Schwerpunkt
Start up, fall down
Sieben von zehn Start-ups scheitern. Das Schicksal eines österreichischen Immo-Unternehmens ist dafür ein Paradebeispiel, aus dem potenzielle Existenzgründer viel lernen können.
Von Michael Mazohl (Text und Fotos) - 8. Mai 2019
Die Idee war gut. „Es wollte nur niemand dafür bezahlen“, sagt Anita Körbler über die Bruchlandung des Immobilien-Start-ups Zoomsquare.
Die 39-jährige Marketing- und Kommunikationsexpertin wurde Ende 2017 als Geschäftsführerin geholt. Die Aufgabe: das Start-up anders zu positionieren und auf ein neues Geschäftsmodell umzustellen.
Frisches Herzblut
Die Gründer wünschten sich „frisches Herzblut im Unternehmen“, aber es war zu spät, wie Körbler rückblickend feststellt: „Es hat uns die Zeit gefehlt.“
Ein halbes Jahr nach ihrem Einstieg war Zoomsquare zahlungsunfähig.
In Österreich gibt es, je nach Schätzung und Berechnung, 2.800 bis 5.600 Firmen, die als Start-ups bezeichnet werden. Als solches gilt ein Unternehmen, das maximal fünf bis sieben Jahre alt ist sowie ein innovatives Geschäftsmodell, Produkt oder Dienstleistungsangebot vorzuweisen hat.
Zwei Drittel aller Neugründungen sind dem „digitalen Sektor“ zuzurechnen, viele der Entrepreneure streben ein schnelles Wachstum und eine rasche Vervielfachung des Unternehmenswerts an, um Investoren anzulocken.
Zwei Drittel aller Neugründungen sind dem „digitalen Sektor“ zuzurechnen und streben ein schnelles Wachstum an.
So oder so ähnlich sah es ganz am Anfang wohl auch der Businessplan von Zoomsquare vor, das zum Google für Immobilien aufsteigen wollte.
Eine einzige Suchabfrage brachte Ergebnisse aus allen bekannten Immobilienportalen, das Geschäftsmodell setzte auf Immobiliensuchende, die für dieses Service bezahlen sollten. „Doch dieser Business Case ist nicht aufgegangen“, so Körbler.
Kein Einzelfall
Damit war Zoomsquare kein Einzelfall. Ein Produkt, das sich nicht verkauft, gilt als häufigster Grund für das Scheitern von Start-ups.
Dabei hatten Körbler und ihr Partner für die Plattform eigentlich ein neues, hoffnungsvolles Geschäftsmodell entwickelt und standen kurz vor der Umsetzung.
Das Unternehmen, so der Plan, sollte sich in Richtung Neubauprojekte orientieren, zahlen sollten nun die Immobilienanbieter. Doch im letzten Moment wurde ein Investment zurückgezogen.
Hoher Förderanteil
Da half es auch nicht, dass die Geschäftsführerin ihre Investoren immer früh und offen auf neue Entwicklungen hingewiesen hatte: „Sie mussten jahrelang von Business Cases ausgehen, die dann nicht eingetreten sind“, erzählt Körbler. Als die Geldgeber absprangen, war auch das Ende von Zoomsquare besiegelt.
Investoren und Fremdfinanzierung sind bei Start-ups fast immer im Spiel. Zwar nehmen 86 Prozent der Gründer auch Geld aus der eigenen Tasche in die Hand, doch gleichzeitig sind mehr als die Hälfte auf Förderungen angewiesen.
Bei jedem Fünften beteiligen sich Business Angels, nahezu jeder Dritte setzt auf die Hilfe von Inkubatoren, also Einrichtungen oder Institutionen, die Neueinsteiger während der heißen Gründungsphase unterstützen.
Beratung und Begleitung
Geld allein jedoch garantiert noch keinen Erfolg, weiß Selma Prodanovic. Als Business Angel – also jemand, der sich an Neugründungen beteiligt und Know-how sowie Kontakte einbringt – hat sie laut Eigenauskunft über tausend Start-ups beraten oder begleitet.
„Viel mehr geht es um ‚Smart Money‘, um Erfahrung“, meint die Geschäftsführerin der Brainswork Group, die sich auf die Beratung von Existenzgründern spezialisiert hat.
