Bildung und Beruf
„Lehrer brauchen mehr Unterstützung im Schulalltag “
Bundesschulsprecher Timo Steyer macht sich für eine Flexibilisierung der Lehrpläne und für „Politische Bildung“ als eigenes, verpflichtendes Fach stark. Im Interview mit Was jetzt erzählt er, was sich noch an Schulen ändern sollte.
Das Gespräch führte Manuela Tomic - 30. Jänner 2019
Sie sprechen sich stark für die Überarbeitung der Lehrpläne aus. Gilt das auch für die BMHS?
Im Gegensatz zu den anderen Schultypen haben die BMHS den Vorteil, dass ihre Lehrpläne relativ aktuell sind. Bei diesem konkreten Anliegen geht es mir mehr um die Volks- und Mittelschulen. Hier sind die Lehrpläne noch auf einem alten Stand.
Für alle Schultypen gilt aber, dass Lehrkräften mehr Freiraum für gestalterische Spielräume gegeben werden muss. Die Lehrpläne sind häufig sehr stark durchgetaktet. Gerade, wenn man Platz für Inhalte wie Digitalisierung, aber auch für Workshops, Themenschwerpunkte oder fächerübergreifendes Arbeiten schaffen will, braucht es mehr Flexibilität.
Vor allem machen Sie sich dafür stark, das Fach Politische Bildung verstärkter anzubieten beziehungsweise einzuführen. Warum?
Derzeit wird Politische Bildung in vereinzelten Fällen als Wahlpflichtfach angeboten. Im Regelfall ist es Teil des Geschichte-Unterrichts. Und hier merkt man in Gesprächen mit den Schülerinnen und Schülern, dass aktuelle politische Themen zu kurz kommen.
„Politische Bildung kommt häufig viel zu kurz.“
Wir haben in Österreich das Privileg, dass wir mit 16 Jahren sehr früh wahlberechtigt sind. Und auf diese große Verantwortung sollte man entsprechend vorbereitet werden. Da bietet sich ein eigenes Schulfach an, um die wichtigsten Punkte zu diskutieren – von der Meinungsbildung bis hin zu Fragen, was politische Statements eigentlich beinhalten und wie Politikerreden funktionieren.
Nun wurde von der Regierung jüngst das Bildungspaket auf den Weg geschickt – mit unzähligen Neuerungen. Was ist Ihre Analyse?
Eine Maßnahme, die ich für sehr sinnvoll erachte, sind die geplanten leistungsdifferenzierten Bereiche in der neuen Mittelschule. Erst, wenn man als Lehrer die Möglichkeit hat, schulautonom Leistungsgruppen einzuführen, kann man viel besser auf die einzelnen Stärken und Schwächen der jeweiligen Schülerinnen und Schüler eingehen und diese gezielter fördern.
Auch das Schulfach Digitalisierung ist positiv hervorzuheben. Das ist eine langjährige Forderung der Schülervereinigung, denn es hat keinen Sinn, Klassen mit Laptops auszustatten, und keiner weiß zum Beispiel, wo er sich seriöse Informationen im Internet holen kann.
„Lehrkräfte brauchen im Schulalltag mehr Unterstützung durch Vertrauenslehrer und Schulpsychologen.“
Außerdem finde ich es gut, dass das Thema Gewalt an Schulen allgemein mehr in den Vordergrund rückt. Vergangenes Jahr haben wir eine Umfrage gemacht, die gezeigt hat, dass 70 Prozent der Schülerinnen und Schüler mit Gewalt an der Schule zu tun hatten. Hier erwarten wir uns handfeste Maßnahmen, damit man diesem Problem entgegenwirken kann.
Für die Zukunft wäre mir aber noch eine Sache sehr wichtig: Das Support-Personal an Schulen sollte mehr Bedeutung bekommen und es sollten mehr Mittel zur Verfügung stehen. Es kann nicht sein, dass Lehrkräfte auch noch mit Aufgaben von Schulpsychologen oder Vertrauenslehrern betraut sind. Diese müssten von zusätzlichem Personal unterstützt werden.
Gerade wird an einem neuen Fach gearbeitet, das junge Menschen fit für digitale Medien machen soll. Braucht es überhaupt so etwas wie eine digitale Grundbildung für„Digital Natives“?
Das Fach geht in eine richtige Richtung. Es muss aber gewährleistet sein, dass die Lehrkräfte das Thema beherrschen und gut ausgebildet sind. Es macht keinen Sinn, wenn sich Schülerinnen und Schüler besser auskennen als die Lehrpersonen.
Jeder, der jetzt in die Schule kommt, ist ein „Digital Native“. Worum es in diesem Fach gehen sollte, ist, Schülern zu zeigen, wie man im Internet verantwortungsvoll mit den Angeboten und sozialen Medien umgeht, wo die Gefahren liegen und wie man die Angebote zu seinem Vorteil nutzen kann.
Sie plädieren auch dafür, ein 360-Grad-Feedback an Schulen einzuführen. Wie soll dieses in der Praxis funktionieren?
Momentan gibt es gute Beispiele an Schulen, die ein tiefgehendes und funktionierendes Feedbacksystem anwenden. Wir sind der Meinung, dass es einheitlicher Regelungen bedarf und vor allem einer Verpflichtung, ein Feedback durchzuführen.
Oft ist es nämlich so, dass Lehrkräfte, die keine Rückmeldungen haben wollen, diejenigen sind, die es am nötigsten bräuchten. Da gibt es gute Ansätze an einzelnen Schulen, die man in ganz Österreich ausrollen könnte.
„Ein Studium ist längst kein Garant mehr für einen tollen Job.“
Es geht dabei aber nicht darum, Lehrerinnen und Lehrer zu benoten, sondern in offenen Fragen konstruktiv zu zeigen, woran die Lehrperson im Unterricht arbeiten sollte und was er oder sie noch verbessern kann. Feedback muss ja schließlich nicht automatisch etwas Negatives sein.
Wie könnte man BMHS für Schüler attraktiver gestalten, auch angesichts der zunehmenden Akademisierung?
Ich denke, dass längst allgemein bekannt ist, dass ein Studium heute keine Garantie mehr für einen tollen Job und eine gute Berufslaufbahn ist.
Es gibt zwei Situationen, in denen Schülerinnen und Schüler besondere Unterstützung bei ihrer Orientierung brauchen: Kurz nach der Sekundarstufe I, wenn ich entscheide, ob ich eine Lehre mache, oder eine berufsbildende Schule besuche. Denn es macht keinen Sinn, wenn Gymnasien versuchen, Schüler auf Teufel komm raus zu behalten, wenn diese vielleicht geeigneter für eine HLW wären.
Die zweite entscheidende Phase ist während der Maturaklasse. Auch hier sollte Schülerinnen und Schülern wieder alles offenstehen und sie sollten ein breites Spektrum an Möglichkeiten gezeigt bekommen.
Wie sehen Ihre eigenen Pläne aus?
Nach der Matura werde ich erst einmal den Zivildienst ableisten und dann vermutlich an der Wirtschaftsuniversität Wien Internationale Betriebswirtschaft studieren.
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Ein Beitrag aus der Was jetzt-Redaktion.