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Mathe-YouTuber Kurt Söser: „Die Werkzeuge der Jugend sind digital“

HAK-Lehrer Kurt Söser erklärt Microsoft, wie Lehrende mit digitalen Tools unterrichten. Im Interview erzählt der „Edu-Influencer“, wie man Microsoft-Berater wird, Erklärvideos macht und warum Tablet-Unterricht sinnvoll ist.

Florian Wörgötter - 22. Mai 2020

Hatten Sie auch schon Fragen zum Unterricht mit Microsoft Teams? Wenn Sie Erste Hilfe bei Google gesucht haben, sind sie ziemlich sicher bei den Erklärvideos von Kurt Söser gelandet. Der Mathematik-Lehrer der HAK Steyr hat nämlich eine Leidenschaft für digitale Werkzeuge im Unterricht. Diese bringt ihm 175.000 Aufrufe auf YouTube, eine Beratertätigkeit bei Microsoft und eine eigene Tablet-Klasse. Zeit für ein Gespräch mit dem „Edu-Influencer“.

Der Mathe-YouTuber: Kurt Söser von der HAK Steyr

Was jetzt: Wie wird man vom HAK-Lehrer zum Berater von Microsoft?

Kurt Söser: Ich habe bei einem Microsoft-Wettbewerb ein Video meines Tablet-Klassen-Unterrichts eingereicht. Daraufhin wurde ich zum „Microsoft innovative Educator“ (2012) ausgezeichnet. Ich konnte an Foren teilnehmen und habe Lehrer/innen und „Microsoftees“ kennengelernt. Irgendwann hat Microsoft erfahrene „Educator Consultants“ für ihr Advisory Board gesucht, um Zugang zur Unterrichtspraxis zu erlangen – und ich wurde einer von drei Lehrern/Lehrerinnen. Alles natürlich ohne Bezahlung.

Welche Ihrer Ratschläge wurden in Microsoft Teams umgesetzt?

Man hat mich in Beta-Programmen von Microsoft Teams gefragt, wie ich dies oder das machen würde. Teilweise wurde mein Feedback berücksichtigt. Doch ich bin einer von vielen Einflüsterern. Microsoft hört seit Jahren besser auf seine Community. Daher wissen sie auch, warum Lehrer/innen etwa – wie eben veröffentlicht – Teilnehmer/innenlisten benötigen.

„Ich bin ein stinknormaler Lehrer, der zeigen möchte, wie er mit den Tools von Microsoft unterrichtet.“

Ihr Erklärvideo „Online Unterrichten mit MS Teams“ wurde auf YouTube 175.000 mal aufgerufen. Offenbar brauchen einige Lehrer/innen Nachhilfe.

Microsoft Deutschland hat mich beauftragt, ob ich ein Webinar zu Microsoft Teams gestalten kann. Teams wird in sehr vielen Schulen genutzt, aber die Schulschließung durch Corona hat die Klickzahlen in die Höhe getrieben. Mein Status ist aber: Ich bin ein stinknormaler Lehrer, der zeigen möchte, wie er mit den Tools von Microsoft arbeitet. Natürlich taugt es Microsoft, dass ich in meinen Fortbildungen in Schulen als Multiplikator ihrer Tools einige Leute erreiche.

Hat Sie Microsoft für dieses Video-Projekt bezahlt?

Ja, das war eine Auftragsarbeit. Viele andere Projekte mache ich aber für lau. Bei einem Großkonzern wie Microsoft kann man nur schwer an Projekten mitwirken. Jene wenigen waren aber immer eine Win-Win-Situation: Als ich meine Tablet-Klasse aufgebaut habe, hat Microsoft uns mit einem Video beworben, das sich unsere Schule niemals hätte leisten können.

In Ihrer Tablet-Klasse an der HAK Steyr haben Sie im Mathe-Unterricht Schulheft und Tafel abgeschafft. Welche Chancen stecken im digitalen Unterricht?

Lassen wir bitte das Wort „digital“ weg (lacht).

Warum?

14-Jährige wachsen heute so selbstverständlich mit „digitalen“ Werkzeugen auf, wie ich damals in den Achtzigern mit meinem C64. Der Unterschied: Die kennen die Trennung zwischen digital und analog gar nicht mehr.Wenn ich als Lehrer/in an der Lebensrealität dieser jugendlichen Schüler/innen teilnehmen will, muss ich auch mit diesen Tools arbeiten. Das Problem: In der Schule digitalisieren wir immer nur das Analoge: Ein Word-Dokument basiert auf einem Blatt Papier in einer Schreibmaschine. Auf einem Whiteboard wird gekratzelt wie auf der Tafel. Spannend werden diese Tools erst, wenn sie Neues ermöglichen.

„Die Werkzeuge der Jugend sind digital. Wollen wir sie im Unterricht erreichen, müssen auch wir mit digitalen Tools arbeiten.“

Meine Schüler/innen rechnen nicht mehr bloß, sondern machen Erklärvideos, wie das Rechnen funktioniert. Computer berechnen eine quadratische Lösungsformel bereits in wenigen Sekunden. Heute geht’s um die Fragen: Kann ich die Ergebnisse richtig einschätzen? In welchem Kontext kann ich sie weiterführen? Und wann soll ich eine Maschine einsetzen und wann nicht?

Wie erstellt man als Lehrer/in ein gutes Erklärvideo?

Das können tausend andere besser als ich. Das Wichtigste aber ist: authentisch sein. Die Schüler/innen kennen dich ohnehin, daher muss man sich nicht verstellen. Die Videos sollten möglichst einfach gestaltet und nur ein paar Minuten lang sein.

