Schwerpunkt: Wandel
Wer erfand diese ganz besonderen Dingen: Die geheimen Weltenwandler
Dampfmaschine, Glühbirne, Penicillin: Jeder kennt die großen Entwicklungen und Erfindungen, die Geschichte geschrieben und die Welt verändert haben. Aber kannten Sie die? Lassen Sie sich in eine neue Welt einführen!
Von Stefan Schlögl - 23. März 2020
Hochmittelalter: das Butterfass
Der schwedische Agrarhistoriker Janken Myrdal ist Experte für die Buttererzeugung des Mittelalters. Und er meint: Buttermachen ist einer der wichtigsten Game Changer in der Technikhistorie. Die Erzeugung des begehrten Lebensmittels war ab der Zeit um 1100 eine der frühen Formen, Produkte – eben Milch – zu veredeln.
Die Herstellung erforderte große Fertigkeit und strenge Hygiene. Dieses Know-how, das in ihr steckte, machte sie zu einem wertvollen Handelsgut, war sie doch haltbar und konnte über weite Strecken transportiert werden – was übrigens prompt dazu führte, dass sie kräftig besteuert wurde.
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12. Jahrhundert: die Seitennummerierung
Die Medienrevolution, die Johannes Gutenberg ab 1450 mit der Erfindung der beweglichen Drucklettern ausgelöst hat, ist bekannt. Im 12. Jahrhundert jedoch wurde ein System ins Werk gesetzt, ohne das Bücher schlicht nicht nutzbar wären: die Seitennummerierung.
Erst diese unscheinbare Entwicklung machte Information leicht und für jeden auffindbar, ohne sie gäbe es keine Verzeichnisse oder Register. Und ohne diese wiederum keine Orientierung in der digitalen Welt.
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1846: die Anästhesie
Anästhesie kennt jeder, zumindest aus einschlägigen Krankenhausserien und Dokusoaps. Läuft dort meist nebenher, bis eben der fesche Chirurg zum Skalpell greift.
Tatsächlich aber gäbe es ohne Anästhesie keine moderne Chirurgie, selbst relativ banale Zahnbehandlungen würden ohne Betäubung im Rang einer Privat-Folter stehen. Offiziell ab dem Jahr 1846 war Schluss mit Schmerzen, zuvor, ab etwa 1800, wurde mit Lachgas operiert. Nicht so lustig.
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Ab Mitte des 19. Jahrhunderts: das Wellblech
Es ist günstig. Es ist leicht. Und es ist (relativ) stabil: Wellblech. 1829 patentiert und ab den 1850ern in Massenfertigung produziert, trat der feuerverzinkte Allrounder von England aus seinen Siegeszug an.
Bei der Besiedlung der USA oder Australiens war das Instant-Material erste Wahl, auch Flugzeug- und Autobauer, das Militär oder Kleingärtner griffen darauf zurück. Ganz gleich, ob in Kriegs- oder Katastrophengebieten oder in den Slums der Megacities. Das Wellblech hat das Bild der Moderne geprägt. Sowohl positiv als auch negativ.
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1904: die Kettenraupe
Man kennt sie als Bulldozer, Raupenschlepper oder Planierraupe. Allen gemeinsam: Wenn irgendwo gebaut, planiert oder niedergerissen werden soll, kommt niemand an diesen Geräten vorbei. Die ersten wurden – wenig überraschend – in den USA entwickelt, landwirtschaftliche Dampfmaschinen, die losem Untergrund trotzen konnten.
Doch erst ab 1904 machte Benjamin Holt, später Mitgründer von Caterpillar, die Vehikel dank Benzinmotoren praktikabel. Seitdem steht am Anfang eines jeden Bauwerks auf dieser Welt ein Bulldozer. Und auch an dessen Ende – wie überhaupt sein Image ziemlich ambivalent ist. Siehe etwa ihr Einsatz bei der Abholzung von Wäldern oder als Kriegsgerät.
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1927: das Schockfrosten
Der schottische Mediziner William Cullen gilt als Erfinder des ersten modernen künstlichen Tiefkühlverfahrens. Um 1760 war das. Doch der Amerikaner Clarence Birdseye entwickelte ab Ende der 1920er eine Technik, die nicht nur unsere Ernährungsgewohnheiten verändern, sondern auch gleich eine Lebensmittelindustrie begründen sollte: das Schockfrosten.
Nahrungsmittel innerhalb weniger Minuten auf unter −18 Grad tiefzukühlen, sie so schonend über einen längeren Zeitraum zu konservieren, hatte sich Birdseye von den Inuit abgeschaut.
1927 meldete er seinen Plattenfroster zum Patent an, bereits ab 1930 boten Supermärkte erstmals Tiefkühlkost an. Ein Leben ohne Pommes, Spinatblock oder Schokoeis-Box im Gefrierfach – heute undenkbar.
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1959: die Luftpolsterfolie
Eigentlich tüftelten Alfred Fieling und Marc Cavannes aus Hawthorne, New Jersey, gemeinsam an einer abwaschbaren Kunststoff-Tapete. Doch durch Zufall stellten sie fest, dass ihre Entwicklung auch ein robustes und leichtes Verpackungsmaterial abgab.
Ein paar kleine Luftblasen ins zweischichtiges Polyethylen gepumpt: Fertig war die Luftpolsterfolie. 1959 patentiert, sollte sie das sichere Versenden von Gütern und damit den globalisierten Handel erst ermöglichen. Der Aufstieg der Computer-Industrie oder der Online-Versandhändler wäre ohne die bubble wrap undenkbar.
Gleichzeitig hat sich eine etwas schrullige Fangemeinde gebildet: Das Aufdrücken der Luftblasen gilt mittlerweile als eine Art Kulturtechnik – was auch für das Horten von privaten Luftpolsterfolien-Beständen gilt.
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Ein Beitrag aus dem Was jetzt-Magazin, Ausgabe 4.