Start-ups, die erfahrene Financiers an Bord haben, seien ungleich erfolgreicher, ist Prodanovic überzeugt.
Außerdem sei es einfacher, neue Geldgeber zu gewinnen. „Business Angels investieren nur in Branchen, in denen sie sich auskennen, weil sie sonst nichts einschätzen können.“
Denn Erfolg oder Misserfolg könnten zumindest bis zu einem gewissen Grad aus den Kennzahlen in Geschäftsplänen und Bilanzen vorhergesagt werden.
Die Frage nach dem Markt
Doch vor dem Geldeinsammeln, so Selma Prodanovic, sollten Existenzgründer vor allem eine Frage klären: Gibt es eigentlich einen Markt für mein Produkt, meine Dienstleistung?
„Leider bauen Gründer noch immer Start-ups auf, ohne den Markt zu kennen, ohne zu klären, ob es einen Bedarf gibt.“
„Leider bauen viele Gründer noch immer Unternehmen auf, ohne ihren Markt zu kennen.“
Ein nicht richtig eingeschätzter Markt, dazu die Abhängigkeit von Investoren: Das waren wohl nur einige Gründe, warum Zoomsquare im Sommer 2018 in die Insolvenz schlitterte. Was Anita Körbler daraus gelernt hat?
„Man braucht jemanden dabei, der Branchenerfahrung hat, der dort auch Netzwerke hat – und unbedingt jemanden, der sich um das Thema Vertrieb kümmert“, sagt die gebürtige Steirerin, die mittlerweile Partnerin bei einem Unternehmensberater ist. „Und eine Portion Old Economy würde so manchem Start-up nicht schaden.”
Scheitern, aber richtig
Die US-amerikanische Softwarefirma CB Insights untersuchte 2014 die Hauptgründe für das Scheitern von Start-ups:
1. Produkt hat sich nicht verkauft
Ein neues Unternehmen braucht nicht nur eine Vision. Es muss potenzielle Kunden und ihren „Need“ kennen – und seine Geschäftsidee kommunizieren können.
Für Investoren ist das Marktpotenzial eines Produkts oder einer Dienstleistung das wichtigste Kriterium, das sie aufgrund von Branchenerfahrung in der Regel auch am besten bewerten können.
2. Geld aufgebraucht
Die „Cash Burning Rate” zeigt, wie viel Geld eine Firma monatlich zum Überleben braucht. Das normale, gesunde Wachstum von Klein- und Mittelunternehmen liegt bei ein bis zwei Mitarbeitern pro Jahr.
Start-ups können in der gleichen Zeit die Zahl der Beschäftigten mitunter auf über Hundert bringen. Falsche Annahmen im Businessplan oder bei der Investorensuche stellen sie dann schnell vor unüberwindbare finanzielle Engpässe.
3. Gründerteam
passte nicht zusammen
Für Investoren ist es am schwierigsten, das Gründerteam einzuschätzen. Zahlen aus den Geschäftsplänen können analysiert werden.
Ob jedoch ein Team wirklich zusammenpasst, ob es zu persönlichen Zerwürfnissen kommt – das lässt sich aus polierten Präsentationen und harmonischen Meetings nicht herauslesen.
Mit Verträgen können Auswirkungen eines „Founder Clash“ vorgebeugt werden, wenn aber menschlich nichts mehr geht, läuft das ganze Unternehmen Gefahr, in Schie age zu geraten.
4. Konkurrenz war besser
Die Konkurrenzsituation ist stark vom Timing abhängig, geht es doch um den Launch möglichst innovativer, neuer Produkte und Dienstleistungen.
Manche Existenzgründer sind damit ihrer Zeit voraus und konkurrenzlos, brauchen aber einen langen finanziellen Atem, bis ihr Angebot Gewinne hereinspült. Umgekehrt sind manche Start-ups zu spät dran – und treffen auf etablierte Mitbewerber.
Sogenannte „Fuck up Nights“ haben sich mittlerweile auch in der österreichischen Gründer-Szene etabliert. Gescheiterte Entrepreneure erzählen dabei über ihre Albträume und geben ihre Erfahrungen weiter. Aus Fehlern lässt sich bekanntlich viel lernen – besonders dann, wenn andere sie gemacht haben.
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Ein Beitrag aus dem Was jetzt-Magazin, Ausgabe 1/19.