaften studieren.

Die Studienkoordinatorin Anja Car beantwortet die wichtigsten Fragen zum Lehrplan, den Berufsaussichten und was man abseits des Mikroskops erlebt.

Die Wissenschaft

Für Neulinge: Was erforschen die Nanowissenschaften?

Die Nanowissenschaften untersuchen das Zusammenspiel von Atomen und Molekülen. Bei Materialien im Nanometer-Maßstab verschmelzen die Grenzen von klassischen Disziplinen wie Physik, Biologie und Chemie. Durch die Manipulation von Atomen und Molekülen ermöglicht die Nanotechnologie die Entwicklung von Materialien mit besonderen Eigenschaften.

Selbstreinigende Oberflächen imitieren den Lotus Effekt aus der Natur. Nanopartikel in Kosmetikprodukten ermöglichen einen hohen Schutzfaktor in Sonnencremen oder langlebige Farben in Kajalstiften. Mikroskopisch kleine Kohlenstoffnanoröhren verstärken Materialien und mache Sportgeräte wie Tennisschläger und Fahrräder leicht, robust und widerständig. Weitere Einsatzgebiete finden Sie als Lehrmaterial im WissenPlus.

Das wichtigste Werkzeug von Nanowissenschafter/innen?

Das Mikroskop. Mit dem Rasterkraftmikroskop können Oberflächen mechanisch abgetastet werden und atomare Kräfte auf der Nanometerskala gemessen werden. Ein Rasterelektronenmikroskop zeigt die Bilder, indem die Proben mit einem fokussierten Elektronenstrahl abgetastet werden. Die Elektronen interagieren mit Atomen in der Probe und erzeugen Signale, die über die Oberflächentopographie und die Struktur informieren.

Wie schnell hat sich die Wissenschaft in den letzten 10 Jahren verändert?

Sehr schnell. Es wurden große Fortschritte in Medizin, Physik und Chemie gemacht. Da die Nanowissenschaften aus diesen Disziplinen bestehen, wird auch sie davon beflügelt.

Was sollten Schüler/innen mitbringen?

Am wichtigsten ist das Interesse an Naturwissenschaft – sowohl an Biologie als auch an Chemie und Physik. Und man sollte neugierig sein und gerne forschen wollen.

Im Studium

Was lernt man im Studium Nanowissenschaften?

Im ersten Jahr lernt man in Vorlesungen die nötigen Grundlagen der Kerndisziplinen Mathematik, Physik, Chemie und Biologie. Im zweiten und dritten Jahr vertieft man das Wissen in Molekularbiologie, Physik und Chemie. Dabei wählen Studierende ein Viertel ihrer Vorlesungen und Praktika frei.

Im fünften und sechsten Semester absolvieren sie acht Praktika („Blockkurse“) in verschiedenen Arbeitsgruppen an der Universität Basel, der Fachhochschule Nordwestschweiz, dem Paul Scherrer Institut, dem Adolphe Merkle Institute, der Empa oder dem Departement Biosysteme der ETH Zürich in Basel. Dort lernen sie wissenschaftliches Arbeiten, werden beim Gebrauch von Hightech-Instrumenten angeleitet, lernen unterschiedliche Arbeitsgruppen und Vorgehensweisen kennen und organisieren ein Symposium.

Wie gestaltet sich die Praxis während des Studiums?

Nach dem ersten Semester beginnen praktische Lehrveranstaltungen und Exkursionen in acht Nanotechnologie-Betrieben aus der Praxis. Im zweiten Jahr nimmt die Laborarbeit zu und erreicht ihren Höhepunkt mit den „Blockkursen“ im dritten Jahr. Die Studierenden sind in Forschungsprojekte involviert und absolvieren acht Blockkurse à 3 Wochen.

Wie ist das Verhältnis zwischen Theorie und Praxis?

Im Bachelor: Etwa 70 Prozent Theorie vs. 30 Prozent Praxis. Im Master: Etwa 40 Prozent Theorie vs. 60 Prozent Praxis.

Wie viele Studierende pro Lehrende?

Die allgemeinen Grundlagenvorlesungen am Studienanfang werden von mehreren hundert Studierenden diverser Studienrichtungen besucht. In Praktiken und Übungen sitzt man mit etwa 15 Studierenden in kleineren Gruppen.

Wie viele Erstsemester beginnen?

Im Schnitt beginnen jedes Jahr 15 Studierende das Studium Nanowissenschaften.

Braucht es ein Aufnahmeverfahren?

Nein, es gibt keinen Numerus Clausus. Studierende aus Frankreich, Deutschland und Österreich müssen eine Matura vorweisen, die im Wesentlichen der gymnasialen Maturität der Schweiz entspricht.

