Bildung und Beruf

HTL Kapfenberg: Das fliegende Klassenzimmer

Seit Kurzem gibt es an der HTL Kapfenberg eine völlig neue Technik-Ausbildung: Aviation Technology.

Von Erika Hofbauer und Christopher Mavric (Fotos) - 27. Februar 2018

 

Die Luftfahrtbranche zählt zu den boomenden Wirtschaftssparten. So rechnet etwa die europäische Flugsicherheitsorganisation Eurocontrol im Vergleich zu 2007 mit einer Verdoppelung der europaweiten Nachfrage nach Luftverkehrsdienstleistungen bis zum Jahr 2030. Insgesamt ist der Bereich derzeit – direkt oder indirekt – für 70.000 Arbeitsplätze in Österreich verantwortlich.

Die Bildungsverwaltung, Betriebe und Behörden haben nun darauf reagiert und einen Lehrplan entwickelt, um der Nachfrage im Komponenten-Bereich künftig gerecht zu werden. 30 angehende Luftfahrttechniker, darunter sieben Mädchen, werden seit vergangenem September in der höheren technischen Lehranstalt im steirischen Kapfenberg geschult.

Am Ende der fünfjährigen Ausbildung in Kapfenberg steht der Abschluss im Fach Aviation Technology.

Am Ende ihrer fünfjährigen Ausbildung werden sie gefragte Fachkräfte zur Herstellung von Bauteilen und Komponenten für Luftfahrzeuge sein. Bei der Entwicklung dieser neuen Ausbildung waren nicht nur das Bildungsministerium, sondern auch Wirtschaftsbetriebe der Luftfahrtbranche, Fachhochschulen, Universitäten und die Luftfahrtbehörde Austro Control beteiligt.

Ziel war es, nicht nur praxisnahe Lehrpläne aufzusetzen, sondern diese auch mit innovativen Lehrmethoden zu verknüpfen. Die Ausbildung ist in zwei Abschnitte unterteilt, in Allgemeinbildung und in technische Vertiefung, erzählt Brigitte Heller, Projektleiterin und Klassenvorständin des Bereichs Aviation.

Vielfältige Ausbildung

Die Ausbildung fokussiert unter anderem folgende Bereiche: Aviation Legislation, also Kenntnisse der gesetzlichen Vorgaben, Produktentwicklung, Design, Simulation, Werkstoffkunde, Leichtbau, Elektrotechnik und Aerodynamik. Ebenfalls am Lehrplan stehen der Bau von Luftfahrzeugen und Drohnen und der Erwerb eines Funkzeugnisses sowie Qualitäts- und Projektmanagement.

Aufgrund der Nähe vieler Zulieferfirmen des Mobilitätsclusters zum Schulstandort ist eine enge Kooperation gewährleistet. Gleichzeitig waren diese Unternehmen federführend an der Errichtung des Flugtechnikstandortes beteiligt, wie Projektleiterin Heller erzählt: „Die Region ist einerseits sehr wirtschaftsstark, aber zugleich extrem von Abwanderung betroffen. Das heißt, man wollte die Fachkräfte, die hier ausgebildet werden, anschließend in der Region halten. Es gab hier ein gutes Zusammenspiel zwischen Regionalentwicklung, Stadtgemeinde und Schule – und auch der hier ansässigen FH.“

 

Bei der Bearbeitung der Hightech-Materialien geht es nicht zuletzt um Fingerspitzengefühl.

Denn die Fachhochschule Joanneum mit Sitz in Kapfenberg arbeitete kräftig am neuen Ausbildungszweig mit. Das Ergebnis: Die Curricula sind so aufeinander abgestimmt, dass die Schülerinnen und Schüler der Aviation-Klassen der HTL Kapfenberg im Anschluss an die Matura direkt auf die FH mit Schwerpunkt Aviation gehen können – inklusive Anrechnung von an der HTL absolvierten Prüfungen.

Heller: „Schüler der zweiten Klasse machen zum Beispiel gemeinsam mit der FH das Funkerzeugnis. Diese Prüfung kann direkt angerechnet werden, da sie auch im Lehrplan des Bachelorstudiums vorgeschrieben ist. Wir sind somit das einzige Ausbildungssystem, das von der Sekundarstufe bis zum Master eine durchgehende Aviation-Ausbildung anbietet – und das alles in einem Umkreis von 50 Kilometern.“

Fokussierte Betreuung

Doch nicht nur die Kooperation zwischen Bildungseinrichtung und Wirtschaft geht weit über die gemeinsame Abstimmung des Lehrplans hinaus, so Projektleiterin Heller. Auch während der Ausbildung wird der Kontakt zu den beteiligten Firmen aufrechterhalten: „Unsere Schülerinnen und Schüler belegen ihre Berufspraktika nicht irgendwo, sondern arbeiten beispielsweise vier Jahre lang bei der gleichen Firma. So werden unsere Schüler bereits als künftige Mitarbeiter aufgebaut.“

Auch bei der vorwissenschaftlichen Arbeit hofft die Projektleiterin, dass dies auch über Firmenkooperationen funktioniert: „So können tatsächliche berufsspezi sche Problemfälle aus der Praxis abgehandelt werden.“ Über einen Mangel an Interessenten für den neuen Ausbildungszweig kann sich Brigitte Heller jedenfalls nicht beklagen: „Nächstes Jahr könnten wir mehr als zwei Klassen füllen, aber wir können ja nicht nur Luftfahrt machen.“

Ein Artikel aus dem Was jetzt-Magazin, Ausgabe 1/18

Link: HTL Kapfenberg

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