Bildung und Beruf

Handy-Verbot im Unterricht: Ja oder nein?

Das Smartphone gilt in vielen Schulen als Störfaktor. Dabei kann es durchaus sinnvoll eingesetzt werden. Wir haben drei Lehrer und einen Wissenschaftler befragt. Hier lesen Sie ihre Standpunkte und vor allem: Schreiben Sie uns Ihre Meinung!

Von Nina Horcher - 4. April 2018

 

Handys an Schulen? Werden sofort weggesperrt. Geht es nach dem französischen Unterrichtsminister Jean-Michel Blanqueran, sollen Handys aus Bildungseinrichtungen verbannt werden. Auch in der Pause. Blanqueran sieht das Smartphone als bildungspädagogisches Problem und sorgte mit seiner Forderung nach einem generellen Verbot Ende 2017 für Aufregung.

Auch hierzulande gilt das Mobiltelefon an Schulen als Unruhestifter 2.0. Der Vorwurf gleicht jenem aus Frankreich: Schüler werden von Smartphones leicht abgelenkt, neben der Auffassungsgabe leiden darunter auch soziale Beziehungen. Längst ist der Pausenhof in den virtuellen Raum übersiedelt, wird Kommunikation via soziale Medien – Facebook, Instagram, Whatsapp – abgewickelt.

Smartphones integrieren statt verbieten

Ein generelles Handyverbot wird es an Österreichs Schulen dennoch nicht geben. Es würde, verlautbart das Bildungsministerium, der Schulautonomie widersprechen. Die Lehrergewerkschaft indes wünscht sich eine strengere Regelung, eine Haltung, die auch eine Umfrage auf orf.at vom vergangenen Dezember bestätigt: Gleich 68 Prozent der Userinnen und User waren für ein generelles Verbot an Wiener Schulen.

In der österreichischen Politik will man angesichts des heiklen Themas einen Mittelweg gehen. So plädierte Bildungsminister Heinz Faßmann unlängst in einem Interview mit dem Kurier für eine „Digitale Grundbildung“, die als eigenständiges Unterrichtsfach ab dem Schuljahr 2018/19 angeboten werden soll.

 

Das Unterrichtsfach „Digitale Grundbildung“ soll Lehrer und Schüler im richtigen Umgang mit Medien schulen.

 

Smartphones sollen, so Faßmann, aus den Klassenzimmern nicht verbannt, sondern gezielt eingesetzt werden: „Etwa dann, wenn es darum geht, Faktenwissen zu aktualisieren: Wer findet zuerst Geburts- und Sterbedatum eines Politikers? Wo liegt Novosibirsk, wer findet eine Karte im Internet? Was früher mehr Zeit in Anspruch genommen hat – Informationsbeschaffung –, kann man nun leichter in den Unterricht integrieren“.

Wie und ob das Handy eingesetzt wird, solle individuell geregelt und von Lehrern, Eltern und Schülern gemeinsam beschlossen werden: „Es geht ja um eine diffizile Art und Weise der Kommunikation – darum, wie man miteinander spricht. Das sollen die Menschen selbst entscheiden“, so Minister Faßmann.

Die Frage ist nicht ob, sondern wie

Für Christopher Frauenberger, Wissenschaftler im Bereich Interaktionsdesign an der Technischen Universität Wien, geht es nicht nur um die Debatte an sich, sondern wie sie geführt wird: „Für oder gegen eine Nutzung zu sein, ist ein falscher Blickwinkel. Wir brauchen eine Diskussion darüber, wie Technologien produktiv und gewollt in den Unterricht eingebaut werden können und was wiederum destruktiv ist“, erklärt der Wissenschaftler.

Als akademischer Forscher beschäftigt sich Frauenberger schon lange mit dem Thema. Er sieht die Technologie als durchaus geeignet für den Unterricht. Derzeit fehle es aber am nötigen Know-how: „Ich glaube, wir verstehen die Digitalisierung in der Bildung noch viel zu schlecht. Es fehlt an Angeboten.“

 

Christopher Frauenberger plädiert als Wissenschaftler für einen sinnvollen Einsatz von Handys im Unterricht.

 

Daraus resultiere auch die Frustration vieler Lehrerinnen und Lehrer: „Das Handy bringt momentan leider viel mehr Ärger ins Klassenzimmer als Freude.“ Das strikte französische „Non“ ist für Frauenberger nicht viel mehr als eine Notwehrreaktion, die aber „keine langfristige Alternative sein kann.“

Lehrer: Handys machen Schüler unsozial

In österreichischen Schulen indes wird die Frage, ob und in welchem Ausmaß Schülerinnen und Schüler ihre Smartphones nutzen dürfen, derzeit noch individuell und per Haus- oder Verhaltensordnung beantwortet. In aller Regel gilt: Während des Unterrichts sind die Smartphones auszuschalten oder im Lautlos-Modus zu verwahren.

Das vor allem, weil Smartphones aus Sicht vieler Lehrerinnen und Lehrer als Störenfriede wahrgenommen werden, die Schüler vom Unterricht ablenken oder die Aufmerksamkeit stören. „Es ist schon schwierig genug für Schülerinnen und Schüler, sich über einen längeren Zeitraum – wenn auch nur eine Unterrichtsstunde – zu konzentrieren“, sagt Astrid Kloiber-Koch.

