Schwerpunkt

Handys im Unterricht: Mit oder ohne?

Seit Kurzem gilt in Frankreich ein relativ striktes Verbot von Smartphones. Wie Österreichs Lehrerinnen und Lehrer mit dem heiklen Thema umgehen, lesen Sie in unserem neuen Schwerpunkt-Auftakt „Entscheidungen“.

Von Manuela Tomic - 5. Dezember 2018

 

In der Klasse 5BT der Bundeshandelsakademie und -handelsschule in Wien-Favoriten tippen die Schülerinnen und Schüler eifrig in ihre Smartphones. Hier werden jedoch keine WhatsApp-Nachrichten geschrieben oder Candy Crush gespielt: Die Maturanten lernen für den Unterricht.

„Wir laden uns über das Handy Fallbeispiele herunter und absolvieren auch Tests über eine App. Das ist schon sehr praktisch“, erzählt die 20-jährige Sarah Attia. Für ihren Klassenkollegen Benjamin Jukic ist das Handy vor allem in sprachlichen Fächern besonders hilfreich.

 

Zeigt her eure Handys – und macht etwas Produktives damit: So lautet gewissermaßen das Motto in der BHAK und BHAS in Wien Favoriten. Foto: Christopher Mavrič

 

Ablenken lässt er sich von all den kurzweiligen Verlockungen, für die Smartphones bekannt sind, jedoch nicht: „Ich habe meinen Startbildschirm so eingerichtet, dass mir keine eingehenden Nachrichten angezeigt werden“, sagt der 20-jährige Maturant mit einem selbstbewussten Lächeln.

 

„Ich halte ein Smartphone-Verbot in keiner Weise für zeitgemäß.“

 

An der BHAK und BHAS im zehnten Wiener Gemeindebezirk sind Mobilgeräte ganz selbstverständlich Teil des Unterrichts und der schulischen Abläufe. Mithilfe der App WebUntis etwa führen Lehrerinnen und Lehrer das Klassenbuch, in dem die Schüler ihren Stundenplan samt allen kurzfristigen Änderungen einsehen können. Mit der App Zcircle holen sie sich die E-Paper-Ausgaben der Tageszeitungen aufs Display.

 

Für Jörg Hopfgartner, Schuldirektor der BHAK und BHAS in Wien Favoriten ist ein Handyverbot „in keiner Weise zeitgemäß“. Foto: Christopher Mavrič

 

Sogar ein eigenes Seminar namens „App-Entwicklung für mobile Geräte“ gibt es hier. Dort wird nicht nur schlaue Software entwickelt, sondern auch an einem Vermarktungsmodell getüftelt. Nicht überall ist der Übergang zwischen Unterricht und Smartphone-Nutzung so fließend wie hier. Andernorts werden Handys gänzlich von den Schulen verbannt, wie kürzlich in Frankreich.

Handyverbot in Frankreich

Seit dem Schuljahr 2018/19 sind die Geräte an französischen Bildungseinrichtungen strikt verboten. Und das nicht nur in den Klassen, sondern auch in den Pausen und am Schulhof.

Betroffen sind Kinder und Schüler im Alter von drei bis 15 Jahren. Nicht nur Smartphones, sondern alle internetfähigen Geräte, also auch Tablets oder Smartwatches sind – außer für Unterrichtszwecke – nicht mehr erlaubt. Ausgenommen sind Gymnasien, die individuell über Restriktionen entscheiden können.

 

„Jene Schüler, die nicht aufpassen wollen, werden sich auch ohne Handy nicht auf den Unterricht konzentrieren.“

 

„Ich halte ein Smartphone-Verbot in keiner Weise für zeitgemäß“, sagt Jörg Hopfgartner, Direktor der BHAK und BHAS in Favoriten. An seiner Schule entscheiden die Lehrerinnen und Lehrer im Unterricht, wann und ob elektronische Geräte verwendet werden.

Ansonsten ist das Gerät auf lautlos zu stellen. „Regeln müssen schon Sinn ergeben und von allen mitgetragen werden“, meint der Direktor.

 

„Wenn Handys Geräusche von sich geben, lenkt das schon ab“, sagt die 14-Jährige Lilia Hofer (re.). Foto: Christopher Mavrič

 

So gelassen wie in Favoriten geht es an Österreichs Schulen nicht immer zu, wenn es um das Thema Smartphone geht. Während so manche Lehrerinnen und Lehrer ein striktes Verbot fordern, macht sich bei manchen Pädagogen Verunsicherung breit. Das Handy in den Unterricht einbinden? Schön und gut. Bloß – wofür genau und nach welchen Regeln?

Gewiss ist nur, dass es vonseiten des Bildungsministeriums keine entsprechenden Vorgaben gibt. Dezidiert ausgeschlossen wird jedoch ein generelles Verbot.

