Bildung und Beruf

„Schulen brauchen mehr Unterstützung bei digitaler Strategie“

Gertrude Kappel, Professorin für Wirtschaftsinformatik an der TU in Wien, spricht im Was jetzt-Interview über die Trends beim digitalen Lernen, interaktive Schulbücher und den Reiz der neuen, offenen Online-Kurse.

Von Manuela Tomic - 20. März 2019

 

Wo stehen Österreichs Schulen in Sachen Digitalisierung?

Als Mutter erlebe ich es aus erster Hand, dass es immer noch sehr auf die Eigeninitiative der Lehrerinnen und Lehrer ankommt, wie stark das Thema Digitalisierung in den Unterricht eingebunden und mit neuen Medien gearbeitet wird.

Wir haben viele hochengagierte Pädagoginnen und Pädagogen in allen Fächern, die ihren Unterricht mit digitalen Mitteln gestalten. Eine ganzheitliche Unterstützung von oben mit einer klaren Vision und Strategie fehlt aber noch.

 

„Viele kleinere Schulen haben einfach nicht das nötige Know-how oder die Ressourcen.“

 

Schulen sollten beispielsweise zu allererst dabei unterstützt werden, E-Mail-Adressen einzurichten. Denn viele kleinere Schulen haben schlicht und einfach keine Ressourcen und nicht das nötige Know-how, um dies selbst zu tun.

Verbesserungsbedarf sehe ich auch im Umgang mit neuem Schulmaterial. Bei den Online-Schulbüchern würde ich mir wünschen, dass der Online-Zugang für alle Schüler ermöglicht wird, was oft nicht der Fall ist.

 

Es kommt noch immer zu sehr auf die Eigeninitiative der Lehrkräfte an meint Gertrude Kappel, Professorin für Wirtschaftsinformatik an der TU in Wien. Foto: Stefanie Starz

 

Wenn Schülerinnen und Schüler zu Hause ihre Hausaufgaben machen und dabei das Online-Buch nutzen möchten, sollten sie dies außerdem mit einem unkomplizierten Log-in-Verfahren und einfacher Worttextsuche tun können.

 

Wie verändert sich die Art des Lernens durch digitale Inhalte?

Schülerinnen und Schüler nutzen digitale Inhalte längst mit einer großen Selbstverständlichkeit. Wenn Sie etwas im Unterricht nicht verstanden haben, dann recherchieren Sie zu Hause online nach und schauen sich beispielsweise YouTube-Erklär-Videos an.

Diese sind gerade in den Naturwissenschaften zum Teil wirklich schon sehr gut. Natürlich ersetzen solche Videos niemals den Präsenzunterricht, weil man dort viel mehr lernt als nur den Stoff. Wie man sich beispielsweise in ein soziales Gefüge integriert, Fragen stellt oder konstruktiv diskutiert.

 

„Schülerinnen und Schüler haben längst verstanden, dass digitale Inhalte eine tolle Ergänzung sind.“

 

All das kann das Internet und das Lernen alleine zu Hause natürlich nicht bieten. Aber ich denke, dass die Jugendlichen längst verstanden haben, dass digitale Inhalte eine tolle Ergänzung sind. Und das sollte von Lehrkräften sowie Schulen auch weiter unterstützt werden.

 

Wie kann so eine Unterstützung in der Praxis aussehen?

Ein paar Beispiele aus meiner Sicht als Informatikerin: Wir befinden uns in einer Welt, in der kreatives Denken gefördert werden sollte. Denn das Verständnis für digitale Welten kann nur aufgebaut werden, wenn Schülerinnen und Schüler lernen, dass es manchmal viele Lösungen gibt, die richtig sind, und dass sie immer kritisch bleiben müssen.

 

„Online-Wettbewerbe wecken die Neugier der Kinder und Jugendlichen.“

 

Wettbewerbe wie das „Känguru der Mathematik“ und auch der Online-Wettbewerb „Biber der Informatik“, die für alle Schul- und Altersklassen angeboten werden, wecken meiner Meinung nach die Neugier der Kinder und Jugendlichen.

Das sind Denksportaufgaben, bei denen sie logisches und algorithmisches sowie lösungsorientiertes Denken üben. Solche Wettbewerbe könnten an Schulen noch mehr Verbreitung finden.

An unserer Fakultät bieten wir zudem eine interaktive Ausstellung für Schulen zum Thema „Computational Thinking“ an. Schulen jedes Schultyps können sich hier jederzeit für die Ausstellung „Abenteuer Informatik“ bei uns anmelden.

Sie lernen, dass Informatik mehr ist als nur ein Computer und ein paar Programme. Für die schon etwas Älteren, die kurz vor der Matura stehen und sich für Informatik interessieren, gibt es einen von uns entwickelten Gratis-Online-Kurs, einen sogenannten MOOC mit dem Namen „Programmieren mit Processing“.

 

Was sind MOOCs und welche Vorteile haben diese Kurse?

MOOC steht für „Massive open online course“. Der Vorteil ist, dass Profis in ihrem Fach einen Kurs anbieten, der didaktisch so aufgebaut ist, dass man ihm wirklich folgen kann.

Bei unserem Programmierkurs zum Beispiel braucht man gar keine Vorkenntnisse in Sachen Informatik. Hier wird alles von Null auf erklärt.

Die Kurse sind zudem kostenlos, das heißt, jeder kann sie ohne Probleme nutzen. Unser Anliegen war es, Maturanten und Maturantinnen für das Studium der Informatik vorzubereiten.

 

 „MOOCs gibt es mittlerweile weltweit und für viele Fächer.“

 

Die eine Hälfte unserer erstsemestrigen Studierenden kommt von den Höheren technischen Lehranstalten und hat natürlich schon ein gewisses Vorwissen. Die andere jedoch ist gerade am Anfang des Semesters verunsichert, weil sie dieses Vorwissen nicht haben.

Hier versuchen wir abzufedern und empfehlen den Jugendlichen, die sich für ein Informatik-Studium interessieren, bereits vorab zu Hause diesen Kurs zu machen. So gehen sie mit einem besseren Gefühl ins Studium oder merken, dass Informatik vielleicht gar nicht das Richtige für sie ist.

MOOCs gibt es mittlerweile weltweit und für viele Fächer. Ich finde es gut, dass die Kurse meist gratis angeboten werden und jeder Mensch, der sich für die Inhalte interessiert, auch einen Zugang bekommt, und das ganz unkompliziert.

Letztendlich steht es auch Lehrerinnen und Lehrer frei, ihre Schüler für solche Online-Kurse zu motivieren und diese als Ergänzung für ihren Unterricht zu nutzen.

 

Zur Person

Gertrude Kappel ist Professorin für Wirtschaftsinformatik an der Technischen Universität in Wien und Leiterin der Business Informatics Group am Institut für Information Systems Engineering.

Ihre Forschungsschwerpunkte sind unter anderem objektorientierte Softwareentwicklung, Web Engineering und Process Engineering.

 

 

 

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Ein Beitrag aus der Was jetzt-Redaktion.

 

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