„Im lautlosen Vibrierstatus zu verstauen“

Die Wirtschaftspädagogin der HBLA Oberwart steht dem Gebrauch von Handys eher kritisch gegenüber. Sei es in der Klasse, aber auch in den Pausen. „Leider konnte ich schon oft beobachten, dass Schülerinnen und Schüler gemeinsam an einem Tisch sitzen ohne sich miteinander zu unterhalten. Jeder ist mit seinem Telefon beschäftigt, das finde ich sehr schade.“

Mittlerweile gibt es an der HBLA Oberwart Verhaltensregeln, die im Wesentlichen auf ein Handy-Aus in der Schule hinauslaufen. Ein Modus, der auch an der HTL Mödling gilt. „Das Smartphone ist abgeschaltet oder im lautlosen Vibrierstatus zu verstauen, während des Unterrichts ist es gar nicht zu verwenden“, erläutert Direktor Harald Hrdlicka die Hausordnung. Wer sich nicht an diese Regeln halte, so Hrdlicka, müsse mit einer Verwarnung rechnen.

Studie: Handy lenkt Schüler ab

Dass das Smartphone Jugendliche von Schulaufgaben ablenkt, belegt auch die Forschung: In einer Studie der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfahlen aus dem Jahr 2017 gaben 48 Prozent der befragten Schüler an, dass sie sich bei ihren Hausaufgaben vom Handy abgelenkt fühlen. Knapp ein Viertel empfindet regelrecht Kommunikationsstress und bei 20 Prozent resultiert die starke Handynutzung gar in schulischen Problemen.

 

Smartphones können für den Unterricht auch hilfreich sein: Zum Beispiel beim Vokabellernen oder Recherchieren.

 

Für TU-Wissenschaftler Christopher Frauenberger spiegeln diese Ergebnisse dennoch nicht die ganze Bandbreite des Problems wider: „Zu oft wird über die Nutzungsdauer und Intensität gesprochen, nicht aber darüber, was Kinder mit der Technologie machen.“

Das Handy könne man in den Unterricht sehr gut einbinden – wenn auch Lehrerinnen und Lehrer dahingehend geschult werden: „Ich würde mir wünschen, dass die digitalen Inhalte auch auf die Bedürfnisse der Lehrer eingehen. Man muss sie in der Entwicklung digitaler Technologie mitnehmen.“

Darüber hinaus, so Frauenberger, könnten Handys im Unterricht für die Lehrerinnen und Lehrer einen pädagogischen Mehrwert darstellen. Lerninhalte könnten etwa durch gezielte Aufforderung, am Handy zu arbeiten, mit der Lebenswelt der Schüler vernetzt werden. „Außerdem ermöglicht es die Digitalisierung, individueller auf die Bedürfnisse von Schülerinnen und Schülern einzugehen.“

Smartphone hilft

An der HAK Linz International Business School wurden diese positiven Aspekte bereits erkannt: „Das Handy kann ein gutes Hilfsmittel zum Lernen sein. Vor allem in den Oberstufenklassen“, erklärt Michael Huber-Kirchberger. „Im Sprachunterricht können damit etwa Vokabeln selbständig abgerufen oder auch kleinere Internetrecherchen durchgeführt werden.“

Der Englisch- und Religionslehrer greift auch zur Leistungsfeststellung gerne auf moderne Technologie zurück. Etwa beim Einsatz der Quiz-App Kahoot!, einem interaktivem, vom Lehrer frei adaptierbaren Quiz-Tool für den Einsatz im Unterricht. „Die kann wirklich sehr lehr- und hilfreich sein.“

Wie Lehrer Huber-Kirchberger, ist sich auch Wissenschaftler Christopher Frauenberger sicher, dass das Smartphone aus dem Unterricht nicht verbannt werden kann. Frauenberger: „Man muss die beiden Themen, also die Verschränkung mit der Realität und die Individualisierung, als große Möglichkeitsräume für Lehrer und Schüler sehen. Die jetzige Diskussion lässt diese Sicht leider nicht zu.“

 

Ihre Meinung zählt: 

Wie gehen Sie als Lehrerin, als Lehrer mit dem Thema Smartphone an der Schule um? Was sind Ihre Erfahrungen? Wie binden Sie Handys in den Unterricht ein? Oder sind sie für ein rigoroses Abschalt-Gebot? Wir sammeln Ihre Meinungen und Erfahrungen und veröffentlichen Sie in in einem unserer nächsten Beiträge zum Thema.

Schreiben Sie an redaktion@wasjetzt.net. Wir freuen uns über Ihre Einsendungen!

 

Smartphone im Unterricht: Die Weiterbildungsangebote

Die Pädagogischen Hochschulen bieten eine Reihe von Seminaren für Lehrende. Hier eine Auswahl: 

  • PH Burgenland: 20 Tage, 20 Tools. Lassen Sie das Internet für sich arbeiten!
  • PH Niederösterreich: Das Smartphone im Unterricht – Segen oder Fluch
  • PH Oberösterreich: Flipped Classroom – Unterrichten mit G Suite for Education und Smartphone 
  • PH Steiermark: Nachhaltigkeit im naturwissenschaftlichen Unterricht II – Einsatz digitaler Medien
  • PH Tirol: Lesen fördern mit digitalen Angeboten
  • PH Vorarlberg: Kahoots und LearningApps erstellen
  • PH Wien: Mobile Learning: Smartphones im Unterricht sinnvoll einsetzen 

 

Weitere Infos:

Die EU-Initiative Saferinternet.at klärt über die umfassenden Nutzungsmöglichkeiten von Handys und digitalen Technologien auf. Auf der Website werden auch Infomaterialien für Schulen angeboten.

 

Ein Beitrag der Was jetzt Online-Redaktion.

 

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