Wie fortgeschritten ist die Online-Lehre?

Seit Corona wurde aufgerüstet. Die Vorlesungen werden live gestreamt. Der Austausch ist bei naturwissenschaftlichen Übungen besonders wichtig, daher legt man Wert auf Interaktion.

Wie krisensicher ist das Studium?

Bei Blockkursen sitzen in manchen Kursen nur wenige Leute. Daher sind Praktika auch in Zeiten der Pandemie im Labor möglich.

Unterschied zwischen Bachelor und Master?

Im Bachelor bekommt man ein breites Grundwissen in Naturwissenschaften mit dem Fokus auf Nanowissenschaften. Im Master spezialisiert man sich entweder auf Molekularbiologie, Nanophysik oder Nanochemie – sowie ab dem Herbstsemester 2021 auf medizinische Nanowissenschaften.

Kann man im Rahmen von Erasmus ein Auslandssemester studieren?

Wir beteiligen uns sowohl beim Incoming und Outgoing im Erasmusprogramm. Wir haben bieten unseren Studierenden auch Reisestipendien. Manche gehen für eine Projektarbeit oder ihre Masterarbeit an renommierte Universtäten wie Harvard, Stanford oder Cambridge.

Studiengebühren?

850 Franken pro Semester (= 770 Euro).

Mindeststudienzeit?

6 Semester – im Schnitt: 7,5 Semester. Der Master dauert drei Semester – im Schnitt: 4,5 Semester.

MEHR_wasjetzt_ Studium Nanowissenschaften © D. Mathys, Nano Imaging Lab, Swiss Nanoscience Institute, Universität Basel

Wie klein die Welt wirklich ist, zeigt diese winzige Schnecke der Gattung Neogastropoda.

Nach dem Studium

Welche Berufsbilder stehen offen?

Grundlagenforschung an Hochschulen, Versuchsanstalten und Industrie, angewandte Forschung in der Hightech-Industrie, Chemie-und Pharmaunternehmen, Beratungsfirmen, Coaching und Banken.

Wie gut sind die Jobaussichten?

Sehr gut. Alle unsere Studierenden finden eine Stelle, auch weil wir ein gutes Netzwerk aus Industrie und Institutionen haben. Die meisten Absolventinnen und Absolventen bleiben aber in der Forschung an der Universität, bei unseren Partnereinrichtungen oder im Ausland.

Wie rasant wird sich das Berufsfeld in den kommenden 10 Jahren weiterentwickeln?

Die Forschung wird immer interdisziplinärer. Molekularbiologen sollten heute auch Chemie und Medizin verstehen und darüber reden können. Daher haben Nanowissenschafter/innen mit ihrem breiten Verständnis sehr gute Chancen.

Welche Fähigkeiten und Fertigkeiten hat man gelernt?

Nanowissenschafter/innen aus Basel haben eine interdisziplinäre und praxisorientierte Ausbildung genossen. Sie haben gelernt, vernetzt zu denken, wissenschaftlich zu arbeiten und sich intensiv mit Forschungsthemen auseinanderzusetzen. Sie haben im Laufe ihres Studiums gezeigt, dass sie vielfältig interessiert sind, sich engagieren und hart arbeiten können. Und am wichtigsten: Sie sind flexibel und können mit anderen Disziplinen kollaborieren.

Abseits des Studiums

Was erlebt man nur an der Universität Basel?

Die Atmosphäre am SNI ist sehr familiär, weil wir ein kleiner Studiengang sind. Daher kennen sich auch alle gut. Neue Studierende werden von einem Buddy betreut („Gotti“). Unser Nano-Verein organisiert Glühweinpartys, Kegelabende oder Exkursionen. Da wir im Dreiländer-Eck liegen, pendeln auch manche von Grenzstädten in die Schweiz.

Ein prominentes Role Model der Nanowissenschaften?

Als Vater der Nanowissenschaften gilt der US-amerikanische Physiker und Nobelpreisträger (1965) Richard Feynman. Sein berühmtestes Zitat gilt als Gründungssatz: „There’s plenty of room at the bottom“ – man könne noch viel Neues finden, wenn man mit Atomen und Molekülen spielt.

5 Hashtags zum Studium?

#flexibel, #familiär, #individuell, #herausfordernd, #abwechslungsreich

Hier geht’s zum Studium Nanowissenschaften des Swiss Nanoscience Instituts.

Im WissenPlus finden Sie Lehrmaterialien zu den Anwendungen der Nanowissenschaften.

Hier finden Sie ein Dossier von APA-Science zum Thema Bionik und wie der Mensch die Technik der Natur imitiert.

 

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