Man muss auch keine tausende Euro in Equipment oder Sprecherkurse investieren. Zack, Headset mit dem Tablet oder Smartphone verbinden und in der Onboard-Software auf Record drücken. Das wichtigste: Nicht lange überlegen, einfach machen. Lehrer/innen müssen keine Profi-Produktionen liefern, sondern schnell funktionieren, um schnell ihre Schüler/innen zu erreichen.

Haben Sie im Fernunterricht auch Ihre Videokonferenzen dokumentiert?

Ja, während des Distance Learnings haben mich die Schüler/innen immer gefragt: Zeichnen Sie eh auf, Herr Professor? Wenn ich was erkläre, drücke ich einfach auf Aufnahme und stelle den Mitschnitt meines Unterrichts der Klasse zum Nachschauen bereit.

Sie präsentieren sich online als Rockstar mit kurtrocks-Hashtag und eigenem Avatar. Braucht es eine solche Inszenierung, um auf YouTube erfolgreich zu sein?

Nein, schon gar nicht in der Lehrer/innen-Szene.Warum ich das mache: Ich bin ja zu 3/4 selbständig mit meiner Firma #kurtrock Edu.Innovation.Consulting. Mein Business ist es, Leute zu erreichen und in Schulen Fortbildungen zu machen. Und dazu muss man – wie überall – laut sein. Ich bin ein offener, redseliger Mensch und gewohnt auf der Bühne zu stehen. Das ist mein Leben. Andere Lehrer/innen unterrichten sicher besser, effizienter und cooler, haben aber nicht dieses Bedürfnis, das nach außen zu tragen.

„Ich bin ein offener, redseliger Mensch und gewohnt auf der Bühne zu stehen. Das ist mein Leben.“

Sind Sie ein Influencer?

In meinem kleinen Universum der Lehrer/innen? Ich glaube, ja. Ich bin stolz, dass letztes Jahr rund 3.000 Personen meine Vorträge, Fortbildungen und Webinare gehört haben. Da beeinflusst man. Mein Ziel ist aber nicht, eine Masse an Followern zu erreichen, sondern eine einzige Person zu beeinflussen. Wenn ich einem/r Lehrer/in ein Werkzeug zeigen kann, zeigt dieser es wiederum vielen Schülern und Schülerinnen. Und vielleicht wird aus einem von ihnen der zukünftige Bundeskanzler oder Sonstiges. Um als Influencer Geld zu verdienen, bin ich aber viel zu klein.

Was können sich denn Lehrer/innen von YouTubern und YouTuberinnen abschauen?

Österreichs erfolgreichster YouTuber KSFreak war mein Schüler. Und ich habe mir nix von ihm abgeschaut.

Aber er sich von Ihnen?

Glaub ich kaum, sonst wäre er nicht letzten Sommer bankrott gegangen. KSFreak hat mit 18 Jahren mehrere Millionen verdient und wieder verloren.Ich glaube ohnehin, dass es mit meinen 40 Jahren sinnlos ist, die Jugend zu kopieren. Wenn ich 2.000 Follower habe, lachen mich die 14-Jährigen aus. Wir Lehrer/innen müssen nicht auf jeden Trend aufspringen, dürfen aber auch nicht ausblenden, was die Jugend im Internet macht und bewegt.

Was ist hier die Aufgabe von Lehrerinnen und Lehrern?

Wir können pädagogisch aufklären, wie und warum Plattformen wie YouTube und Instagram funktionieren. Doch dazu müssen Lehrer/innen sich auch aktiv mit ihnen beschäftigen. Eine Wirtschaftsschule kann nicht über Instagram philosophieren, wenn sie es nicht selbst nutzt. Deshalb haben wir an der HAK-Steyr sehr früh schon eine Facebook-Seite und einen Instagram-Account eröffnet. Das machen wir nicht wegen der Gaudi, sondern damit wir bei den Schülern und Schülerinnen sind. Wir haben sogar ein Fach, das sich mit Social Media beschäftigt.

„Lehrer/innen können aufklären, wie und warum YouTube und Instagram funktionieren. Doch dazu müssen wir uns auch aktiv damit beschäftigen.“

Sie haben soeben die „O365 School Community“ gegründet. Was bringt sie Lehrerinnen und Lehrern?

Die Idee ist: die unglaublich vielen Infos zu allen Microsoft Education Tools auf einer inoffiziellen Plattform zu vereinen. Ich möchte möglichst viele Praktiker/innen zusammenbringen, die sich in Microsoft Teams austauschen. Lehrer/innen können über ihren Schul-Account der Community in Microsoft Teams beitreten und jederzeit ihre Fragen stellen. Nach dem Motto meines Opas: Durch’s Reden kommen die Leute z’sammen. Nach zwei Wochen sind bereits über 1.000 Leute aus dem deutschsprachigen Raum dabei.

Was müsste sich in Microsoft Teams noch verbessern?

Schwer zu sagen. Man darf nie vergessen, dass Microsoft Teams nicht primär für Schulen entwickelt wurde. Tools wie Videokonferenz eignen sich zwar für den Online-Unterricht, machen aber nur 2 % des Funktionsumfanges aus. Die DNA wurde für modernes Zusammenarbeiten in der Wirtschaft programmiert. Die großen Unternehmen sind die zahlenden Kunden. Daher wird Teams wohl nie zum perfekten Lernmanagementsystem werden.

Weitere Infos und Termine hier: www.kurtsoeser.at

 

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