Das nämlich würde dem Gedanken der Schulautonomie widersprechen, so die Sicht des Ministeriums. Also entwickeln die Bildungseinrichtungen vor Ort eigene Regelungen, wie etwa die Pannoneum Wirtschafts- und Tourismusschulen in Neusiedl am See.

Handyregale als Alternative

Dort sorgt in einigen Klassenräumen ein kleines Regal für Ruhe. Das besteht aus schmalen, säuberlich mit Vor- und Nachnamen der Schüler markierten Fächern, in denen knapp zwei Dutzend Smartphones abgelegt sind.

Was auf den ersten Blick wie eine Kunstinstallation aussieht, ist Teil der Smartphone-Regelung am Pannoneum. Pünktlich zum Unterrichtsbeginn landet jedes Gerät in seinem Fach. Auch das von Lilia Hofer. Und die Schülerin findet das gut.

Kontroverse Meinungen

„Wenn Handys Geräusche von sich geben, lenkt das schon ab“, sagt die 14-Jährige. Sie sei froh über die Lösung an ihrer Schule. Doch die Meinungen in der Klasse sind durchaus kontrovers. „Jene Schüler, die nicht aufpassen wollen, werden sich auch ohne Handy nicht auf den Unterricht konzentrieren“, meint hingegen Sitznachbarin Anna Sophie Weisz.

Noch werden die Regale, die in einer höheren technischen Lehranstalt angefertigt wurden, nur in der ersten Jahrgangsstufe eingesetzt. „Aber wir überlegen, das Angebot auch auf die höheren Klassen auszuweiten“, sagt Schuldirektorin Alexandra Laminger.

Die älteren Schülerinnen und Schüler sind bislang angewiesen, ihre Geräte während des Unterrichts auf lautlos zu stellen und in den Schultaschen zu verstauen.

 

Alexandra Laminger, Schulleiterin im Pannoneum Neusiedl mit ihrem Kollegen: An ihrem Haus werden Tablets und Handys ausschließlich für den Unterricht verwendet oder kommen bei den ersten Jahrgängen in ein eigenes Fach. Foto: Christopher Mavrič

 

Als handyfreie Zone will die Schulleiterin das Pannoneum nicht verstanden wissen: Gezielt, etwa im Sprachunterricht, für Recherchen oder für das Lösen von Quizzen auf Kahoot! könnten Smartphones durchaus genutzt werden.

„Wir wollten in den oberen Klassen ganz bewusst keine absoluten Verbote aufstellen“, sagt die Direktorin, die schon einige Zyklen der Handy-Debatte miterlebt hat. „Seit es diese Geräte gibt, sind sie an Schulen ein Thema“, meint Laminger, die bereits seit 1997 an der Wirtschaftsschule unterrichtet.

 

„Schülerinnen und Schüler sollen bis zum Ende der Schulzeit einen gesunden Umgang mit dem Medium lernen.“

 

Vom Wegnehmen bis zur Freigabe unter bestimmten Bedingungen wurde an der Schule schon alles diskutiert. Seit Anfang des Jahres gibt es nun eben die Smartphone-Regale in den ersten Klassen.

„Wir haben einfach gemerkt, dass vor allem die Jüngeren abgelenkt sind, wenn sie ihr Handy am Tisch liegen haben“, sagt Alexandra Laminger, die das aktuelle Regelwerk vor allem unter einer Prämisse sieht: „Schülerinnen und Schüler sollen bis zum Ende der Schulzeit einen gesunden Umgang mit dem Medium lernen.“ Dazu gehöre auch zeitweilige Abstinenz.

 

 

Ihr Kollege Jörg Hopfgartner von der BHAK in Favoriten sieht das prinzipiell ähnlich, weist aber auch auf die Potenziale für Lernen und Ausbildung hin. Die kennt der Direktor, der seit einigen Jahren für die Umsetzung der Handysignatur an Wiener Schulen zuständig ist, aus der Praxis.

Verantwortung übernehmen

Ganz gleich, ob elektronische Rechnungslegung oder Online-Finanzamt: Die Beherrschung dieser Tools via Smartphone gehöre mittlerweile zur beruflichen Qualifizierung, ist Hopfgartner überzeugt: „Unsere Schüler sind schließlich die Wissensmultiplikatoren in den klein- und mittelständischen Unternehmen.“

Eines ist dem Pädagogen aber besonders wichtig: „Es geht nicht nur darum, Schülerinnen und Schüler für den Arbeitsmarkt auszubilden, es ist auch eine gesellschaftliche Notwendigkeit, dass sie Digital Devices mit der nötigen Verantwortung bedienen können.“

 

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Ein Beitrag aus dem Was jetzt-Magazin, Ausgabe 2/18

 

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